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Gastbeitrag: 70 Jahre Verfassungsgerichtshof 

„Kein Anlass für ein selbstzufriedenes Ausruhen auf den Verdiensten der Vergangenheit“

Der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg feiert sein 70-jähriges Bestehen. Sein Präsident, Malte Graßhof, will sich aber nicht auf den Verdiensten der Vergangenheit ausruhen. Er beschreibt im Gastbeitrag, welche Herausforderungen er sieht und wie er den Verfassungsgerichtshof sichtbarer und zugänglicher machen will.

Malte Graßhof (Mitte) ist Präsident des Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg.

dpa/Bernd Weißbrod)

Der baden-württembergische Verfassungsgerichtshof wird 70 Jahre alt – das soll gefeiert werden, ist aber kein Anlass für ein selbstzufriedenes Ausruhen auf den Verdiensten der Vergangenheit. Vielmehr gilt es, einer zunehmenden Krise des Vertrauens in staatliche Institutionen zu begegnen und auch den Verfassungsgerichtshof für die Herausforderungen der Zukunft zu rüsten. Dies betrifft drei Handlungsfelder: Die Rechtsprechung, die interne Verwaltung und die Öffentlichkeitsarbeit des Gerichts.

Der Verfassungsgerichtshof muss sichtbar und zugänglich sein

Die wesentliche Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs ist es, verfassungsgerichtlichen Rechtschutz zu gewähren. Dieser muss höchsten juristischen Standards genügen und hat zügig zu erfolgen. Die Qualität unserer Entscheidungen sollen andere beurteilen. Uns ist aber bewusst, dass gerade hinsichtlich der Dauer der Gerichtsverfahren die Ansprüche einer digital beschleunigten Gesellschaft noch einmal gestiegen sind.

Auch der Verfassungsgerichtshof muss daher versuchen, in kürzerer Zeit zu entscheiden, ohne fachliche Qualität einzubüßen. Eine moderate Verstärkung der Anzahl der wissenschaftlichen Mitarbeiter (abgeordnete Berufsrichter, die die Entscheidungen vorbereiten) um eine Stelle im Jahr 2021 ebenso wie einige gerichtsinterne Umstrukturierungen haben bereits Erfolge gezeigt. So wurde 2024 fast die Hälfte der Verfassungsbeschwerden innerhalb von sechs Monaten nach Eingang entschieden.

Zum Wesen eines Verfassungsgerichts gehört seine institutionelle Unabhängigkeit. Diese wird nicht nur durch den Status der Richterinnen und Richter geschützt, sondern auch durch eine unabhängige Gerichtsverwaltung. Erst im Zuge der Einführung der Landesverfassungsbeschwerde vor zwölf Jahren wurden insoweit in Baden-Württemberg die erforderlichen Strukturen geschaffen, etwa ein eigener Einzelplan im Staatshaushalt, ständige Büroräume und feste eigene Mitarbeiter.

In den letzten Jahren hat sich aber gezeigt, dass die Bewältigung der zahllosen verwaltungstechnischen Aufgaben eines eigenständigen Gerichts, das zugleich Verfassungsorgan ist, mit seiner winzigen Gerichtsverwaltung (eine Stelle im gehobenen Dienst und eine halbe Stelle des mittleren Dienstes) eine beständige Herausforderung darstellt. Der Verfassungsgerichtshof hat bei der Verbesserung der internen Verwaltung zwar schon erhebliche Erfolge erzielt, etwa mit der Einführung der elektronischen Gerichts- und Verwaltungsakte im letzten Jahr. Dennoch ist der erst 2013 begonnene Prozess der organisatorischen Verselbstständigung des Gerichts noch nicht abgeschlossen und bedarf weiterer Anstrengungen.

Dies gilt auch für die Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsgerichtshofs. In Zeiten zurückgehenden Vertrauens auch in die Justiz muss der Verfassungsgerichtshof sichtbar und zugänglich sein. Darauf wurde bereits mit der Erstellung eines Geschäftsberichts reagiert, ebenso wie mit der Neugestaltung des Internetauftritts. Sichtbarkeit und Zugänglichkeit bedeutet aber auch, dass der Gerichtshof über einen angemessenen Sitzungssaal verfügen muss, in dem auch größere Besuchergruppen empfangen werden können. Dies ist derzeit nur bedingt der Fall.

Feier des 80. Jubiläums im eigenen Sitzungssaal angestrebt

Der einzige Saal, der hinreichend groß ist – immerhin ist eine Richterbank mit neun Plätzen erforderlich – ist auf strafrechtliche Verfahren zugeschnitten und sowohl für die Verhandlungen des Verfassungsgerichtshofs als auch für eine Öffentlichkeitsarbeit nur eingeschränkt geeignet.

Daher begrüße ich es sehr, dass der Verfassungsgerichtshof bei den Planungen zur Errichtung eines neuen Sitzungssaalgebäudes im Stuttgarter Justizviertel beteiligt wird und dort die Mitnutzung eines passenden Saals ermöglicht werden soll. Ein eigenes Gebäude für den Verfassungsgerichtshof – wie etwa in Nordrhein-Westfalen oder Hessen – benötigen wir als sparsame Baden-Württemberger zwar nicht, aber es wäre schön, wenn der Verfassungsgerichtshof sein 80. Jubiläum jedenfalls in einem eigenen Sitzungssaal feiern könnte!

Seit 2018 ist Malte Graßhof Präsident des Verfassungsgerichtshofs Baden-Württemberg und damit ranghöchster Richter im Land. Das Amt übt er ehrenamtlich aus, genauso wie seine acht Kolleginnen und Kollegen. Hauptamtlich leitet Graßhof seit Juni 2023 den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg.

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