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Menschen des Jahres 2023

Julia Goll gibt nicht auf in der endlosen Polizeiaffäre

Sektrunden im Innenministerium, dubiose Beförderungen, ein spektakulärer Prozess mit überraschendem Ausgang: Die Polizeiaffäre hat die Landespolitik aufgewirbelt. Die FDP-Obfrau Julia Goll will weiter aufklären, bis zum Ende.

Julia Goll, Abgeordnete der FDP im Landtag von Baden-Württemberg, spricht in einer Landtagssitzung im Plenarsaal.

dpa/Bernd Weißbrod)

Stuttgart. Die Sitzungen des Untersuchungsausschusses zur Polizeiaffäre gehen oft bis tief in die Nacht. 16 Stunden wurde der Innenminister Thomas Strobl (CDU) befragt, nicht ganz so lang der Regierungschef selbst. Die Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz wurde vorgeladen, Polizeidirektoren, Staatssekretäre: Es sind Sternstunden des Parlaments.

Julia Goll steht mittendrin. Die liberale Juristin, die früher selbst Richterin war, und als Ehefrau des ehemaligen Justizministers Ulrich Goll einen bekannten Namen trägt, wühlt sich bis tief in die Nacht durch die Akten. Stellt kritische Fragen, bringt zusammen mit dem SPD-Obmann Sascha Binder die Polizeipräsidentin Stefanie Hinz in Erklärungsnöte, sucht nach Widersprüchen.

Was bliebt nach den vielen, teils extrem kleinteiligen Befragungen? Und einem Strafprozess gegen den vom Dienst freigestellten Polizeiinspekteur Andreas Renner – der mit viel Schmutzkampagne der Verteidigung gegen die geschädigte 31-jährige Beamtin beginnt, und überraschend mit einem Freispruch für Renner endet?

Politisch hat der Innenminister Renner trotz Freispruchs den Weg zurück verbaut – indem das Amt schlicht abgeschafft wurde. Und mit dem ehemaligen Amtsleiter im Finanzministerium, dem Grünen Jörg Krauss, wurde im Innenministerium eine Art Task Force für moralisch korrektes Verhalten eingesetzt. Strobl selbst konnte nach Annahme des Strafbefehls über 15 000 Euro wegen eines rechtswidrig an einen Journalisten weitergegebenen Schreibens im Amt bleiben.

Kein Erfolg also die Opposition? Julia Goll sieht das anders. „Was schon jetzt an Ungeheuerlichkeiten herausgekommen ist, reicht zwei mal für einen Rücktritt“, sagt sie. Im Landespolizeipräsidium wurde offenbar oft mit Sekt angestoßen. Im Fall des ehemaligen Inspekteurs sogar bei einem Personalgespräch, das später in einer Kneipe in Bad Cannstatt fortgesetzt wurde – und dann zu den vor Gericht untersuchten Folgen führte. Aber es ging um mehr: Die unklare Rolle des heutigen Staatssekretärs im Justizministerium, Siegfried Lorek (CDU), als graue Eminenz bei der Landespolizei ein und ausging.

Er soll Renner im Auftrag Strobls empfohlen haben. Es gab unerklärliche „Traumnoten“ für den Inspekteur, und manche wie der ehemalige Waiblinger Polizeipräsident Ralf Michelfelder wittern unlautere Methoden bei der Beförderung. Nicht nur in der Causa Renner.

Auch durch das hartnäckige Nachfragen von Julia Goll wird alles durchleuchtet. Nichts bleibt offen. Und mancher ehemaliger Polizist äußert auch auf Nachfragen klare Kritik. Renners Vorgänger Detlef Werner sagte: „Im Grunde ist es so, dass ich mich für diesen Sachverhalt schäme.“ Das ganze sei eine „Katastrophe“ für die Polizei.

Hier will Julia Goll weiter ansetzen. Transparente Strukturen ohne schwarzen Filz und Männerbündeleien, um Verbündete zu platzieren. Und natürlich: Null Toleranz gegen sexuellen Missbrauch, aber auch schon frauenfeindliche Sprache und Verhalten in der Landespolizei.

Goll gewinnt durch diese schwierige, anstrengende Arbeit weiter an Profil. Und wer weiß: Wenn die FDP nach der Wahl 2026 wieder in die Regierung kommt, könnte sie durchaus wieder das Justizressort besetzen, wie es Tradition ist. Vielleicht suchen dann die Liberalen eine Juristin, die mit allen Wassern gewaschen ist.

Rafael Binkowski

Chefredakteur des Staatsanzeigers

0711 66601 - 293

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