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Damit der öffentliche Dienst die besten Köpfe bekommt

Nein, so wird es auch in Zukunft nicht in deutschen Amtsstuben aussehen. Doch eine Scheibe darf sich der öffentliche Dienst durchaus von den digitalen Nomaden abschneiden.
dpa/Westend61)Eigentlich könnte dem öffentlichen Dienst nichts Besseres passieren. Obwohl die Zeiten, in denen ihm die Bewerber die Türe einrannten und er es sich leisten konnte, selbst Lehrer mit Top-Noten zu vergrämen, wohl endgültig vorbei sind, hat er wieder die Qual der Wahl. Die Konjunktur schwächelt, und viele junge Menschen ziehen die Sicherheit des Staates den ungewissen Karrierechancen in der Wirtschaft vor.
Und doch gibt es einen Bereich, in dem es immer noch nicht gelingt, den Personalbedarf zu befriedigen. Das ist die IT. Und dies hat nicht nur damit zu tun, dass Superhirne immer gefragt sein werden. Sondern dass der öffentliche Dienst mit seinem Laufbahnprinzip weder etwas für Späteinsteiger ist, noch für Menschen, die in ihrem Fachgebiet brillieren. Wer es bei Vater Staat zu etwas bringen will, sollte möglichst gleich nach der Schule einsteigen und bereit sein, Personalverantwortung zu übernehmen. Dann kann er die lange Leiter nehmen, die in die attraktiven Besoldungsstufen führt.
Mit diesem Problem steht Deutschland nicht allein da. In Österreich, Belgien, Frankreich, Spanien und Portugal verlaufen Beamtenkarrieren ähnlich. Anders dagegen sieht es in Großbritannien aus, in Schweden, Finnland und in den Niederlanden und in mehreren Staaten des ehemaligen Ostblocks. Dort wird es Seiteneinsteigern leichter gemacht und Personen, die eher auf der Fachebene voranschreiten möchten, auch.
Man muss sich nicht für das eine oder andere System entscheiden
Das Zauberwort heißt „positionsbezogenes System“ und ist das Gegenstück zum Laufbahnprinzip. Und beide Konzepte lassen sich kombinieren, wie etwa Island, Polen und Tschechien zeigen. Ein Staatswesen muss sich also nicht für das eine oder andere entscheiden. Die Frage stellt sich nicht, wohl aber eine andere: Was spräche eigentlich dagegen, es einfach einmal zu probieren?
Man muss ja nicht gleich das gesamte Berufsbeamtentum auf links drehen. Doch wo der Staat mit der Privatwirtschaft um die hellsten Köpfe konkurriert, muss er auch finanziell etwas zu bieten haben. Und das geht nun mal nicht mit dem Status quo. Wenn die Möglichkeit bestünde, Quereinsteigern Spitzengehälter zu bezahlen, müssten besonders anspruchsvolle IT-Aufgaben nicht mehr nach außen vergeben werden. Mit dem Risiko, dass Wissen abwandert, statt beim Staat zu bleiben.
Damit ließen sich vielleicht auch digitale Nomaden gewinnen, die sich eine Zeit lang verdingen, ohne eine lebenslange Beziehung mit Vater Staat eingehen zu wollen. Und die bei Projekten wertvolle Arbeit leisten können – auch dank ihrer Erfahrungen, die sie in anderen Weltgegenden sammelten, die ein klassischer Beamter, wenn überhaupt, nur im Urlaub zu sehen bekommt.
Dass ein solcher Systemwechsel Gefahren birgt, dass es dabei auch zu Neid und Missgunst kommt, lässt sich nicht ausschließen. Wie würde man wohl selber reagieren, wenn man feststellen würde, dass der Kollege Quereinsteiger gleich viel oder mehr verdient, obwohl der nicht dieselbe Ochsentour absolviert hat, die der öffentliche Dienst ansonsten für seine Staatsdiener vorsieht?
Doch ist das wirklich ein Gegenargument? Oder ist das zu kleinlich gedacht angesichts der Aufgaben, die auf den öffentlichen Dienst warten? Schließlich geht es darum, dass der Staat die Zukunft nicht verschläft. Und die wird nun einmal digital sein.
Umgekehrt wird ein Schuh draus: Der Staat braucht beide – die sich aufopfernden, berufliche Sicherheit suchenden klassischen Beamten. Und jene, die nur zu ihm finden, wenn er sein strenges Laufbahnrecht auch einmal ignoriert.
Die Chance darf der Staat nicht ungenützt verstreichen lassen
Die Chance jedoch, Personal an sich zu binden, das in dieser Qualität und Zahl vielleicht in ein paar Jahren nicht mehr zur Verfügung steht, darf der Staat nicht ungenützt verstreichen lassen. Solange die Wirtschaft schwächelt, kann er beide bekommen – die Beamten und die „positionsbezogen“ angeheuerten, außertariflich bezahlten Angestellten.
Und natürlich, das darf an dieser Stelle nicht vergessen werden, die tariflich Beschäftigten. Eine Personengruppe, die normalerweise eher in den niedrigeren Gehaltsklassen angesiedelt ist und auch nicht so eine auskömmliche Altersversorgung zu erwarten hat wie die Beamten.
Was wiederum zeigt, dass der öffentliche Dienst schon heute kein einheitliches System ist und die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums eben nicht für alle gelten. Weshalb vieles dafür spricht, eine weitere Ausnahme zu gestatten, damit Deutschland vorwärtskommt.