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Können sich die Kommunen mehr Geld vom Land einklagen?

Der Schorndorfer OB Bernd Hornikel will mit einer Klage höhere politische Ebenen verpflichten, Aufgaben besser zu finanzieren.
Achim Zweygarth)Stuttgart. Die Finanzlage der Kommunen wird immer dramatischer. Schon länger denkt man in manchen Rathäusern darüber nach, den Bund zu verklagen. „Das ist kein Zeichen von Konfrontation – das ist schlicht notwendig“, sagt Ralf Broß, Geschäftsführer des Städtetages.
Denn immer öfter sehen sie das Konnexitätsprinzip verletzt, also den Grundsatz: „Wer bestellt, bezahlt auch.“ Nun hat die Landeshauptstadt Stuttgart ein Gutachten in Auftrag gegeben und sich einen renommierten Experten geholt: Professor Kyrill-Alexander Schwarz, der einen Kommentar zum Grundgesetz verfasst hat und an der Universität Würzburg lehrt. Die Ergebnisse machen wenig Hoffnung.
Demnach hätten Kommunen nur eine Chance auf eine Klage, wenn sie überhaupt keine „freiwilligen Leistungen“ mehr verrichten könnten, also Sport- und Kulturförderung, Bibliotheken oder Volkshochschulen betreiben. „Die Kommunen haben gegenüber dem Bund kaum eine Klagemöglichkeit“, sagt Ralf Broß.
Wenig Chancen für Klagen der Städte gegen den Bund
Erst wenn die so genannten Pflichtaufgaben nicht mehr bezahlbar wären, bestände juristisch gesehen eine Chance. Nur zwei sehr schmale Pfade weist das Gutachten möglicherweise aus: Wenn die Länder Mittel nicht an die Kommunen weitergeben, die der Bund ihnen für die Erfüllung kommunaler Ausgaben zuweisen. Dann aber müssten die Städte und Gemeinden diese von der Landesregierung einklagen.
Nun sucht man zwar nach solchen Fällen, allerdings gilt das als wenig aussichtsreich. „Das ist eher ein theoretisches Konstrukt“, sagt Städtetags-Geschäftsführer Ralf Broß. Der zweite Weg wäre das Verhalten des Landes im Bundesrat: Wenn Baden-Württemberg etwa bei Abstimmungen zu Gesetzen nicht die Finanzierung für die Kommunen sicherstellt. Doch auch das ist schwer nachweisbar, wie Broß einräumt: „Die Abstimmung des Landes im Bundesrat unterliegt vielen Beweggründen.“
Lesen Sie dazu auch ein Interview mit dem Reutlinger OB
Trotz schlechter Chancen will Schorndorf klagen
Keine guten Aussichten also für eine Klage. Naturgemäß sieht das auch die Landesregierung so. „Wir haben Verständnis für die Lage der Kommunen, sie sitzen am Ende der Kette“, sagt Sebastian Engelmann, der Sprecher des im Urlaub weilenden Finanzministers Danyal Bayaz (Grüne). Doch Klagen dauerten lange und seien höchst ungewiss in ihrem Ausgang. „Der pragmatische Weg ist der, auf Verhandlungen zu setzen.“
Dennoch prüfen viele Rathäuser derzeit die Aussichten einer Klage. Die meisten wollen nicht öffentlich genannt werden. Eine Ausnahme ist die Stadt Schorndorf im Rems-Murr-Kreis. Der OB Bernd Hornikel sagt: „Ich habe dem Gemeinderat gesagt: Wenn wir eine vertretbare Rechtsposition haben, will ich klagen.“ Er schätzt die Aussichten für besser ein, wenn nicht wie im Schwarz-Gutachten die allgemeine Rechtslage erörtert wird, sondern konkrete Zahlen und Fälle genannt werden.
Nach dem Urlaub wird über Klage entschieden
„Es geht auch um die Ballung vieler Faktoren“, sagt Hornikel, der früher selbst Anwalt war. Schließlich seien die Kommunen immer mehr überfordert und es brenne an allen Ecken. Der Schorndorfer Rathauschef setzt auch auf eine politische Signalwirkung einer solchen Klage vor der Landtagswahl. „Vielleicht setzt das ja etwas in Gang, und wenn nicht jetzt, wann wäre der richtige Zeitpunkt?“, sagt er. Im Herbst nach seinem Urlaub will er die Lage bewerten und konkret entscheiden.
Im Herbst wird weiter verhandelt mit dem Land
In einer Vorlage für den Finanzausschuss des Landtages, die dieser Zeitung vorliegt, werden beim Städtetag solche Überlegungen offenbar auch angestellt. Etwa wenn es konkret um Landesausgaben geht, die auf die Kommunen ohne Gegenfinanzierung übertragen werden. Zum Beispiel bei der Erstellung von Mietspiegeln oder Kontrollvorgaben beim Arbeitsschutz. Es wird aber auch verhandelt, im Herbst kommen Kommunen und Land zusammen.
Wo soll geklagt werden?
Das kommt auf den Klagegegenstand an. Wenn Mittelzuweisungen nach dem Finanzausgleichsgesetz als Verwaltungsakt angegriffen werden, geht es um eine Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht. Wenn eine Missachtung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantien, der sogenannten freien Spitze für Selbstverwaltungsaufgaben oder Verstöße gegen das verfassungsrechtlich verankerte Konnexitätsprinzip angegriffen werden, geht es um eine Klage, oder genauer einen Normenkontrollantrag, vor dem Verfassungsgerichtshof.