Themen des Artikels

Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen

Kommentar

Wenn aus dem Warten auf Stuttgart 21 das Warten auf die Gäubahn wird

Was Stuttgart 21 angeht, scheint ein Ende in Sicht. Anders sieht es mit der Gäubahn aus. Ein Kommentar von Michael Schwarz.

Die Gäubahn kann noch bis März 2027 den Stuttgarter Hauptbahnhof anfahren.

dpa/Felix Kästle)

Ende gut, alles gut? Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende? Es gibt zahlreiche Sprichwörter, die einem einfallen, wenn man die 36. Lenkungskreissitzung zu Stuttgart 21 an diesem Freitag Revue passieren lässt. Was einem vielleicht am längsten Gedächtnis bleiben dürfte, ist jenes Zitat von Verkehrsminister, Winfried Hermann, der dieses Projekt nun schon seit 14 Jahren begleitet. Er sprach von einer „Politik des Erhörtwerdens“, seinen Ministerpräsidenten persiflierend, der mutmaßlich ohne Stuttgart 21 nie an die Macht gekommen wäre. Wie auch Hermann nicht zu seinem Ministerposten.

Die Bahn hat kapiert, dass sie die Partner im Boot halten muss

Die „Politik des Gehörtwerdens“ war Kretschmanns Gegenentwurf zu Mappus‘ Politik des Durchregierens um jeden Preis. 15 Jahre nach dem Spatenstich für Stuttgart 21 scheinen nun auch die Bahn kapiert zu haben, dass man nicht mit dem Kopf durch die Wand kann. Und dass man seine Partner im Boot halten muss. Viel zu lange hat der Staatskonzern mit verdeckten Karten gespielt. Doch auf den letzten Metern scheint er sich eines Besseren zu besinnen. Endlich redet man miteinander.

Der neue Plan, wonach im Dezember 2026 nur eine Teileröffnung von Stuttgart 21 stattfindet, ist vor allem vor dem Hintergrund der Digitalisierung zu verstehen. Weil die elektronische Zugbeeinflussung derart viele Umbaumaßnahmen im gesamten Stuttgarter Bahnnetz erfordert, wären monatelange Total-Sperrungen die Folge gewesen, hätte die Bahn auf dem Eröffnungstermin Dezember 2026 beharrt.

Nun wird sie stückweise erfolgen – erst für den Fernverkehr und die Hälfte des Nahverkehrs, im Laufe des Jahres 2027 dann für die S-Bahn und den Rest des Nahverkehrs. Immer mit Ausnahme der Gäubahn, die noch bis 2027 in den alten Kopfbahnhof fahren darf und erst dann in Stuttgart-Vaihingen endet, wenn Stuttgart-Bad Cannstatt und damit die Rems- und die Murrbahn an Stuttgart 21 angeschlossen werden.

Dies hat zur Folge, dass die Fahrgäste auch 2027 leiden müssen. Dafür werden sie 2026 deutlich entlastet. Und all dies könnten in der Rückschau lässliche Sünden sein, wenn man bedenkt, dass Stuttgart damit den ersten voll digitalisierten Bahnknoten der Welt bekommt.

Die Stuttgarterinnen und Stuttgarter sind bescheiden geworden

Ob Stuttgart 21 eines Tages ein Erfolg sein wird oder doch ein großer Fehler, wird sich ohnehin erst in Jahrzehnten zeigen. Jetzt ist noch zwei Jahre Geduld gefragt und dann könnte alles fertig sein. Ob dies wirklich der Fall sein wird oder ob sich weitere Abgründe auftun – wer will das heute entscheiden? Die Stuttgarterinnen und Stuttgarter sind bescheiden geworden. Wenn sie irgendwann wieder einen funktionierenden Hauptbahnhof und keine Dauerbaustelle mehr haben, werden sie durchschnaufen.

Wann dies die Singener, Tuttlinger, Rottweiler, und Horber tun können, steht auf einem anderen Blatt. Dafür muss erst noch der Pfaffensteigtunnel gebaut werden – hoffentlich wie versprochen bis 2032. Jedenfalls wäre es ein echter Schwabenstreich, wenn der Süden des Landes abgeschnitten wurde – und das nur, weil dieses sagenhaft teure Bahnprojekt im Vorfeld niemand durchdacht hat.

Nutzen Sie die Vorteile unseres

Premium-Abos. Lesen Sie alle Artikel aus Print und Online für

0 € 4 Wochen / danach 199 € jährlich Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren

Lesen Sie auch