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Enge Freunde in schwierigen Zeiten

Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Franck Leroy, Präsident der Region Grand Est, in einem Labor für Quanten-Computer in Straßburg.
Marijan Murat)Straßburg. Es ist zumindest bis zur Landtagswahl die letzte große Auslandsreise von Winfried Kretschmann (Grüne), der irgendwann im Frühjahr 2026 sein Amt als Ministerpräsident endgültig abgeben wird. Es ist kein Zufall, dass diese ins Elsass und in die Schweiz führt. Denn die Partnerschaft zu diesen beiden Ländern liegt dem 77-Jährigen am Herzen. Als er in Straßburg den Präsidenten der Region Grand Est, Franck Leroy trifft, begrüßt er ihn herzlich mit „Lieber Franck“.
Man kennt sich und man schätzt sich. „In der derzeitigen globalen Lage sind unsere Grenznachbarn vertrauensvolle Partner“, sagt Kretschmann, „wir wissen um den Wert dieser langjährigen stabilen Beziehungen.“ Daran ändern auch die jüngsten Irritationen um die von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSUI) angestoßenen Grenzkontrollen zwischen beiden Ländern nichts. Das ist allerdings Thema eines Gesprächs von Kretschmann mit Jacques Witkowski, dem Präfekten der Region und damit dem Vertreter der in Frankreich so wichtigen Zentralverwaltung in Paris.
Kretschmann wirbt für Verständnis für Grenzkontrollen
Die Grenzkontrollen sorgen bei Pendlern für erhebliche Verzögerungen. Besonders für Aufregung hat in der Grenzregion gesorgt, dass am Nationalfeiertag, dem 14. Juli, und am 8. Mai, an dem an den Sieg über Hitler-Deutschland gedacht wird, auch streng kontrolliert wurde. Kretschmann wirbt um Verständnis – man trage die Grenzkontrollen mit, um die Migration generell einzudämmen, habe aber bei Dobrindt um Verständnis für die besondere Situation am Oberrhein geworben. Schließlich pflegten hier zwei sehr wirtschaftsstarke Regionen einen Austausch und arbeiten grenzübergreifend zusammen.
Von französischer Seite wird viel nach der Wirtschaftslage im Nachbarland, der Krise der Automobilindustrie und der Zulieferer gefragt. Sie wirke sich auch jenseits des Rheins aus – es drohe auch hier Arbeitslosigkeit. Hier verweist Kretschmann auf Anstrengungen, andere Industriezweige anzusiedeln, etwa Gesundheitsunternehmen und Photonik, aber dazu später noch mehr.
Umgekehrt kann die Delegation aus Baden-Württemberg ein wichtiges Thema platzieren: indirekte Markthürden für Handwerker. Offiziell kann sich im Schengenraum und im Binnenmarkt jeder ansiedeln, wo er will. In der Praxis gibt es aber komplizierte Genehmigungen und Nachweispflichten – etwa einen französisch sprechenden Ansprechpartner der Firma vor Ort. Nun soll nicht jeder Auftrag einzeln genehmigt werden, sondern man erhält eine Lizenz für fünf Jahre. „Ein großer Fortschritt“, heißt es aus der Delegation.
Die Verbindungen zur Nachbarregion sind noch enger als die zwischen Deutschland und Frankreich allgemein. Der Regionalpräsident Franck Leroy drückt es so aus: „Die Beziehung zwischen dem Grand Est und Baden-Württemberg ist ein Modell europäischer Zusammenarbeit.“
Die Unis von Ulm und Straßburg arbeiten zusammen
Ein konkretes sichtbares Ergebnis ist auch eine Kooperation der Universität Ulm mit dem Quantenforschungszentrum CESQ der Universität Straßburg. Tatsächlich wird an beiden Standorten Spitzenforschung betrieben. Vertreter des Instituts führen die Baden-Württemberger durch ihre Labore. Dort sieht man hochkomplexes – und extrem kostenintensives – Gerät, mit Lasern werden die winzigen Teilchen vermessen. Oder in einer „Ionenfalle“ festgehalten, in der man einzige oder einen Schwarm bewundern kann. Damit können dann Sensoren der nächsten Generation hergestellt werden. Es gibt Computer, die auf Quantenebene operieren – dementsprechend unfassbar schnell sind. Oder man erforscht schlicht die geheimnisvolle dunkle Materie, die laut Wissenschaftlern überall im Universum existiert.
Joachim Ankerhold von der Universität Ulm unterzeichnet mit seinem Gegenpart in Straßburg ein „Memorandum of Understanding“ für eine noch vertieftere Zusammenarbeit. „Das Problem in Europa ist, dass die einzelnen Cluster zu fraktioniert sind“, sagt er, „wir wollen die Regionen, die nahe beisammen liegen, bündeln.“ Und natürlich junge Menschen für diese Technologie begeistern.
Die Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne) freut sich, lobt die binationalen Masterstudiengänge und gemeinsame Doktorandenseminare. Die verstärkte Kooperation bei der Photonik sei wichtig und werde verstärkt: „Als Basis für diese Zusammenarbeit übernehmen unsere grenzübergreifenden Hochschulverbünde eine wichtige Hebelfunktion.“
Am Abend stehen noch weitere politische Gespräche auf der Tagesordnung, am Dienstag geht es dann schon weiter in die Schweiz, wo es auch um Verteidigungspolitik und Raumfahrtforschung geht.