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Heim für Auszubildende laut FDP in desolatem Zustand

Julia Goll, Strafvollzugsbeauftragte der Liberalen im Landtag, besucht das Bildungszentrum Strafvollzug in Stuttgart Stammheim. Der Leiter des Bildungszentrums, Joachim Obergfell-Fuchs, führt sie über das Gelände.
Büro Goll)Stuttgart. Julia Goll (FDP) hat schon so manches erlebt. Zum Beispiel bei einem Besuch am Bildungszentrum in Stuttgart-Stammheim. Da habe sich der Hausmeister am Kopf verletzt, weil ein Fensterrahmen herausgebrochen sei. Für die 60-jährige Juristin nur ein Beispiel dafür, in welch desolatem Zustand die Unterbringung der Anwärter im Mittleren Dienst sind. Goll ist in ihrer Fraktion Beauftragte für den Strafvollzug. Sie berichtet, dass es allein 2024 in Stammheim mehrere Wasserrohrbrüche gegeben hat. Und das seien längst nicht alle baulichen Mängel.
Goll empfindet dies als mangelnde Wertschätzung gegenüber den jungen Menschen, die sich für eine duale Ausbildung im Justizvollzug entscheiden. Denn dies täten sie, „obwohl sie wissen, welche Anforderungen und Risiken mit einer Tätigkeit im Gefängnis verbunden sind“.
Die Landesregierung stellt mehr Geld für das Bildungszentrum bereit
Neben den „inakzeptablen Unterbringungsstandards“ kritisiert Goll, dass die Technik veraltet sei, es viel zu wenig Bewerber und kaum Geld für dezentrale, freiwillige Fortbildungen gebe. Für sie ist klar: „Bei der Aus- und Weiterbildung im mittleren Justizvollzugsdienst Baden-Württembergs gibt es ein enormes Verbesserungspotenzial.“
Doch im Justizministerium – wo Goll einmal Referentin war und dem ihr Mann Ulrich Goll (FDP) 13 Jahre lang vorstand – zeige man „wenig Bemühungen, die Ausbildungssituation junger Menschen und deren Berufseinstieg attraktiver zu gestalten“. Im Ministerium sieht man dies freilich anders. Ziel der Landesregierung sei, die Arbeitsbedingungen stetig zu verbessern. Ein Sprecher verweist auch auf bereits erreichte Erfolge, etwa die Anhebung der Einstiegs- und Spitzenämter. Außerdem wurde das Budget für das Bildungszentrum Justizvollzug seit 2019 von 735.000 Euro auf gut 1,3 Millionen Euro erhöht. Für 2026 sei eine Erhöhung auf 1,4 Millionen Euro vorgesehen. Damit mache man attraktive Fortbildungsangebote.
Teil der Personalmarketingstrategie des Justizvollzugs seien – neben einer qualitativ hochwertigen Ausbildung – angemessene Unterbringungsstandards. So gab es jüngst am Ausbildungsstandort Hohenhaslach Renovierungsarbeiten. Der Ausbildungsstandort Crailsheim sei ohnehin erst 2022 in Betrieb gegangen und biete „ein modernes, innerstädtisch gelegenes Ausbildungs- und Wohnambiente“.

Julia Goll: Unterkunft in Stammheim verdient „Schäbigkeits-Award“
Auch in Stuttgart fänden „regelmäßig anlassbezogene Modernisierungs- und Renovierungsarbeiten statt“. Eben jene Unterkunft verdient allerdings Goll zufolge einen „Schäbigkeits-Award“. Vor allem der Zustand und die „extrem spartanische Ausstattung“ der 17 Zimmer im Internatsgebäude in Stammheim – mit Etagenduschen und einer einzigen kleinen Kochgelegenheit im Nebengebäude – seien alles andere als zeitgemäß. „Hier müssen endlich die dringend notwendigen Sanierungs- und Renovierungsmaßnahmen durchgeführt werden“, so Goll.
Michael Schwarz kennt die Unterkünfte in Stammheim gut. Vor 33 Jahren hat er dort selbst seine Ausbildung gemacht. Verbinde man ihm heute die Augen, würde er sich noch immer im Gebäude zurechtfinden. Es habe sich kaum etwas verändert. Als Landesvorsitzender des Bundes der Strafvollzugsbediensteten fordert er schon lange, dass nicht nur Flickschusterei betrieben werde, sondern eine Lösung gefunden wird, die die Zustände tatsächlich verbessert. Man schätze die guten Absichten des Ministeriums, aus dem Vorhandenen das Beste zu machen, aber aus seiner Sicht wäre dafür ein Neubau notwendig. Der sollte auf dem Standard sein, wie man ihn in Crailsheim habe. Dort gibt es Einzelzimmer und überall W-Lan. Das gibt es in Stammheim nur im EDV-Schulungsraum.
Der Bund der Strafvollzugsbeamten fordert einen zentralen Standort
Schwarz setzt sich seit Jahrzehnten dafür ein, dass die Ausbildung im Strafvollzug an einem Standort gebündelt wird. Er findet es nicht effizient, wenn sich die Kräfte auf drei Standorte verteilen müssten, das sei auch logistisch eine Herausforderung. Der Bund der Strafvollzugsbediensteten wünscht sich diesen zentralen Standort in Stuttgart-Stammheim. Allerdings in einem Gebäude mit Standards wie in Crailsheim.
Es brauche mehr Wertschätzung für die Auszubildenden im Strafvollzug. Denn es geht Schwarz zufolge nicht nur um die Mitarbeitergewinnung, sondern auch darum, Mitarbeiter zu halten. Denn neue fände man nicht ohne Weiteres, die müsse man dann erst ausbilden.
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Bildungszentrum Justizvollzug
Das Bildungszentrum Justizvollzug Baden-Württemberg hat seinen Hauptsitz in Stuttgart-Stammheim. Mit zwei Außenstellen in Hohenhaslach und Crailsheim ist es die zentrale Ausbildungsstätte für die fachtheoretische Berufsausbildung der mittleren Dienste. Auch ist das Bildungszentrum für die Fortbildung aller Dienste zuständig. Jährlich absolvieren rund 250 Anwärter in je vier bis fünf Einführungs- und vier Abschlusslehrgängen dort ihre Ausbildung.