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Landesrechnungshof: Ein Hoch auf die Prüfer, die den Finger in die Wunde legen

Cornelia Ruppert steht seit 2023 dem Landesrechnungshof vor.
Bernd Weißbrod)Nein, alles weiß auch der Landesrechnungshof nicht, das hat erst gerade die Affäre um die 1440 Lehrerstellen gezeigt. Seine Präsidentin Cornelia Ruppert zeigte sich bei der Vorstellung des Jahresberichts für 2025 an diesem Montag ähnlich überrascht wie alle anderen, die in den letzten Tagen und Wochen erfahren haben, dass Baden-Württemberg deutlich mehr Lehrerstellen hat als gedacht.
Und doch ist immer wieder erstaunlich, was diese Behörde Jahr für Jahr zusammenträgt. Neben den beratenden Äußerungen zu Einzelthemen gibt das Amt einen Jahresbericht heraus, der 2025 auch erstmals so heißt – in der Vergangenheit hatte man ihn „Denkschrift“ genannt, was eigentlich noch besser passte.
Umfassendes Auskunfts- und Akteneinsichtsrecht
Denn darum geht es: dass die Regierenden ihr Tun überdenken, auf dass sie sich nicht von kurzfristigen Überlegungen leiten lassen – wie etwa der Frage, wie sie die nächste Wahl gewinnen können. Dabei verfügen die Rechnungsprüfer über ein umfassendes Auskunfts- und Akteneinsichtsrecht. Sprich: Sie können die Entscheidungsfindung der Ministerien und Behörden minuziös nachvollziehen, sofern diese ihre Beweggründe zu Papier gebracht haben. Anschließend teilen sie der untersuchten Stelle das Prüfungsergebnis mit – und hoffen, dass die Entscheider sich das Zeugnis zu Herzen nehmen. Weiter gehen die Kompetenzen des Rechnungshofs allerdings nicht.
Trotzdem sind die obersten Rechnungsprüfer keine einsamen Rufer in der Wüste, während die Politik das Geld mit vollen Händen zum Fenster herauswirft. Das hat zum einen damit zu tun, dass man sich gut kennt. Die Karlsruher Behördenchefs haben meist schon in Ministerien gedient und wissen, wie sie ihre Botschaften formulieren müssen, damit die Adressaten hin- und nicht weghören.
Zum anderen ist die Idee der schwäbischen Hausfrau eben doch im Südwesten tief verwurzelt, egal, was man über diese abgedroschene Floskel denkt. Jedenfalls, nachdem die CDU-Ministerpräsidenten Erwin Teufel und Günther Oettinger einst die Notbremse zogen: Unter ihrem Vorgänger Lothar Späth wurden noch großzügig Schulden gemacht.
Kretschmanns Finanzministerin trug die „implizite“ Verschuldung ab
Der erste grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann wiederum hatte das Glück, dass in seiner Amtszeit die Wirtschaft florierte und die Steuern sprudelten – jedenfalls bis die großen Krisen kamen. Da konnte man gar nicht so viel falsch machen. Selbst als die grüne Finanzministerin Edith Sitzmann die Idee einer „impliziten“ Verschuldung hatte, die man angeblich abtragen kann, wenn man Straßen und Brücken saniert, war dem Wohl des Landes nicht abträglich. Im Gegenteil! Allerdings konnte Sitzmann nur kleckern, nicht klotzen. Das ist erst unter den Bedingungen der von Friedrich Merz und Lars Klingbeil aufgeweichten Schuldenbremse möglich.
Mag sein, dass andere Organisationen – etwa die Bürgerbewegung Finanzwende, der unter anderem die ehemalige Cum-Ex-Staatsanwältin Anne Brorhilker angehört – an manchen Stellen noch schärfer nachbohren würden. Doch die Rolle des Rechnungshofs ist verfassungsrechtlich verbrieft. Seine Prüfer bekommen Einblicke wie niemand anderes. Und sie erfüllen ihre Aufgaben gut. Dies bescheinigten ihnen am Mittwoch, als die Denkschrift für 2024 auf der Tagesordnung stand, der gesamte Landtag – die Regierungsfraktionen ebenso wie die Opposition.
Wobei auch klar wurde, wo sich die Perspektive unterscheidet. Politiker müssen die Gegenwart gestalten und an die Zukunft denken, während die Untersuchungen des Rechnungshofs ihrer Natur nach nur retrospektiv sein können. Der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Markus Rösler, erinnerte daran, dass Umweltschutzmaßnahmen bei Rechnungsprüfern nicht immer auf Zustimmung gestoßen hätten und zitierte Willy Brandt mit den Worten: „Nicht die Höhe der Mittel ist entscheidend, sondern, wie wir sie einsetzen.“
Das ist die Antithese zur Mahnung der Rechnungsprüfer, der Staat möge nicht über seine Verhältnisse leben, auf dass auch künftige Generationen noch finanzielle Spielräume haben. Und diese Debatte dürfte in den kommenden Jahren noch weiter an Fahrt gewinnen. Denn ob das Geld nun sinnvollerweise in neue Infrastrukturprojekte fließt, oder ob die Nachgeborenen dereinst feststellen, dass für die wirklich wichtigen Aufgaben kein Geld mehr übrig ist, lässt sich eben nur retrospektiv feststellen. Fehler lassen sich nie verhindern. Wie gut, dass es wenigstens jemanden gibt, der einem sagt, wie man es beim nächsten Mal besser macht.