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Verbände: Land spart auf Kosten seiner Richter und Beamten

In Baden-Württemberg gibt es rund 200.000 Landesbeamte.
dpa/Lilly)Stuttgart. Der Beamtenbund und der Richterbund werfen Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) vor, auf Kosten ihrer Mitglieder sparen zu wollen. Anders als in der Vergangenheit sei das Ministerium nicht bereit, alle Beamten und Richter, deren Besoldung möglicherweise verfassungswidrig ist, im Nachhinein zu entschädigen, falls das Bundesverfassungsgericht eines Tages die Verfassungswidrigkeit ihrer Besoldung feststellen sollte. Stattdessen sollen nur solche Staatsdiener einen Ausgleich erhalten, die das Land beizeiten verklagen. Dies widerspreche einer jahrelang geübten Praxis, so Kai Rosenberger, Vorsitzender des Beamtenbunds Baden-Württemberg (BBW), am Freitag in Stuttgart. Das Land komme seiner Fürsorgepflicht nicht nach.
Finanzministerium: Selbst kleine Änderungen hätten große Auswirkungen
Nach Darstellung von Ministeriumssprecher Sebastian Engelmann kehrt das Land jedoch lediglich zum üblichen Verfahren zurück. Dass die Verfahren von 2018 bis 2023 ruhend gestellt worden seien, habe mit einem Verfassungsgerichtsurteil von 2015 zu tun, das erstmals einen Mindestabstand der Beamtenbesoldung zur Grundsicherung in Höhe von 15 Prozent postulierte. Zuvor sei es jedoch üblich gewesen, dass nur derjenige im Nachhinein Geld bekam, der gegen die Besoldung klagte.
Ruhende Rechtsbehelfe, so Engelmann weiter, wären mit großen Haushaltsrisiken verbunden. Die jüngste Steuerschätzung habe abermals gezeigt, dass der Landeshaushalt unter hohem finanziellen Druck stehe. In der mittelfristigen Finanzplanung fehlten fünf Milliarden Euro. Gleichzeitig drängten die Kommunen auf weitere Hilfen. „Vor diesem Hintergrund“, so der Bayaz-Sprecher weiter „sind die möglichen hohen Kosten bei der Entscheidungsfindung zwingend zu berücksichtigen.“
In welcher Höhe sich diese Kosten bewegen, lasse sich derzeit nicht seriös beziffern. Klar sei aber, dass aufgrund der erfahrungsgemäß langen Verfahrensdauer und der insgesamt hohen Besoldungsausgaben von derzeit jährlich rund elf Milliarden Euro selbst kleine Änderungen in der Summe große Auswirkungen hätten.
Andreas Brilla, Landesvorsitzender des Richterbunds, verwies in der Pressekonferenz mit dem BBW darauf, dass Beamte und Richter gar nichts anderes übrig bleibe, als in einer solchen Situation zu klagen, da sie keine Tarifverhandlungen führten und nicht streiken dürften. Er verglich den Streit der Staatsdiener mit ihrem Dienstherrn mit einem Pokerspiel, wo derjenige, der die meisten Jetons hat, also der Staat, seinen Gegenüber auffordere mitzugehen, obwohl dieser sich das vielleicht gar nicht leisten kann.
BBW-Chef Rosenberger wies darauf hin, dass jeder Beamte bei jeder Klage einen Vorschuss von 400 bis 500 Euro zu leisten habe – und dass man jedes Jahr widersprechen und nach Ablehnung des Widerspruchs durch das Landesamt für Besoldung und Versorgung klagen müsse, wenn man seine Ansprüche aufrechterhalten wolle. Viele Beamten würden diesen Weg schon allein deshalb nicht gehen, weil sie fürchteten, bei Stellenbesetzungen und Beurteilungen Nachteile zu erleiden.
Beamtenbund: Besoldung ist seit 2024 teilweise verfasssungswidrig
Nach Ansicht von Rosenberger ist die Besoldung in Baden-Württemberg spätestens seit der Erhöhung des Bürgergelds zum 1. Januar 2024 teilweise verfassungswidrig. Dabei handelte sich um die zweite Erhöhung in kurzer Zeit, was dazu führte, dass die Grundsicherung nunmehr 24 Prozent über „Hartz IV“ lag. Mithin hätte auch die unterste Besoldungsstufe angehoben werden müssen – mit Folgen für alle anderen Besoldungsstufen, da das Bundesverfassungsgericht nicht nur einen Mindestabstand zur Grundsicherung definiert hatte, sondern auch Abstände innerhalb des Besoldungsgefüges.
Stattdessen habe das Land ein fiktives Partnereinkommen eingeführt, um auf dem Papier den Mindestabstand zur Grundsicherung zu wahren – eine Lösung, die der ehemalige Verfassungsrichter Udo di Fabio in einem Gutachten für das Land Nordrhein-Westfalen, wo ebenfalls ein solches fiktives Partnereinkommen eingeführt wurde, für verfassungswidrig erklärt hatte. „Man darf nicht einfach, wenn die Decke zu kurz wird, einfach an der bequemsten Stelle ziehen“, zitierte Rosenberger den ehemaligen Verfassungsrichter.