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Bildung

Schulleitung: Ein Job mit Druck von allen Seiten

Die Zahl derer, die eine Schule leiten wollen, sinkt. Gründe sind die zunehmende Belastung durch Mehrarbeit und emotionale Beanspruchung. Das geht laut GEW-Landeschefin Monika Stein aus einer aktuellen Studie hervor, die sie in Stuttgart vorgestellt hat.

Die psychische und physische Belastung der Schulleiter ist oft so groß, dass laut einer GEW-Studie der Burn-Out droht.

IMAGO/Dreamstime)

Stuttgart. „Man ist so ein bisschen die eierlegende Wollmilchsau“, sagt Susanne Posselt, Konrektorin einer Gemeinschaftsschule in Pforzheim, über die vielfältigen Aufgaben als Schulleitung . Führungsfunktionen, Lehrtätigkeit, Disziplinargewalt, Verwaltungsaufgaben, Finanzverantwortung: Das führe zu Rollenkonflikten – und Arbeitszeiten weit über die regulären 41 Wochenstunden hinaus. Die vierfache Mutter arbeitet laut eigenen Angaben durchschnittlich rund 50 Stunden die Woche – „und das schließt die Ferien mit ein“.

Verändertes Arbeitsumfeld ist laut GEW Grund für die Mehrbelastung

Posselt saß am Mittwoch in Stuttgart neben Monika Stein , Landeschefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), auf dem Podium, als diese eine neue Schulleiter-Umfrage vorstellte. Schulleiterinnen und Schulleiter in Baden-Württemberg fühlen sich demnach durch ihren Beruf psychisch zunehmend stark belastet. Das ist Ergebnis einer Studie Freiburger Arbeitswissenschaftler im Auftrag der GEW.

Für die Erhebung befragten die Wissenschaftler im Mai Schulleiterinnen und Schulleiter der laut GEW-Angaben rund 4500 Schulen in Baden-Württemberg. Die Ergebnisse seien repräsentativ, da mit rund 1400 Personen etwa ein Drittel der Schulleiter antworteten und alle Schularten berücksichtigt wurden. Neben längeren Arbeitszeiten empfinden Leitungskräfte auch die emotionalen Anforderungen als deutlich höher als normale Lehrkräfte (siehe Kasten).

Was ist der Grund für die hohe Belastung? Das Arbeitsumfeld von Schulleitungen habe sich in den vergangenen Jahren stark verändert, so GEW-Chefin Stein. „Viele Familien haben mit existenziellen Sorgen zu kämpfen und dadurch hohe Ansprüche an die Schulen. Unsere Politik und auch die Gesellschaft stellen ebenfalls steigende Ansprüche an Schulen.“ Dabei brauche es mehr denn je motivierte, gesunde und leistungsfähige Schulleitungen.

Die Gewerkschaft fordert von der Politik deshalb mehr Leitungszeit für Schulleitungen. Das Kontingent solle konkret von derzeit mindestens elf auf 14 Deputats-Stunden erhöht werden; dies sei mit insgesamt 125 neuen Stellen möglich.

Stein verlangt auch eine Entlastung von Verwaltungsaufgaben – Grundschulleiter etwa nähmen oft auch Sekretariats- und Hausmeisteraufgaben wahr – sowie einen Ausbau von Fortbildungen.

Allein zwischen 2017 und 2022 haben nach Angaben der GEW 119 Schulleiter in Baden-Württemberg ihr Amt aufgegeben. Und derzeit seien insgesamt 233 Schulleitungs-Stellen vakant. „Ich kenne keine Branche, in der so viele Leitungspositionen so lange unbesetzt bleiben wie an unseren Schulen“, kritisierte Stein. Sie verwies beispielhaft auf Leitungsstellen einiger sonderpädagogischer Bildungs- und Beratungszentren, die trotz der attraktiven A15-Besoldung vakant seien. „Ich würde mir wünschen, dass unsere Schulleitungsfunktionen so attraktiv sind, dass die Bewerber*innen Schlange stehen.“

Berufsschullehrer wollen Geld für Mehrarbeit notfalls einklagen

„Es ist höchste Zeit für eine mutige und zukunftsfähige Reform der Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen von Schulleitungen“, sagt auch Thomas Speck , Vorsitzender des Berufsschullehrerverbands Baden-Württemberg (BLV). Beim BLV verweist man auf eine Studie von 2023, zusammen mit Wissenschaftlern der Universität Mannheim. Demnach liegt der Zeitaufwand der Schul- und Abteilungsleitungen dort rund 20 Prozent über der regulären Jahresarbeitszeit.

Berufliche Schulen seien moderne Bildungszentren, die „in Größe und Aufgabenvielfalt mit mittelständischen Unternehmen vergleichbar“ sind, heißt es beim BLV. Doch die Zahl der Ausgleichsstunden für Schulentwicklung und Verwaltung sei 2013 an beruflichen Schulen um fast ein Drittel gekürzt worden – mehr als in allen anderen Schularten. Kleinere Zuweisungen zusätzlicher Zeitbudgets für Schulleitungen in den vergangenen Jahren seien begrüßenswert, könnten dies aber nicht kompensieren. Schaffe das Kultusministerium nicht bald Abhilfe, so drohte Speck, „werden wir die Erstattung der geleisteten Mehrarbeit einklagen“.

Was die Schulleitungen laut Umfrage besonders belastet

Die Arbeitsmenge von Schulleitern übersteigt deutlich die normaler Lehrkräfte. Auch emotional sind sie intensiver gefordert als diese. Zudem ist ihre Arbeit entgrenzt: 92,4 Prozent der Leitungskräfte arbeiten am Wochenende. Erholung fehlt ihnen: Sie berichten von Konflikten zwischen Arbeits- und Privatleben und sind oft trotz Krankheit am Arbeitsplatz. Ihre Burnout-Gefahr ist noch etwas höher als bei anderen Lehrkräften – die erlebte Wertschätzung dagegen geringer.

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