Themen des Artikels
Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen
Die Gewerkschaft der Polizei wirbt für den Taser

Die Gewerkschaft der Polizei Baden-Württemberg hat bei der SPD-Fraktion den Taser vorgestellt.
Jennifer Reich)Stuttgart. Sam wünscht sich, er hätte damals einen Taser gehabt. Bei diesem einen Einsatz 2023, bei dem er mit einem Messer angegriffen wurde und schießen musste. Dieser eine Einsatz, der nicht nur sein Leben verändert hat. Ein Mensch kam zu Schaden. Ein Erlebnis, das den Polizisten umtreibt, das er bis heute versucht, zu verarbeiten. Aber er will weitermachen. Und er will etwas verändern.
Nach dem, was er erlebt hat, macht er sich für den Taser bei der Polizei stark, den er als weitere Handlungsoption sieht. „Kein Polizist macht leichtfertig von der Schusswaffe Gebrauch“, sagt er. „Und erst recht will keiner den Abzug drücken.“ Und so begleitete er Vertreter der Gewerkschaft der Polizei (GdP) vergangene Woche bei einem Besuch der SPD-Landtagsfraktion, um für den Taser zu werben.
Die Gewerkschaft der Polizei will zeigen, wie man den Taser einsetzt
Freilich ist der Taser, ein Distanzelektroimpulsgerät, nicht für alle Lagen das richtige Einsatzmittel. Das weiß man auch bei der GdP. Er ist vor allem für statische Lagen gedacht. Wie der Landesvorsitzende Gundram Lottmann betont, wolle man für das Gerät sensibilisieren. Aufzeigen, was der Taser kann und was nicht, Politiker dafür sensibilisieren. Denn der Taser kann bei der Deeskalation hilfreich sein. Das zeigen die Erfahrungen aus anderen Bundesländern, wie Jonas Witzgall, Landesjugendvorsitzender der GdP, verdeutlicht. Bis zu 91 Prozent der kritischen Einsatzlagen könnten schon in der Androhungsphase deeskaliert werden. Zehn Länderpolizeien haben den Taser im Einsatz, darunter Bayern. Dort kam 2023 der Taser 100 Mal zum Einsatz, 73 Mal reichte die Androhung zur Deeskalation. In Baden-Württemberg soll der Taser nun getestet werden. Das kündigte Innenminister Thomas Strobl (CDU) kürzlich an. Diese Kehrtwende kam für viele überraschend, auch in der Polizei. Strobl begründete den Schritt damit, dass sich die Technik weiterentwickelt habe.
Gewerkschaft sieht Notwendigkeit einer Testphase nicht
Was viele nicht verstehen, auch nicht bei der GdP, ist, warum es eine Testphase geben soll. Denn es liegen ja bereits Erkenntnisse aus anderen Bundesländern und von der Bundespolizei vor. Auch beim Spezialeinsatzkommando (SEK) sind in Baden-Württemberg Taser im Einsatz.
Genauso irritiert zeigt man sich darüber, dass zwei Modelle getestet werden sollen. Das Innenministerium lässt die Frage nach dem Warum unbeantwortet, teilt aber mit: Die technische Fortentwicklung bei Tasern hat dazu geführt, dass der aktuell bundesweit am häufigsten verwendete Taser (zwei Auslösungen möglich) eine Weiterentwicklung (zehn Einzelauslösungen) erfahren hat.
Die Vertreter des Herstellers Axon, die die GdP begleiten, haben beide Varianten dabei, empfehlen aber das neuere Modell, den Taser 10. Den führen sie nun vor. Zwei junge Polizisten, die sich in der Gewerkschaft engagieren, haben sich bereit erklärt, sich selbst dem Taser auszusetzen. Rainer Ortlieb von der Firma Axon, einst selbst Polizist in einer Spezialeinheit, erklärt den Ablauf, nennt ein paar technische Eigenschaften.
Teil nahmen neben dem Fraktions- und Landeschef Andreas Stoch die Abgeordneten Sascha Binder und Klaus Ranger. Sie konnten den Taser in die Hand nehmen und auf eine Zielscheibe die Pfeile schießen.
Zwei junge Polizisten lassen sich bei der SPD-Fraktion selbst tasern
Dass der Einsatz des Tasers durchaus schmerzhaft ist, zeigten die Selbstversuche der jungen Polizisten. Beide gingen, getroffen von den Pfeilen, die über einen Draht mit dem Gerät verbunden sind, schreiend zu Boden. Gestützt von Kollegen versteht sich. Beide berichten, dass es äußerst unangenehm ist, wenn der Strom fließt. Weil man quasi nicht mehr handlungsfähig ist.
Der Pilotversuch soll laut Innenministerium rasch starten. Angepeilt ist 2026. Ein genauer Zeitplan werde noch ausgearbeitet und „hängt maßgeblich von den Lieferfristen des Herstellers ab“. Der habe auch gerade erst vom Test erfahren, heißt es von der GdP. Zwei Jahre soll getestet werden. „Unsere Polizistinnen und Polizisten sollen eine optimale Ausrüstung und Ausstattung haben – das ist weiterhin mein klares Ziel als Innenminister.“ Eines gilt für Strobl auch weiterhin: „Wer Polizistinnen oder Polizisten mit einem Messer angreift, riskiert das eigene Leben“, sagt er. Als Ultima Ratio komme auch weiter die Schusswaffe zum Einsatz.
Mehr zum Thema: Polizeigewerkschaften drängen auf schnelle Taser-Einführung | Staatsanzeiger BW
Taser statt Pistole: Verhindert die Elektrowaffe Gewalt? | Staatsanzeiger BW
Die Taser werden in Freiburg und Göppingen getestet
Das Polizeipräsidium Freiburg soll den Taser testen: In den Streifendiensten der Polizeireviere Freiburg-Nord und -Süd, im Streifendienst des Polizeireviers Weil am Rhein und im Streifendienst des Polizeireviers Titisee Neustadt . Es soll eine Poolausstattung im Schichtbetrieb beschafft werden, sodass jedes Streifenteam über einen Taser verfügen kann. Beim Polizeipräsidium Einsatz soll die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) die Taser testen.