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Bürokratieabbau

Die FDP will die Regierungspräsidien abschaffen, die CDU mauert

Warum geht es mit dem Bürokratieabbau so langsam voran, obwohl ihn alle wollen? Weil der Teufel im Detail liegt? Oder weil doch immer jemand nein schreit, wenn es darauf ankommt? Anschauungsmaterial lieferten zwei Landtagsdebatten mit unterschiedlichem Ausgang.

Kommt der Straßenbau jetzt zum Land? Ja, wenn es nach der FDP geht, die so die Regierungspräsidien überflüssig machen will. Die anderen Parteien äußern jedoch Zweifel. Der Bürokratieabbau bleibt eine der großen Baustellen der Politik.

Fotostand / Michael Gründel)

Stuttgart. Ja was denn nun? Ein Jahr, nachdem der CDU-Partei- und Fraktionsvorsitzende Manuel Hagel mit seiner Idee vorgeprescht ist, zwei der fünf Verwaltungsebenen in Baden-Württemberg abzuschaffen, ist es merkwürdig still geworden. Am Donnerstag verzichtete der CDU-Spitzenkandidat in einer von der FDP beantragten aktuellen Debatte zum Bürokratieabbau auf eine Intervention, war sogar anfangs gar nicht im Plenum. Stattdessen erteilte Ansgar Mayr (CDU) FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke eine vorläufige Absage. „Auch wir machen uns zu diesem Thema Gedanken“, sagte der Digitalisierungssprecher der Christdemokraten im Landtag. Doch jetzt sei „keine Zeit für Schnellschüsse“.

FDP: 13 Großkreise sollen die 44 Stadt- und Landkreise ersetzen

Zuvor hatte Rülke noch einmal skizziert, was auch im Programm der Liberalen für die Landtagswahl am 8. März steht: Die vier Regierungspräsidien und zwölf Regionalverbände sollen wegfallen. Ihre Aufgaben sollen teilweise vom Land – Straßenbau, ÖPNV-Verkehrsverbände –, teilweise von Großkreisen übernommen werden. In zehn Jahren soll es nur noch 13 dieser Kreise geben, die die 44 Stadt- und Landkreise ersetzen sollen. Zwölf sollen sich an den Grenzen der aktuellen Regionen orientieren. Der 13. Kreis soll mit der Stadt Stuttgart deckungsgleich sein. Ziel sei es, dem absehbaren Fachkräftemangel etwas entgegenzusetzen. Die Verwaltung der Zukunft müsse schnell, schlank und agil sein. Die Liberalen wollen so dafür sorgen, dass 20 Prozent der Stellen überflüssig werden – eine Zahl, die Ansgar Mayr „durchaus für realistisch“ hält.

Nicht alle Fraktionen wichen der Frage nach der Abschaffung der beiden Verwaltungsebenen aus. Emil Sänze (AfD) lehnte eine Reduzierung der Zahl der Landkreise rundweg ab. „Wir könnten uns von dem Ziel einer bürgernahen Verwaltung verabschieden“, sagte der AfD-Co-Landesvorsitzende, der darauf verwies, dass die Kreisreform von 1972 „bis heute noch nicht ganz bewältigt“ sei. Die Bürger würden die von der FDP vorgeschlagene Reform nicht akzeptieren.

Peter Seimer (Grüne) äußerte Zweifel daran, dass mit Großkreisen alles besser wird. Vor Ort seien die Bedürfnisse oft besser aufgehoben. Viel wichtiger sei es, den Beamten Ermessens- und Entscheidungsspielraum zu geben. Die Regierungspräsidien müssten gestrafft, jedoch nicht abgeschafft werden, so Seimer. Sie hätten auch wichtige Funktionen, die es auf Landratsamts- oder Rathausebene nicht gibt. Etwa die Flugsicherung und die Brückenkontrolle.

Auch Jonas Hoffmann (SPD) sprach sich für die Beibehaltung der jetzigen Kreise aus. „Wenn ein Kind Probleme zu Hause hat, landet es beim Landratsamt.“ Für Streichungen bei den Sozialausgaben sei die SPD nicht zu haben.

Doch nicht nur um die Struktur der Verwaltung ging es in der Debatte. Einen breiten Raum nahm auch das Thema Digitalisierung ein. In ihr liegt nach Auffassung von Klaus Ranger (SPD) der Schlüssel für eine moderne Verwaltung. Die Bürger müssten sich einfach authentifizieren können, Standardbezahlvarianten müssten vorgehalten werden, die digitale Signatur müsse die händische Unterschrift ersetzen. Kurz: „Was bei Banken, Versicherungen und anderen Geschäften geht, muss auch bei der Verwaltung möglich sein.“

Innenminister Thomas Strobl (CDU) verwies darauf, dass man schon heute in allen 44 Stadt- und Landkreisen sein Auto online anmelden könne. Das Modell sei in seiner Heimatstadt Heilbronn entwickelt und sukzessive auf alle Kfz-Behörden in Baden-Württemberg ausgerollt worden. Und nicht nur dort: 130 Zulassungsstellen in der gesamten Republik wendeten mittlerweile die Software an. Strobl riet dazu, noch einen Schritt weiterzugehen und in Zukunft eine einzelne Behörde in der Republik mit dieser Aufgabe zu betrauen. Diese könne in Stuttgart oder in Flensburg sein.

Das wäre auch für Jonas Hoffmann „eine total gute Lösung“, jedenfalls dem Grundsatz nach. Doch noch liege die Zahl der Nutzer im einstelligen Prozentbereich. Die Voraussetzungen dafür seien immens: eine Bund-ID, ein digitales Bezahlsystem, das nicht abstürzt, und Fahrzeugpapiere, die neuer sind als 2018. Und selbst dies genüge nicht in allen Landkreisen, weil sie ihre alten Dokumente wiederverwendeten. „Und letztlich brauchen Sie einen Drucker.“

Die Abgeordneten hatten schon am Mittwoch über Bürokratieabbau debattiert. Und anders als in der aktuellen Debatte am Donnerstag einen Knopf drangemacht: Denn am Mittwoch ging es um das Regelungsbereinigungsgesetz, das der Landtag einstimmig verabschiedete.

Zwei wesentliche Neuerungen wurden beschlossen: Die Stadt- und Landkreise bekommen ab 2028 die Kosten für die vorläufige Unterbringung von Flüchtlingen pauschal vom Land erstattet. Bislang wurde „spitz“ abgerechnet, das heißt, dass die Kreise ihre Kosten nachwiesen und das Land zahlte. Boris Weirauch (SPD) warnte jedoch davor, dass es durch die vorgezogene Umstellung – ursprünglich sollte erst ab 2030 pauschal abgerechnet werden – zu Rechtsstreitigkeiten mit den Kommunen kommen könne, weil es teils um Millionensummen gehe. Davor hatten auch die kommunalen Landesverbände in einer Anhörung am vergangenen Donnerstag gewarnt.

Gemeinde haftet nicht mehr, wenn ein Ast auf eine Sitzbank fällt

Außerdem müssen Kommunen unter bestimmten Umständen nicht mehr haften, wenn es im Wald zu Unfällen kommt. Dies gilt für Sitzbänke, Infotafeln und Spielplätze. Dabei hatte sich die Landesregierung lange auf den Standpunkt gestellt, dass sie nichts tun könne, weil Haftungsrecht Bundesrecht ist. Inzwischen ist man jedoch zu einer anderen Einschätzung gekommen, wie das Staatsministerium berichtet (siehe unten).

Juristisches Neuland

Haftungsrecht ist Bundesrecht. Die Entlastungsallianz hat aber beschlossen, ein Gutachten einzuholen, um auszuloten, wo dennoch kleinere landesrechtliche Spielräume bestehen könnten, so das Staatsministerium auf Nachfrage. Laut diesem Gutachten ist es möglich, das Landeswald- und das Landesnaturschutzgesetz so abzuändern, dass Kommunen künftig nicht mehr haften müssen, wenn auf eine Bank im Wald ein Ast fällt und einen Wanderer verletzt. Thomas Hentschel (Grüne) sprach im Landtag von juristischem Neuland.

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