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Ausbildungszentrum Spezielle Operationen

In Pfullendorf werden die Elitesoldaten ausgebildet

Die Staufer-Kaserne in Pfullendorf ist kein herkömmlicher Bundeswehr-Stützpunkt. Es ist das einzige Ausbildungszentrum in Deutschland, in dem Fallschirmjäger, Piloten, KSK-Soldaten und NATO-Kräfte spezielle Operationen üben – bis zum Überlebenstraining hinter der Feindeslinie.

Oberst Christian Schoebel ist Kommandeur der Staufer-Kaserne in Pfullendorf, dem einzigen Ausbildungszentrum Spezielle Operationen der Bundeswehr in Deutschland

Katy Cuko)

Pfullendorf. Für Otto Karasch war das „mein härtester Lehrgang bei der Bundeswehr“. Der ehemalige Fallschirmjäger, der in Afghanistan im Einsatz war, meint den Combat-Survival-Lehrgang, den er in Pfullendorf durchlaufen hat. Bei dieser Ausbildung lernen Fallschirmjäger, KSK-Soldaten und Piloten, hinter feindlichen Linien zu überleben.

Eindrücklich schildert der Ex-Soldat und heute prominenter Survival-Experte auf seinem Youtube-Kanal unter dem Synonym Bulletproof, wie er mitten im Winter im Wald gelernt hat, ganz auf sich allein gestellt und „mit so wenig wie Robin Crusoe“ im Gepäck eine Woche zu überleben. Wie er danach tagelang gejagt wurde, um vermeintlich feindlichen Kräften auszuweichen. Mit welchen Taktiken und Methoden ein Soldat konfrontiert ist, wenn er gefangen genommen oder mit „Verhörtechniken übelster Sorte“ traktiert wird.

Und wie es ihm gelingen kann, letztlich doch zur eigenen Truppe zurückzufinden. Dieser internationale SERE-Lehrgang, dessen Anfangsbuchstaben für Survival (Überleben), Evasion (Ausweichen), Resistance (Widerstand) und Escape (Rückführung) stehen, geht klar an die Grenzen. „Aber das muss so sein, um im Ernstfall im Kopf fit zu sein“, sagt Otto Karasch in dem Video.

Die Staufer-Kaserne ist kein herkömmlicher Stützpunkt, der Bundeswehr-Soldaten ausbildet. Rund 2500 Spezialkräfte, Fallschirmjäger und Luftfahrzeugbesatzungen rücken jährlich in Pfullendorf (Landkreis Sigmaringen) an, um sich oft weit weg von ihren Einheiten im einzigen Ausbildungszentrum Spezielle Operationen der Bundeswehr auf härteste und hoch riskante Einsätze vorzubereiten. Darunter sind Fachlehrgänge für Scharfschützen oder für den taktischen Einsatz; künftige Elitesoldaten werden im Nahkampf oder eben auf das Überleben und Verhalten in Gefangenschaft trainiert. Einige gehen Wochen, andere bis zu einem Jahr.

Isolation, Dunkelheit, Kälte und Schlafentzug

„Selbst viele Kreise in der Bundeswehr wissen nicht, was wir hier machen“, sagt Oberst Christian Schoebel, der selbst Fallschirmjäger ist und seit März dieses Jahres Kommandeur des Ausbildungszentrums ist, bei einem Vorort-Termin in der Kaserne. Stimmt das, was Ex-Soldat Karasch in seinem Video vom „härtesten Lehrgang der Bundeswehr“ schildert? Christian Schoebel nimmt kein Blatt vor den Mund. Gerade beim Survival-Training mit dem abschließenden Szenario der Gefangenschaft sei die Belastung hoch. Isolation, Dunkelheit, Frieren, Schlafentzug, drangsaliert zu werden: All das müssten die Soldaten durchleben. Der Druck sei so hoch wie nur möglich, um diesen Schockzustand einmal zu vermitteln. „Wir wollen, dass jeder erfährt, wo seine Schwachstellen sind und mit welchen Strategien er was dagegen tun kann“, erklärt der Kommandeur.

Auch wenn die Ausbilder dabei bis an die erlaubten physischen und psychischen Grenzen der Soldaten gehen, „darüber gehen sie nicht“. So gebe es keine Simulation von körperlichen Schmerzen. Bei den „Verhören“ seien Experten dabei, Psychologen, Ärzte und neutrale Beobachter, die jederzeit eingreifen können. „Aber gerade bei den Kommandosoldaten ist die Schwelle sehr hoch. Die beißen sich durch“, sagt Oberst Schoebel. Für diese Spezialausbildung ist die Staufer-Kaserne auch speziell ausgerüstet. Besonders ist nicht nur, dass auf dem Truppenübungsplatz mit spezieller Munition geschossen wird. Das rund 50 Hektar große Kasernengelände verfügt über Einrichtungen, die es in anderen Kasernen nicht gibt. So stehen ausgemusterte Militärfahrzeuge wie die für Auslandeinsätze entwickelten Dingos im Feld, um beispielsweise Rettungsaktionen nach einem Angriff zu trainieren.

Das „Maze House“ ist eine Art Übungslabyrinth

Auf der anderen Straßenseite steht das „Maze House“, eine Art Übungslabyrinth. Die frühere Werkstatthalle ließ die Bundeswehr vor knapp zehn Jahren für rund zwei Millionen Euro so umbauen, dass die Fallschirmjäger und Spezialkräfte realitätsnah üben können, zum Beispiel wie man in Gebäude eindringt und Türen aufbricht, ohne selbst zur Zielscheibe zu werden. Verstellbare Holztrennwände bilden Gänge und Räume, die vernebelt oder verdunkelt werden können. Sound- und Lichtanlagen simulieren Effekte bis hin zu Kinder- oder Foltergeschrei, wenn eine Geiselbefreiung der Übungsauftrag ist.

Das taktische Vorgehen der Elitesoldaten beim Training wird nicht nur von unzähligen Videokameras und Mikrofonen aufgezeichnet. Der Ausbilder hat das Geschehen von einem Stahlsteg aus begehbarem Glas über den Räumen jederzeit im Blick. Von außen erlaubt nur der 15 Meter hohe Turm am Maze House eine Vorstellung davon, wie sich Spezialkräfte bei solch einer Operation vom Hubschrauber abseilen und ihre Mission starten. Im nächsten Jahr ist der Bau einer weiteren, modernen Schießhalle geplant, in der die Soldaten das Schießen auch bei Nebel oder völliger Dunkelheit trainieren können.

„Jeder, der bei der Bundeswehr fliegen möchte, muss diesen Lehrgang machen“

Über spezielles Equipment verfügt aber auch die IV. Inspektion in Pfullendorf. Die widmet sich dem Überlebenstraining für fliegendes Personal der Bundeswehr, inklusive der Piloten. Dort, wo eine vor zehn Jahren ausgemusterte Transall ohne Tragflächen auf dem weitläufigen Kasernengelände steht, ist das Reich der Rettungs- und Systemtechnik, dem Team R&S.

„Jeder, der bei der Bundeswehr fliegen möchte, muss diesen Lehrgang machen. Das sind zwischen 560 und 580 Teilnehmer pro Jahr“, erklärt ein Ausbilder, der hier arbeitet. Das Team R&S sorgt dafür, dass jeder die für den Lehrgang nötige Überlebensausstattung so nutzen kann, „wie er es hoffentlich niemals braucht“.

In der riesigen Halle lagert nicht nur alles, was es an Überlebens-Ausstattung für die fliegende Truppe gibt. Hier wird das Material nach jedem Lehrgang gereinigt oder aufbereitet – vom Schlafsack über Kleidung, Schutzwesten und Rucksäcken bis hin zu kleinen und großen Survival-Taschen. Früher wurden große 50 Kilo schwere Kisten mit dem Material für jeweils 20 Mann gepackt, die zur Standardausrüstung an Bord von Transportmaschinen gehörten. Die stehen ausgemustert im Gang.

Heute wird die WPH-Notausrüstung – die Abkürzung steht für Wüste, Polar und Hochgebirge – pro Mann in einem Sack verstaut, um in jeder Klimazone überleben zu können. Dabei ist die Kleidung vakuumiert, um Platz zu sparen.

Den Survival-Lehrgang durchläuft auch jeder Kampfpilot

Ob Pilot oder Bordpersonal: Im Einsatz erhält jeder eine Rettungsweste, die bis zu 20 Kilo wiegen kann. Zum Survival-Kit Flug gehören neben einer Pistole mit Reservemagazin unter anderem Knicklichter, Notfallkompass, Rettungsdecke, Taschenmesser, Signalpfeife, Notverband und Erste-Hilfe-Set, Sicherheitsnadeln, eine Sturmhaube aus Seide, Feuerstarter und Überlebensrationen an Wasser und Nahrung – ein Kohlenhydratkomprimat hauptsächlich aus purem Zucker. Wie man das alles richtig verwendet, Trinkwasser aufbereitet oder mit einem winzigen Werkzeug-Tool im Gepäck eine richtige Säge baut, lernen die fliegenden Besatzungen im Lehrgang.

Dazu gehört am Ende der Ausbildung auch eine harte Abschlussübung. „Die Teilnehmer werden ausgesetzt und müssen das Gelernte draußen zeigen“, erklärt der Ausbilder. Den Survival-Lehrgang in Pfullendorf durchläuft auch jeder Jetpilot der Bundeswehr, von denen rund 100 pro Jahr ausgebildet werden. Statt dick gepackter Rettungsweste hängt die Erstausstattung eines Tornadopiloten in einer kleinen gelben Kiste am Fallschirm, wenn er sich im Ernstfall mit dem Schleudersitz aus dem Flugzeug schießt. Dazu gehört auch ein Rettungsboot, das vor dem Piloten im Wasser landet und sich selbst aufbläst.

Dieser Notausstieg aus dem Jet komme allerdings sehr selten vor, erklärt der Kommandeur der Staufer-Kaserne. Christian Schoebel spricht von 13 bis 16 G, die dann auf einen Eurofighter- oder Tornado-Piloten einwirken können. Bei 14 G wirkt eine Kraft, die 14-mal so stark ist wie die Schwerkraft. Statt 70 Kilo wiegt der Körper in diesem Moment plötzlich 980 Kilo. „Beim Ausstieg wird die Wirbelsäule um etwa einen Zentimeter gestaucht. Wer mit dem Schleudersitz raus musste, darf danach in der Regel nicht mehr fliegen.“

Neun von zehn Jetpiloten werden bei diesem Manöver ohnmächtig und kommen meistens erst kurz vor der Landung wieder zu sich. Auf diese potenziell lebensgefährliche Erfahrung, sagt Schoebel, verzichten selbst hartgesottene Kampfpiloten nur zu gern.

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Nach NATO-Standards

In Pfullendorf sowie auf verschiedenen Übungsplätzen in Deutschland, Österreich und Spanien werden auch internationale Streitkräfte aus acht weiteren Nationen nach NATO-Standards und auch ukrainische Streitkräfte ausgebildet. „Wir profitieren von deren Erfahrungen und können diese in die Ausbildung integrieren“, erklärt Kommandeur Christian Schoebel. Einzigartig sei in Pfullendorf zudem das Niveau der Sanitätsausbildung von Spezialkräften, die sich Combat First Responder (CFR) nennt. „Da geht es nicht nur um die Erstversorgung auf dem Gefechtsfeld. Sie lernen, den Verwundeten bis zu drei Tage am Leben zu erhalten, bis die eigentliche medizinische Versorgung verfügbar ist.“

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