Kommentar zu G9

Ein Konsens zu G 9 wäre sinnvoll

Das Bürgerforum spricht sich für G 9 aus - und auch die Landesregierung will das neunjährige Abitur ermöglichen. Es wäre gut, wenn die Landesregierung nun einen Konsens suchen würde, kommentiert Chefredakteur Rafael Binkowski.

Die Teilnehmer des Bürgerforums übergeben die Kurzfassung des Bürgergutachten zu G9 an die Staatssekretärin Barbara Bosch.

dpa/Tom Weller)

Stuttgart. Spätestens seit dem eindeutigen Ergebnis des Bürgerforums zu G9 ist politisch klar: Auch Baden-Württemberg wird wieder zurückkehren zum neunjährigen Abitur, voraussichtlich mit einer Möglichkeit, freiwillig einen G-8-Zug zu besuchen. Zu offensichtlich waren die Missstände beim „ Turbo-Abitur “ der ehemaligen Kultusministerin Annette Schavan, die vor allem in der Mittelstufe den Schülern schlicht zu viel Stoff und Stress zugemutet hat. Dieser Mangel konnte in 20 Jahren nie repariert werden. Dennoch wollte Grün-Schwarz daran festhalten – nun hat der Volksantrag zweier mutiger Mütter die politische Lage verändert.

Noch ist der grüne Teil der Koalition zurückhaltend, will erst einmal gründlich ein Gesamtkonzept für die Schullandschaft erarbeiten. Das ist dringend notwendig – Methoden und Verständnis statt Auswendiglernen sollten in allen Schulformen die Normalität werden. Doch der grundsätzliche Widerstand vor allem bei den Grünen, die um die Qualität der Gemeinschaftsschulen fürchten, ist weitgehend eingestellt, es führt kein Weg mehr an G9 vorbei.

Ein kluger Schachzug von Kretschmann

Das Bürgerforum aus 55 Zufallsbürgern einzusetzen, was ein kluger Schachzug des Ministerpräsidenten. So kann man ohne Gesichtsverlust auf den Bürgerwillen verweisen. Und hat die Chance, jenseits der stumpfen Frage nach „Ja oder Nein zu G9 “ differenzierte Lösungen zu suchen.

Ein Interview mit dem Grünen-Fraktionsvize Thomas Poreski lesen Sie hier.

Dazu hat das Bürgerforum 48 Vorschläge erarbeitet, ein wertvoller Hinweis an die Bildungspolitiker. Das zeigt, dass dieses Format der Bürgerbeteiligung, das die Staatsrätin Barbara Bosch betreut, viel Potenzial hat, grundsätzliche Konflikte zu entschärfen. So sachlich und fundiert wurde selten darüber diskutiert.

Die Grünen sollten nicht auf Zeit spielen

Die Landesregierung sollte nun zügig das Gespräch mit den beiden Initiatorinnen des Volksantrages suchen, um auf Basis des Vorschlages einen Konsens zu erzielen. Auf Zeit zu spielen, die Reform auf die nächste Legislaturperiode zu vertagen oder mit Zwischenlösungen wie einer zweigeteilten Oberstufe zu setzen, wäre das falsche Signal. Dann würden die Initiative Unterschriften für einen Volksentscheid sammeln. Da liegen die Hürden zwar noch höher, doch angesichts der Sprengkraft des Themas für bürgerliche Bildungsschichten wäre die Mobilisierung für eine Abstimmung enorm.

Der Schulfrieden könnte gestärkt werden

Dann würde tatsächlich nur über G9 oder G8 entschieden, ohne Möglichkeiten zur Gestaltung. Dass es dafür eine klare Mehrheit gäbe, ist kaum zu bezweifeln. Daher gilt es jetzt, klug zu agieren, alle an einen Tisch zu setzen. Ein Konsens würde auch dem Schulfrieden dienen. Kretschmann hat seine Amtszeit mit Stuttgart 21 begonnen, wo er eine Niederlage in einem Volksentscheid einstecken musste. Sie auch mit einer solchen zu beende, wäre schade. Denn sein Verdienst ist es, die „Politik des Gehörtwerdens“ im Südwesten institutionalisiert zu haben.

Rafael Binkowski

Chefredakteur des Staatsanzeigers

0711 66601 - 293

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