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Rettungsdienst

Björn Steiger Stiftung legt Verfassungsbeschwerde ein

Im Notfall soll jeder die gleichen Überlebenschancen haben, unabhängig vom Wohnort. Dies ist aus Sicht der Björn Steiger Stiftung aktuell nicht der Fall. Sie hat nun Verfassungsbeschwerde erhoben – gegen den Bund und stellvertretend für die Länder gegen Baden-Württemberg.

Die Björn Steiger Stiftung setzt sich für ein bundesweit einheitliches Rettungsdienst-System ein.

dpa/Matthias Balk)

Karlsruhe/Berlin. Pierre-Enric Steiger sieht systematische Missstände im Rettungsdienst. Der Präsident der 1969 mit Sitz in Winnenden gegründeten Stiftung will das nicht länger hinnehmen. Und so hat die Stiftung am Donnerstag Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe gegen den Bund und das Land Baden-Württemberg eingelegt. Ziel sei es, dass festgestellt werde, dass die jetzige Regelung gegen das Grundgesetz verstoße, sagte Steiger in Berlin. Gerade in Zeiten wie diesen müsse man für größere Notfallszenarien vorbereitet sein. Doch halte die Politik an einem überholten System fest. Eine Reform sei nicht nur medizinisch, sondern auch verfassungsrechtlich geboten.

200 unterschiedliche Leitstellensysteme bundesweit

Die Beschwerde hat zwei Kernpunkte: Zum einen komme der Bund seiner Aufgabe, die Notfallversorgung der Bürger sicherzustellen, nur unzureichend nach und stelle kein durchgängig funktionierendes, flächendeckendes Rettungsdienst-System mit bundesweit vergleichbaren Qualitätsstandards zur Verfügung.

So gebe es 200 unterschiedliche Leitstellensysteme mit unterschiedlichen Betreibern, 16 verschiedene Rettungsdienstgesetze, unterschiedliche Hilfsfristen und Planungsgrundlagen, unterschiedliche Kompetenzzuweisungen bei Ärzten und Sanitätern, kritisiert Frank Ulrich Montgomery, Ehrenpräsident der Bundesärztekammer und Mitglied des Präsidialrats der Björn Steiger Stiftung.

Der Bund finanziert die medizinische Infrastruktur einschließlich Notfallrettung über die Sozialversicherung. Daher habe er eine Garantenstellung. „Wer Leistungen zahlt, muss sich auch darum kümmern, was die Menschen dafür bekommen“, so Wolfgang Spoerr, Honorarprofessor an der Humboldt-Universität Berlin. Die Garantenstellung erstrecke sich auf die Qualität der Notfallrettung. Qualitätsmaßstab sei nach den Grundrechten der Lebensschutz und der sozialrechtliche Grundsatz: gleiche Beiträge, gleiche Leistungen.

Rettungsdienstgesetz des Landes verletzt laut Steiger das Grundrecht auf Leben

Der zweite Kernpunkt der Beschwerde: Das Rettungsdienstgesetz Baden-Württembergs verstoße gegen das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Es enthalte fehlerhafte Vorgaben und veraltete Organisationsstrukturen. Zuständigkeiten im Notfall seien nicht umfassend geklärt, entsprächen nicht internationalen Standards. So habe das Land etwa die Hilfsfrist für lebensbedrohliche Notfälle effektiv erhöht, heißt es von der Björn Steiger Stiftung. Vormals galten zehn bis 15 Minuten bis zum Eintreffen von Rettungswagen und Notarzt für alle Notfälle. Die Hilfsfrist startete mit Eingang des Notrufs in der Leitstelle.

Nun gilt im Südwesten eine Planungsfrist von zwölf Minuten für lebensbedrohliche Notfälle. Doch beginnt die Zeit mit der Disponierung zu laufen, weshalb laut Stiftung zwei bis drei Minuten dazugerechnet werden müssten.

Innenministerium: Björn Steiger Stiftung meint vorrangig den Bund

„Der Björn Steiger Stiftung geht es vorrangig um den Bund“, teilt ein Sprecher des Innenministeriums mit. „Es ist bedauerlich, dass die Björn-Steiger-Stiftung auch gegen das Land Baden-Württemberg eine Verfassungsbeschwerde einreicht, wenn sie in erster Linie den Bund meint.“ Zunächst sei das Land nicht zu einer Stellungnahme aufgefordert. Dies geschehe üblicherweise nur dann, wenn das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung annehme.

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Die aktuelle Planungsfrist

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat im Mai 2023 den Rettungsdienstplan teils für unwirksam erklärt und damit die Regel zu den Hilfsfristen, wonach seit 2022 Rettungswagen in zwölf Minuten am Einsatzort sein müssen. Danach galt wieder der gesetzlich vorgegebene Zeitrahmen, zwischen zehn und 15 Minuten. Mit dem Rettungsdienstgesetz vom Sommer 2024 ist die Planung im Land daran ausgerichtet, dass das erste Rettungsmittel in 95 Prozent der Fälle in zwölf Minuten eintrifft.

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