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CDU-Parteitag

Hagel bezeichnet die AfD als Vaterlandsverräter

In der CDU herrscht Aufbruchsstimmung, der Hoffnungsträger Manuel Hagel trifft auf dem Parteitag in Ludwigsburg den Nerv der Delegierten. So scharf wie nie grenzt er sich von der AfD ab - Kritik an den Grünen gibt es nur in homöopathischen Dosen.

Der Landes- und Fraktionschef Manuel Hagel leitet für die CDU auf dem Parteitag die heiße Phase der Kommunal- und Europawahl ein.Er grenzt sich von der AfD ab, die Grünen im Land werden weitgehend verschont.

dpa/Jan-Philipp Strobel)

Ludwigsburg. Endspurt zur Kommunal- und Europawahl. Die CDU-Familie kommt in Ludwigsburg zusammen. Das ist kein Zufall – dort entstand schon 1948 das Deutsch-Französische Institut, 1962 hielt der französische Präsident Charles de Gaulle hier seine legendäre Rede an die deutsche Jugend, die der Beginn der Aussöhnung beider Länder war.

An dieses historische Ereignis erinnert auf den Delegiertenplätzen eine Tasse mit der Aufschrift „Willkommen in der Stadt der Rede an die Jugend“. Und daran knüpft auch der CDU-Hoffnungsträger Manuel Hagel an, der seit November vergangenen Jahres auch die Landespartei führt. Er erinnert sich an das Bild von Helmut Kohl und François Mitterrand, die 1984 über den Gräbern von Verdun sich die Hände gegeben haben. Das Bild hat er als Schüler gesehen: „Dort, wo sich Deutsche und Franzosen erbarmungslos ermordet haben.“

Der 35-Jährige schlägt den großen Bogen im Forum am Schlosspark – und verwendet in Sichtweite des Ludwigsburger Residenzschlosses die Worte des französischen Präsidenten Emanuel Macron aus der neusten Sorbonne-Rede auf: „Europa ist sterblich.“ Grundsätzlich stimmt der 35-Jährige dieser These zu, vor allem mit Blick auf die „Feinde Europas“, die er mehrfach erwähnt. Doch davon später mehr. Hagels Credo ist hingegen: „Christdemokraten dürfen niemals zulassen, dass Europa sterblich ist.“

Der zweite Ankerpunkt ist Wolfgang Schäuble. Ihm wird auf dem Parteitag gedacht, der große Europäer und Architekt der Einheit. Auch hier kommt Macron ins Spiel, der im Bundestag eine Rede auf Deutsch zu dessen Gedenken gehalten hat. Hagel: „Wenn ich daran denke, bekomme ich heute noch Gänsehaut.“

Manuel Hagel hat an Profil gewonnen seit Amtsantritt

Dieses Engagement für Europa will Hagel in die nächste Generation tragen. Und kritisiert die Ampelregierung in Berlin, der er vorwirft, die Errungenschaften der deutsch-französischen Freundschaft „mit System“ zu gefährden. Etwa dass man Goethe-Institute in Frankreich schließen wolle. Der CDU-Chef schimpft, man demütige und düpiere Frankreich. Nach sechs Monaten im Amt hat Manuel Hagel deutlich an Profil gewonnen, wirkt souveräner im Auftreten, auch offener gegenüber Journalisten, die nach Hintergrundinformationen fragen.

Bei ihm laufen die Fäden in Partei und Fraktion zusammen, er ist das neue Macht- und Kraftzentrum. „Es herrscht richtig Aufbruchsstimmung“, sagt ein Mitarbeiter. Und die Bauministerin Nicole Razavi berichtet von einer Veranstaltung mit Hagel im Wahlkreis: „Er hört zu und kommt gut an.“ Zum ersten Mal seit dem Machtverlust 2011 spürt die Partei wieder alte Stärke, die Umfragen rangieren zuverlässig über 30 Prozent, mit gut zehn Prozent Vorsprung vor den Grünen. Die Verhandlungen über die „Bildungsallianz“ weisen Hagel eine Schlüsselrolle zu. Der Vize-Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl bleibt im Hintergrund, seit er im November den Parteivorsitz abgegeben hat. Wenn sich Grün-Schwarz in Bildungsfragen einigt, ist er dabei, aber nicht mehr zentraler Akteur. Strobl füllt diese Rolle mit Würde aus, wird zum Grandseigneur der Partei.

Hagel steht im Feuer, muss auf allen Hochzeiten tanzen. Mit den Grünen regieren, aber schon mögliche Machtoptionen für 2026 auch jenseits des grün-schwarzen Bündnisses ausloten. Den Bildungskonsens verhandeln, und aber die Partei für die Wahlkämpfe zur Europawahl im Juni und für die Bundestagswahlen 2025 und die Landtagswahlen 2026 rüsten. Er bleibt seiner Linie treu, kritisiert vor allem die Grünen im Bund und in Europa, als Hauptgegner hat er die AfD ausgemacht.

Deutliche Worte und scharfe Angriffe richtete er daher an die Populisten, die parallel zum CDU-Parteitag in Donaueschingen ihren Wahlkampfauftakt zur Europawahl abhält. Die Spionageaffäre um den Spitzenkandidaten Maximilian Krah und Vorwürfe an den Kandidaten auf Platz zwei, Petr Bystron, Geld aus Moskau angenommen zu haben, sind eine Steilvorlage: „Das sind keine Patrioten, das sich Heuchler und Pharisäer, sie verraten deutsche Interessen. Das sind Vaterlandsverräter.“

Das ist eine deutlich schärfere Tonlage als noch auf dem Parteitag in Reutlingen, wo er im Gegenzug eine härtere Flüchtlingspolitik propagierte – solche Töne hört man nun in seiner Rede nicht mehr. Mit rhythmischem Klatschen und minutenlangem Beifall feiern die 300 Delegierten im Saal diese Abgrenzung. „Die Maske verrutscht ist – jeder erkennt diese Fassade, dahinter steckt russisches Geld und chinesische Spione“, ruft Hagel in den Saal, der Rest geht im Applaus unter.

Die Botschaft ist klar: Der Ehinger kämpft um die Lufthoheit im konservativen Lager, bezeichnet die AfD als Ansammlung von „Rechtsextremisten“. Noch weiter geht Manfred Weber (CSU), Fraktionschef der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament, und spricht von eier „Neonazi-Partei“. Hagel schaut er auf den eigenen Standort: „Echte Patrioten wählen CDU!“

Manfred Weber, Partei- und Fraktionsvorsitzender der EVP. Foto: IMAGO/SVEN SIMON

Das Grünen-Bashing überlässt Hagel anderen. Übt da jemand schon für die Rolle des Landesvaters – was er bei der Landtagswahl 2026 wohl anstreben wird? Die im November neu gewählte Generalsekretärin und Bundestagsabgeordnete Nina Warken übernimmt an der Stelle die Rolle der Wadenbeißerin.

Sie geht den voraussichtlichen Spitzenkandidaten der Grünen im Land an, Cem Özdemir. Warken wirft dem Bundesagrarminister aus Bad Urach vor, sich „nach Stuttgart absetzen zu wollen, weil er in Berlin „nichts auf die Kette“ bekomme.

Özdemir habe in der Bundesregierung nichts zu sagen, etwa bei der Debatte um den Agrardiesel – und er wolle Menschen nur bevormunden: „Unser Land ist als Trostpreis für Cem Özdemir zu schade.“ Ansonsten setzt man ganz auf die Strategie von Hagel, eine positive Vision von Baden-Württemberg zu propagieren, anstatt sich vorwiegend wie die Bundespartei vom politischen Gegner, ergo den Grünen, abzugrenzen.

Vielleicht steht dafür ja der neue petrolfarbene Auftritt der CDU, der irgendwie an ein mildes Grün erinnert. Hagel verweist auf Artur Fischer, den Erfinder der Dübel: „Er hatte niemand, der ihn gebremst hat.“ Dass der Sägenhersteller Stihl nicht im Kreis Ludwigsburg investiert, sondern in der Schweiz, sieht er als Beleg für ein falsches Umfeld.

Andrea Wechsler bringt frischen Wind in die Union

Und Europa? Die Südwest-CDU war immer stark in Brüssel vertreten, Daniel Caspary wird von EVP-Fraktionschef Manfred Weber als „absolute Stütze“ gelobt, er ist Sprecher der deutschen Unionsabgeordneten. Rainer Wieland ist EU-Vizeparlamentspräsident An der Spitze der Südwestliste steht Andrea Wechsler (46), Leiterin des Unternehmensgründungs-Zentrum der Hochschule Pforzheim. Sie ist das Gegenbild zur Altherren-CDU, noch immer ist die Union in ihrer Mitgliederstruktur stark männlich geprägt. Ihre erfrischende Rede läutet den Europawahlkampf ein: „Wir wollen neben dem Green Deal einen European Deal, der die Wettbewerbsfähigkeit stärkt.“

Das passt: Vorsichtige Distanzierung, ohne Gesprächsfäden ganz abreißen zu lassen. Debattiert wird nur ganz kurz über ein verpflichtendes, kostenfreies letztes Kindergartenjahr. Die Delegierten folgen der Antragskommission, wie immer. Eine halbe Stunde früher als geplant ist Schluss: Die Partei ist mit sich im Reinen.

Der ehemalige Parteichef Thomas Strobl ist in die zweite Reihe der Partei zurückgekehrt. Er applaudiert der Rede seines Nachfolgers Manuel Hagel.
Andrea Wechsler führt die Europaliste der Union im Südwesten an, die 46-Jährige leitet an der Hochschule Pforzheim ein Gründerzentrum. Foto: dpa/Jan-Philipp Strobel
Nina Warken, Generalsekretärin der CDU Baden-Württemberg Foto: IMAGO/Arnulf Hettrich

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