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Die Verschwiegenheit der kommunalen Aufsichtsräte

Muss ein Oberbürgermeister dem Gemeinderat aus dem Aufsichtsrat eines Unternehmens berichten? Darum ging es in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts.
IMAGO/Zoonar.com/Robert Kneschke)Leipzig. Kommunen sind oft an Privatunternehmen als Gesellschafter beteiligt. Stadtwerke, Unternehmen de r Abfallwirtschaft oder kommunale Krankenhäuser – all das ist Ausdruck der kommunalen Selbstverwaltung, wie sie Artikel 28, Absatz 2 des Grundgesetzes festlegt.
Ebenso folgt hieraus aber auch, dass solche Beteiligungen durch einen öffentlichen Zweck gerechtfertigt sein müssen. Den weiteren Rahmen setzen die Gemeindeordnungen der Länder. Gesetzliche Vorgabe ist hierbei regelmäßig ein angemessener Einfluss der Kommune zur Wahrung ihrer Interessen, insbesondere im Aufsichtsrat, sodass sich in diesen Bürgermeister und weitere kommunale Vertreter wiederfinden (Paragrafen 103 ff. Gemeindeordnung Baden-Württemberg).
Gesellschafts- und Gemeinderecht im Widerspruch
Damit übernehmen kommunale Aufsichtsräte eine Doppelrolle: Sie haben einerseits ein politisches Mandat, andererseits eine gesellschaftsrechtliche Kontrollaufgabe. Diesen Mandaten liegen unterschiedliche und jedenfalls zum Teil widerstreitende gesetzliche Leitbilder zugrunde. So verpflichtet das Gesellschaftsrecht, zum Teil unter Strafandrohung, zur Verschwiegenheit, während das Kommunalrecht Transparenz für den Ra t fordert.
Diesen Widerspruch musste auch der Oberbürgermeister von Mönchengladbach erleben. Die Stadt ist mittelbar an einem börsennotierten Unternehmen beteiligt, der OB ist dort Aufsichtsratsmitglied. Im Gemeinderat begehrten mehrere Fraktionen Einsicht in Unterlagen im Zusammenhang mit einer Aufsichtsratssitzung.
Der Rathauschef lehnte die Einsichtnahme ab, da er als Aufsichtsratsmitglied gesellschaftsrechtlich zur Verschwiegenheit verpflichtet sei. Das Auskunftsbegehren auf Grundlage des Paragrafen 55 Absatz 4 Satz 1 Gemeindeordnung NRW und der sich hieran anschließende Rechtsstreit führte bis zum Bundesverwaltungsgericht.
Dabei ging es mittelbar um die Auslegung des Paragrafen 394 Aktiengesetz. Demnach unterliegen Aufsichtsratsmitglieder, die auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft in den Aufsichtsrat gewählt oder entsandt worden sind, hinsichtlich der Berichte, die sie der Gebietskörperschaft zu erstatten haben, keiner Verschwiegenheitspflicht. Diese Berichtspflicht gilt nach dem Gesetz unabhängig davon, ob sie sich auf ein Gesetz, eine Satzung oder ein dem Aufsichtsrat in Textform mitgeteilten Rechtsgeschäft (etwa Arbeitsvertrag) beruht. Eine Einschränkung gilt jedoch für Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, sofern die Kenntnis hiervon für die Zwecke der Berichte nicht von Bedeu tung ist.
Der Kläger sowie ein Teil der Rechtsliteratur meinten, dass es ein zusätzliches ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal gebe. Das kommunale Aufsichtsratsmitglied sei nur dann zur Berichterstattung verpflichtet, wenn der Berichtsempfänger ein besonderes Maß an Vertraulichkeit gewährleisten kann. Nach Auffassung des Gerichts spreche hierfür jedoch weder der historische Wille des Gesetzgebers noch die Systematik oder der Zweck des Gesetzes.
Kritik am Leipziger Richterspruch überzeugt nicht
Die Vorschrift regelt die bestehende Pflichtenkollision zwischen gesellschaftsrechtlicher Verschwiegenheitspflicht und dem öffentlichen Interesse der Gebietskörperschaft an einer effektiven Beteiligungsverwaltung. Über ihren Wortlaut hinaus sei sie nicht restriktiv auszulegen, die Sicherung der Vertraulichkeit war damit vom Tisch, und die Zuverlässigkeit des Mandatsträgers, der eine vertrauliche Information begehrt, muss demnach nicht geprüft werden. Dieser sei gemäß Paragraf 395 Aktiengesetz als Berichtsempfänger ohnehin zur Verschwiegenheit verpflichtet.
Das Urteil (BVerwG – 8 C 3.23, Urteil vom 18. September 2024) wurde teilweise kritisiert. Es verschiebe die gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheit zugunsten der Offenlegung gegen über dem kommunalen Hauptgremium. Allerdings legten die Richter das Gesetz lediglich am Wortlaut des Gesetzes aus. Dies ist nach Auffassung des Gerichts auch systematisch stimmig, denn bei Beteiligungen an privaten Unternehmensformen unterliegt die öffentliche Hand – abgeleitet aus dem verfassungsrechtlichen Demokratieprinzip – dem Erfordernis demokratischer Kontrolle. Ohne die nötigen Informationen gebe es keine kommunale Kontrolle.

Klare Schranken
Zwar trug sich der Sachverhalt in Nordrhein-Westfalen zu, ebenso ergab sich die Berichtspflicht aus dortigem Landesrecht (Paragraf 55 Absatz 4 Satz 1 Gemeindeordnung NRW). Das Urteil ist trotzdem für kommunale Aufsichtsräte in Baden-Württemberg relevant, da sich die Berichtspflichten auf Gesetz, Satzung oder Rechtsgeschäft stützen können. Aufgrund der widerstreitenden Interessen an Vertraulichkeit und Berichtspflicht kommt es weiterhin auf den Einzelfall an. Das Bundesverwaltungsgericht hat aber die Schranken der Gesetzesauslegung gezogen und schafft nun Klarheit.
Christian Bischoff, Rechtsanwalt bei Menold Bezler