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Sommergespräche

Der Papa war Sozialdemokrat, doch Carola Wolle sieht ihren Platz in der AfD

Sie ist das weibliche Gesicht der AfD im Landtag: Carola Wolle ist die einzige Frau in der 17-köpfigen Rechtsaußen-Fraktion. Ähnlich wie Alice Weidel entspricht sie nicht dem klassischen Rollenbild. Das hindert sie nicht, traditionelle Werte zu betonen. Ein Porträt von Michael Schwarz.

Carola Wolle in den Weinbergen von Beilstein, wo sie aufgewachsen ist und bis heute lebt.

Achim Zweygarth)

Beilstein. Die AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg hat ihren Ruf ja nicht umsonst. Sie hatte in ihren Reihen einen Antisemiten und mehrere Kollegen respektive Ex-Kollegen, die sich aus dem Landtag tragen ließen. Sie pflegte einen Umgang mit Corona, der anderen Parlamentariern Angst machte. Sie verteilte einen „Abschiebekalender“, in dem auf menschenverachtende Art und Weise über jene Witze gemacht wurde, die nach Deutschland geflohen sind.

Und doch gibt es in ihren Reihen immer noch Abgeordnete, die weniger schrill unterwegs sind. Dazu gehören der langjährige Fraktionsvorsitzende Bernd Gögel, der Bildungsexperte Rainer Balzer und die Sozial- und Gesundheitsexpertin Carola Wolle. Politiker, denen man es abnehmen kann, dass sie wegen der Euro-Kritik von Bernd Lucke und anderer konservativer Themen in die AfD eingetreten sind. Wobei man sich natürlich schon fragen darf, ob sie vor diesem Hintergrund die Partei nicht längst wieder verlassen hätten müssen.

Für Carola Wolle, die seit 2021 die einzige Frau in der Landtagsfraktion ist, ist dies jedoch keine Frage: „Ich fühle mich wohl in der AfD.“ Selbst den „Abschiebekalender“, der zwölf Linienmaschinen zeigt mit der Angabe, wie viele Flüchtlinge sie transportieren und wie schnell sie deren Heimatländer erreichen können, fand sie zwar „persönlich nicht so geschickt“. Das Thema sei aber durchaus berechtigt. Und auch von dessen Erfinder, dem Fraktionskollegen Miguel Klauß, will sie sich nicht distanzieren, obwohl dessen Immunität kürzlich aufgehoben wurde. Klauß fiel in der Vergangenheit immer wieder durch rechte Provokationen auf.

Daniel Borns Abschied als Landtagsvize tut ihr leid

Die 61-jährige Diplom-Kauffrau packt allerdings bisweilen auch das gröbere Besteck aus, etwa am letzten Tag vor der parlamentarischen Sommerpause beim Thema Kinder- und Jugendhilfe, als Daniel Born sich seinen Worten zufolge so sehr über die AfD aufregte, dass es zu der Kurzschlussreaktion mit dem Hakenkreuz kam, die den SPD-Politiker sein Amt als Vizepräsident kostete.

Selbstverständlich müsse bereits in der Erziehung die Akzeptanz anderer Lebensformen gefördert werden, so Wolle in ihrer Rede, in der sie auf die Landtagsverwaltung losging: „Aber wenn Sie im Buch ,Die Landtagskrokodile‘ (das Kinder mit der Arbeit der Abgeordneten vertraut machen soll und vom Landtag herausgegeben wurde, Anm. d. Red.) schwadronieren, dass sich Kinder einem Geschlecht zugehörig fühlen können […], dann haben Sie etwas völlig falsch verstanden. Das ist Manipulation und keine Sensibilisierung.“

Wolle bedauert Borns Reaktion. Sie habe den Ex-Landtags-Vize immer sehr geschätzt, er habe die AfD stets fair behandelt. Die Sympathie für einen Sozialdemokraten kommt nicht von ungefähr. Carola Wolle stand nicht immer so weit rechts. Sie habe schon die Grünen und die CDU gewählt. Und bei ihrer ersten Wahl die SPD, wie sie sich zu erinnern meint, denn der gehörte ihr Vater an. Zu Hause habe es immer Diskussionen gegeben – auf der einen Seite der Vater, ein überzeugter Sozialdemokrat, auf der anderen Seite die Mutter, die zur CDU hielt. Die Tochter hielt sich da lieber raus und fand erst durch den damaligen AfD-Chef Lucke den Weg in die Politik.

Als Wolle 2016 ins Parlament gewählt wurde, habe ihr Vater gesagt: „Schätzle, ich freue mich, dass du im Landtag bist, aber leider für die falsche Partei.“ Mittlerweile habe sich die Partei von Willy Brandt und Helmut Schmidt jedoch derart gewandelt, dass sie selbst ihrem Vater nicht mehr gefallen würde. Ihrer Ansicht nach ist die SPD „eine Kaderschmiede geworden, die nur noch am Machterhalt Interesse hat und nicht mehr am Wohl des Volkes“.

2021 schaffte Wolle es erneut in den Landtag, 2026 könnte es knapp werden. Auf der erstmals aufgestellten Landesliste steht sie nur auf Platz 28; damit es sicher klappt, müsste die AfD schon über 15, besser noch 16 Prozent kommen. Sie habe sich zurückgenommen – zugunsten des Regionalproporzes und von Dennis Klecker, der ebenfalls aus dem Raum Heilbronn stammt und auf Platz fünf steht. Dem AfD-Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten, Markus Frohnmaier, der die Liste zusammengestellt hat, ist sie nicht böse, schätzt ihn sogar sehr.

Carola Wolle im Gespräch mit Staatsanzeiger-Politikredakteur Michael Schwarz.
Achim Zweygarth)

„Ich gehe davon aus, dass das schon reicht.“ Und wenn es mit dem Wiedereinzug nicht klappt? Dann werde sie sich schon etwas einfallen lassen. Wie damals, als die Wissenschaftskarriere ihres Mannes endete, weil Angela Merkel den Atomausstieg beschloss und es für die Erforschung der Kernfusion kein Geld mehr gab. Damals gründeten die beiden ein kleines Unternehmen, das sich auf Heizung und Regelungstechnik spezialisierte.

Dann zog sie in den Landtag, die Ehe ging zu Ende und 2023 wurde die Firma verkauft. Wobei sie Wert darauf legt, dass dies erst geschah, als der Meister, der für den technischen Part zuständig war, in Rente ging. Sie habe ihm sein Wort gegeben.

Stephan Schwarz, der 2026 ebenfalls für die AfD in den Landtag will, hat Carola Wolle Gelegenheit zu einem Selbstporträt gegeben – in seinem 2024 erschienenen Buch „Mutfrauen: Erfolgreich mit Qualität. Ohne Quote. Ohne Quatsch.“ Wolle betont darin, dass ihre Eltern sie in ihrer persönlichen, schulischen und beruflichen Entwicklung genauso unterstützt hätten wie ihren Bruder. Und dass sie 16 Jahre lang bei Daimler ihren „Mann“ gestanden habe. Sie berichtet, wie ihr Vater ihre sozialpolitischen Einstellungen geprägt habe. Und wie dies im Studium durch eine wirtschaftliche Sichtweise ergänzt wurde. „Während das Koordinatensystem der heutigen SPD zu weit in Richtung Kommunismus verrutscht ist, bin ich konservativer geworden.“

Wie Alice Weidel lebt, findet Carola Wolle „überhaupt nicht anrüchig“

Wenn Carola Wolle sich am Weltfrauentag im Landtag dafür ausspricht, dass „die unschätzbare Leistung einer Nur-Hausfrau oder eines Nur-Hausmanns“ endlich durch steuerliche Entlastungen anerkannt werden müsse, klingt das sehr nach dem Heimchen am Herd, das sie nie war und ist. Und insofern gibt es eine Parallele zur Bundesvorsitzenden Alice Weidel, die ja auch ein Lebensmodell praktiziert, das so gar nicht zur AfD zu passen scheint.

Doch Wolle sieht da keinen Widerspruch. Es gebe viele Menschen, die wie Weidel zwei Wohnsitze hätten, und dass Weidel viel Zeit mit ihrer Partnerin und den Kindern verbringe, „ist überhaupt nicht anrüchig“. Im Übrigen habe sich die AfD nie gegen Homosexualität ausgesprochen. Nur die Überhöhung dieses Themas finde man nicht gut. Das sei eine sehr persönliche Sache. Wie im Übrigen auch die Transsexualität.

Dass es Frauen in der AfD nicht leicht haben, räumt sie ein. Doch sie hebt auch heraus, dass sich im kommenden Jahr deren Zahl in der Fraktion vervierfachen könnte. Drei Frauen stehen nämlich noch vor ihr auf der Liste. Dann könnte sie wieder Frauengespräche führen wie einst mit Christina Baum, die in der ersten AfD-Landtagsfraktion saß und 2021 in den Bundestag wechselte. Dass Baum einen ausgeprägten Hang zu Verschwörungserzählungen besitzt, dass Markus Frohnmaier sie im Zuge der „Entschwefelung“ der Partei aussortierte und sie 2025 nur über ein Direktmandat in Sachsen-Anhalt den Wiedereinzug in den Bundestag schaffte, erwähnt Wolle nicht. Man muss ja nicht alles sagen.

Zur Person

Schon seit Generationen lebt die Familie von Carola Wolle in Beilstein (Kreis Heilbronn). Die 61-jährige AfD-Landtagsabgeordnete macht da keine Ausnahme. Sie wuchs in der malerischen Kleinstadt am Fuße der Löwensteiner Berge auf und kehrte dorthin zurück, nachdem sie in Mannheim Betriebswirtschaft studiert und für Daimler gearbeitet hat. Von 2008 bis 2023 hatte sie ein eigenes Unternehmen, das sich um Mess-, Steuerungs- und Regeltechnik kümmerte. Wolle gehört seit 2016 dem Landtag an und kandidiert 2026 erneut, diesmal auf Listenplatz 28 und als Direktkandidatin im Wahlkreis Neckarsulm.

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