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Essay

Es geht um eine angemessene, leistungsgerechte Besoldung

Das Land darf nicht immer erst dann reagieren, wenn es von Karlsruhe dazu gezwungen wird. Diese Ansicht vertritt Michael Schwarz in seinem Essay.

Beamtenbund und Richterbund fordern von Finanzminister Danyal Bayaz, bei der Besoldung Fairness walten zu lasten.

dpa/Bernd Weißbrod)

Wer zwei und zwei zusammenzählt – und diese Fähigkeit darf beim grünen Finanzminister Danyal Bayaz wohl vorausgesetzt werden –, weiß, wie dieser Streit enden könnte. In ein paar Jahren wird das Bundesverfassungsgericht Baden-Württemberg möglicherweise bescheinigen, einige seiner Beamten nicht verfassungsgemäß besoldet zu haben. Und dann werden diejenigen, die Jahr für Jahr gegen ihre Besoldung geklagt haben, die Differenz zwischen dem gezahlten Lohn und dem, den ihnen ihr Dienstherr von Rechts wegen schuldet, ausgeglichen bekommen.

Aber nur die! Und das ist der Skandal. Mit einem Trick versucht Bayaz, die Kosten einer möglichen Niederlage vor dem höchsten deutschen Gericht kleinzuhalten. Sein Ministerium hat ohne Vorankündigung mit der jahrelang geübten Praxis gebrochen, Widersprüche ruhend zu stellen . Das bedeutet, dass jeder Beamte, der der Meinung ist, dass er zu Unrecht kurzgehalten wird, klagen muss. Das werden sich viele Kolleginnen und Kollegen zwei Mal überlegen. Denn mit seinem Dienstherrn sollte man es sich vielleicht nicht verscherzen, wenn man noch vorankommen will in seinem Job. Mag es dabei theoretisch auch nur auf Eignung, Leistung und Befähigung ankommen, zeigt alle Lebenserfahrung, dass gute Beziehungen zu den Vorgesetzten nicht schaden können.

Für Beamte gilt nicht nur das Alimentations-, sondern auch das Leistungsprinzip

Das Problem hat sich die Politik selber eingebrockt. Und zwar durch jahrzehntelanges Dilettieren und Weggucken. Anstatt ein modernes Besoldungsrecht zu schaffen, ließ man sich vom Bundesverfassungsgericht treiben. Dieses entschied bereits im Jahr 2015, dass Beamte 15 Prozent mehr als Sozialhilfeempfänger verdienen müssen, und wurde im Jahr 2020 nochmals deutlicher. Seither ist klar, dass das aktuelle Besoldungsgefüge nicht zukunftsfähig ist, denn nicht nur der Abstand nach unten, sondern auch jener zwischen den Besoldungsstufen muss stimmen. Schließlich gilt für Beamte nicht nur das Alimentations-, sondern auch das Leistungsprinzip.

Zur Wahrheit gehört auch, dass andere ebenfalls Schwierigkeiten mit dem Leistungsprinzip haben. Da ist dann schnell von Nasenprämien die Rede. Die Idee, dass ein Beamter mehr verdienen könnte als ein anderer, der sich auf der Karriereleiter auf derselben Stufe befindet, klingt für viele Gewerkschafter verdächtig. Dabei zeigt die bereits zitierte Lebenserfahrung, dass es so etwas sehr wohl gibt: dass sich der eine Lehrer, Polizist oder Kommunalbeamte voll reinhängt, während der andere nur Dienst nach Vorschrift macht.

Leistungsprämien könnten ein Baustein eines modernen Besoldungsrechts sein, ein anderer könnte darin bestehen, Sockelbeträge, wie sie Verdi gern fordert, um ihre Klientel zufriedenzustellen, nicht auf die Beamten zu übertragen. Denn diese Sockelbeträge führen dazu, dass sich die Abstände zwischen den Besoldungsstufen abflachen, was ebenfalls dem Leistungsprinzip widerspricht.

Doch selbst dazu konnte sich das Land beim letzten Tarifabschluss nicht durchringen, obwohl sich Bayaz Haushälter und der Beamtenbund eigentlich schon darauf geeinigt hatten. Doch dann machten die Polizeigewerkschaften so lange Druck, bis erst die Regierungsfraktionen und anschließend der Finanzminister einknickten. Mit der Folge, dass man jetzt schon weiß, dass eine erneute Übertragung eines Tarifabschlusses mit Sockelbetrag gegen die Verfassung verstoßen dürfte.

In den unteren Besoldungsgruppen arbeiten fast immer beide Ehepartner

So schafft man sich Probleme, die man nicht hätte, hätte man einen Plan und würde auch daran festhalten. Ein modernes Besoldungsrecht etwa darf durchaus der Tatsache Rechnung tragen, dass in den unteren Besoldungsgruppen fast immer beide Partner arbeiten und dass es deshalb kaum eine Beamtenfamilie gibt, die am Existenzminimum kratzt, auch wenn das Beamtensalär dort weniger als die 15 Prozent über dem Bürgergeld liegt. Die Alleinverdienerfamilie, auf die die Gewerkschaften in diesem Streit pochen, ist von gestern.

Darauf darf man durchaus verweisen. Und muss nicht einmal, wie es das Land tut, mit einem fiktiven Partnereinkommen von 600 Euro argumentieren. Sondern mit dem realen, das vermutlich im Schnitt viel höher ist. Auch wenn man Ärger bekommt, möglicherweise sogar mit dem Bundesverfassungsgericht.

Was man nicht tun darf, ist tricksen. Nach Angaben des Beamtenbunds ist auch die CDU-Fraktion über das Vorgehen des Finanzministeriums not amused. Das letzte Wort in dieser Angelegenheit ist vielleicht noch nicht gesprochen.

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