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Verkehrsausschuss in Oslo und Stockholm

Eine Mobilitätswende mit Möhre und Peitsche

Was kann man für Baden-Württemberg aus der Verkehrspolitik in Oslo und Stockholm lernen? Dieser Frage sind die Abgeordneten des Verkehrsausschusses des Landtags in den skandinavischen Hauptstädten nachgegangen.

Im Gespräch mit der Bürgermeisterin von Oslo, Anne Lindboe: Verkehrsstaatssektretärin Elke Zimmer und Ausschussvorsitzender Rüdiger Klos. Foto: Stefanie Schlüter

Stefanie Schlüter)
Auch die Fähren im Osloer Fjord sind inzwischen elektrisch unterwegs.

Oslo. Wer in Oslo durch die Straßen geht, sieht mittlerweile sehr viele Elektroautos. Auch der größte Teil der rund 450 roten Stadtbusse surrt bereits leise, batteriebetrieben und ohne Abgase vorbei. Die letzten Dieselbusse sollen noch im Laufe dieses Jahres ausgetauscht werden. Die Fähren im Hafen sind ebenfalls auf Batteriebetrieb umgestellt. Es gibt kaum eine Stadt, die in Sachen E-Mobilität bereits soweit ist wie Oslo.

Die Zahlen, die Sture Portvik , nennt, sind beeindruckend. Portvik ist bei der Stadt für die Elektromobilität zuständig. Über 90 Prozent der neu zugelassenen Pkw in Oslo sind E-Autos. Und auch 42 Prozent der 2023 verkauften Lieferwagen und 32 Prozent der Lkw fahren bereits elektrisch. Für die Hersteller ist Oslo und auch Norwegen mittlerweile ein hochinteressanter Markt. Dort können sie in großem Umfang Erfahrungen bei der E-Mobilität sammeln, auch bei zweistelligen Minustemperaturen im Winter.

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Bürgermeisterin: „Die grüne Wende ist für Oslo sehr wichtig“

Doch wie kommt man dahin? Dieser Frage sind die Mitglieder des Verkehrsausschusses , begleitet von Verkehrsstaatssekretärin Elke Zimmer (Grüne), bei einer Delegationsreise nachgegangen. „Die grüne Wende ist für Oslo sehr wichtig“, erläutert Bürgermeisterin Anne Lindboe den Abgeordneten. Die Elektrifizierung der Fahrzeugflotte und die Reduzierung des privaten Pkw-Verkehrs in der Stadt seien zentrale Hebel, um den CO 2 -Ausstoß zu senken.

Dazu braucht es vor allem zwei Dinge: Geld für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, den Aufbau der Ladeinfrastruktur und die Förderung der E-Autos sowie günstigen erneuerbaren Strom in großer Menge.

Geld ist in Oslo kein Problem. Denn Norwegen verfügt über einen Staatsfonds von rund einer Billion Euro, der mit den Erlösen aus den Öl- und Gas-Verkäufen eingerichtet wurde. Davon können pro Jahr rund 40 Milliarden Euro entnommen werden, Geld, was auch für die Mobilitätswende zur Verfügung steht.

Finanzielle Mittel, die in Baden-Württemberg nicht zur Verfügung stehen

Finanzielle Mittel, auf die die Abgeordneten aller Fraktionen aus Baden-Württemberg durchaus mit einem gewissen Neid schauen. Für den SPD-Verkehrsexperten Jan-Peter Röderer zeigt die Reise, dass in Sachen Mobilitätswende „vieles möglich ist, wenn man die Projekte priorisiert und ausreichend mit Finanzmitteln ausstattet.“ Wobei ihm ebenso wie seinem CDU-Kollegen Thomas Dörflinger klar ist: über Finanzmittel wie Norwegen wird Baden-Württemberg wohl nie verfügen. Auch der Ausschussvorsitzende Rüdiger Klos (AfD) kommt in seinem Resumee zu dem Schluss, dass man für die Mobilitätswende sehr viel Geld braucht. Silke Gericke (Grüne) nimmt mit, dass in den skandinavischen Ländern „viel menschzentrierter an die Themen herangegangen wird“.

In Oslo gilt das Bild des Esels, dem vorne die Möhre vorgehalten wird und der von hinten mit der Peitsche getrieben wird, wie Portvik den Abgeordneten erklärt. So wurde der Kauf von E-Autos stark bezuschusst. Da der Strompreis in Norwegen vergleichsweise niedrig ist, ist das Laden zudem günstiger als die Tankfüllung für Dieselfahrzeuge und Benziner.

Viele Privilegien für E-Autos

Auch sonst gibt es eine Reihe von Privilegien für E-Autos etwa bei der Maut oder dem Nutzen der Busspur. Doch die Privilegien werden inzwischen wieder zurückgeschraubt. So darf die Busspur nur noch genutzt werden, wenn mindestens zwei Menschen im Wagen sitzen. Und der eine oder andere wird dann kreativ: etwa mit einer großen aufblasbaren Puppe auf dem Beifahrersitz. Denn die Zeitersparnis zu Stoßzeiten bei der Einfahrt in die Stadt ist groß.

So brauchte ein konservativer Abgeordneter des norwegischen Verkehrsausschusses an diesem Morgen eineinhalb Stunden mit dem Auto in die Stadt. „Wäre meine Frau mitgefahren, hätte ich die Busspur nutzen können und hätte nur 40 Minuten benötigt“, erzählt er seinen Kollegen aus Baden-Württemberg bei einem Treffen im norwegischen Parlament.

Zusammenspiel aus Förderung, Anreizen und Ordnungspolitik

Neben der Förderung macht die Stadt klare Vorgaben bei der E-Mobilität. So müssen ab dem kommenden Jahr alle Waren, die an die Stadt geliefert werden, mit CO 2 -freien Fahrzeugen erfolgen. Und auch die Taxis werden auf E-Mobilität umgestellt. „Die Erfahrungen in Oslo zeigen, wie der Ausbau der Elektromobilität mit einem klugen Zusammenspiel verschiedener materieller und immaterieller Anreize funktionieren kann“, sagt Baden-Württembergs Verkehrsstaatssekretärin Elke Zimmer im Interview mit dem Staatsanzeiger .

Christian Jung (FDP) hingegen kann sich nach den Beobachtungen in Norwegen und auch in Schweden die E-Mobilität in der Logistik nach zwar durchaus für Verteilerverkehre in der Stadt vorstellen, nicht jedoch für die Langstrecke. Hier gelte es die synthetischen Kraftstoffe voranzutreiben, so seine Schlussfolgerung.

Sorge, dass der regenerative Strom knapp werden könnte

Parallel wird in Oslo viel Geld in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs gesteckt. „Wir arbeiten kontinuierlich an Verbesserungen“, sagt Debasish Shabanik , der CFO von Sporveien Trikken , dem städtischen Straßenbahnunternehmen. Das Ziel: Die Qualität zu verbessern und gleichzeitig die Kosten zu senken, um die Fahrpreise stabil zu halten.

Doch obgleich Norwegen durch die Wasserkraft über sehr viel grüne Energie verfügt, zeigt sich, dass auch diese knapp werden kann, wenn alles elektrifiziert wird. In Norwegen machen sich die Menschen deshalb bereits Sorgen – und sind wenig begeistert, dass ihr Strom nach Deutschland geliefert werden soll.

Wie man in Stockholm eine Großbaustelle vergleichbar Stuttgart 21 im Zeit- und Kostenrahmen umsetzt lesen Sie hier: Wie eine Großbaustelle in Stockholm im Zeit- und Kostenlimit umgesetzt wird | Staatsanzeiger BW

Interview mit Baden-Württembergs Verkehrsstaatssekretärin Elke Zimmer (Grüne): Ausbau E-Mobilität: Elke Zimmer hält Förderung für notwendig | Staatsanzeiger BW

Mautgebühren

In Oslo und in Stockholm kostet die Einfahrt in die Stadt Maut. In Oslo wird zwischen E-Fahrzeugen und Verbrennern unterschieden. In Stockholm will man über die Maut vorallem die Verkehrsströme lenken und lange Staus zu Stoßzeiten vermeiden. Deshalb ist sie dort nach Tageszeit gestaffelt. Nachts, wenn kaum Verkehr ist, fallen keine Mautgebühren an.

Schnelle Reparaturen und zügige Reinigung sind ein wichtiges Thema, um die Straßenbahn in Oslo attraktiv zu halten, wie der Verkehrsausschuss erfuhr. Foto: Stefanie Schlüter
Der Verkehrsausschuss des Landtags hat sich zum Thema Mobilität in Oslo und Stockholm informiert.
Stefanie Schlüter

stellvertretende Redaktionsleitung und Redakteurin Politik und Verwaltung

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