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Kompromisse bei Schulthemen werden nach der Wahl nicht einfach
Stuttgart. Eigentlich sind die Pädagogen, die Schulexperten und Abgeordneten auf Einladung des Philologenverbandes (PhV) zusammengekommen, um über den Stand der Digitalisierung im Allgemeinen und den Einsatz von KI im Gymnasium zu diskutieren. Aber Martina Scherer, die neue Landesvorsitzende des PhV BW, nutzt die Gelegenheit zum Ausblick auf den 8. März sowie die Zeit danach. Als Gymnasiallehrerin mit der ungewöhnlichen Fächerkombination Mathematik und Musik will sie mehr über Ziele und Pläne für die neue Legislaturperiode erfahren.
Bildungspolitiker wollen keine weitere Unruhe an Schulen
Es schält sich zumindest eine Gemeinsamkeit der vier Landtagsparteien heraus: Die Entschlossenheit, nicht abermals Unruhe in die Schulen zu bringen. Die Grünen wollen die Forderung des Landesschülerbeirats aufnehmen und zügig eine Enquêtekommission Bildung installieren. „Über den Tellerrand schauen und nicht das kleine Karo im Kopf haben“, wünscht sich der Abgeordnete Ralf Nentwich (Grüne) darüber hinaus. Andreas Sturm (CDU) kontert, das höre sich gut an, dauere aber vermutlich zu lange. Richtungsentscheidungen müssten zu Beginn einer Legislaturperiode getroffen werden.
Deutlich unterschiedlich wird der Weg von der vierten in die fünfte Klasse beschrieben, CDU-Landes- und Fraktionschef Manuel Hagel hatte in der vergangenen Woche als neue Regierungskonstellation ein Dreierbündnis mit SPD und FDP als „eher höherrangige Alternative“ gegenüber einer Koalition aus CDU und Grünen bezeichnet. Nach aktuellen Umfragen hat diese in Anlehnung an die Nationalfarben schwarz, rot und gold sogenannte „Deutschlandkoalition“ derzeit aber keine Mehrheit. Aber selbst wenn sie am Wahltag doch zustande käme, bliebe ein bildungspolitisches Thema als hohe Hürde: die Zukunft der Grundschulempfehlung.
Sturm und Timm Kern (FDP), früher selbst Gymnasiallehrer, wollen sie auf alle Schularten ausdehnen. Grünen und SPD wirft der Liberale vor, während ihrer Regierungszeit zwischen 2011 und 2016 eine Revolution statt einer Reform gewollt und für eine „Unordnungspolitik“ gesorgt zu haben. Er wolle sich gegen die „sehr starke Vereinheitlichung der einzelnen Schularten“ einsetzen und stattdessen für „die passende Schule für jedes Kind“. Denn: „Heterogenität ist kein Wert an sich.“
Während Kern vor einer „dramatischen Verarmung der Bildungsvielfalt in Baden-Württemberg“ warnt, sucht sein CDU-Kollege den Schulterschluss mit der FDP und plädiert ebenfalls für „Evolution statt Revolution“ und die Ausweitung der Grundschulempfehlung.
Stefan Fulst-Blei (SPD) erinnert daran, dass seine Partei und die FDP der grün-schwarzen Landesregierung eine Bildungsallianz nach Hamburger Vorbild über die Legislaturperiode hinaus angeboten hatten. In der Hansestadt hatten sich vor fünfzehn Jahren Regierung und Opposition zusammengetan und einen Schulfrieden beschlossen, der unlängst verlängert wurde. Hamburg ist Aufsteiger in Bildungsvergleichsstudien. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) habe das Angebot aber ausgeschlagen, kritisierte Fulst-Blei, gerade mal zwei Stunden hätten SPD und FDP Zeit bekommen, ein vorgelegtes Papier zu unterschreiben. „So geht das aber nicht“, erklärte der Landtagsabgeordnete auch mit Blick auf künftige Kooperationen. Und er verlangt, dass „mehr Kohle ins System kommt“.
SPD gegen Ausweitung der Grundschulempfehlung
Eine Ausweitung der Grundschulempfehlung auf alle Schularten kommt für die SPD nicht in Frage, weil sie in ihrem Wahlprogramm stattdessen eine ebenfalls sehr weitreichende, aber ganz andere Reform verspricht: die Verlängerung der für alle geltenden Grundschulzeit um zwei Jahre. So solle sich die Entscheidung über den weiteren Bildungsweg „fundierter, gerechter und kindgerechter“ gestalten.
Die PhV-Landesvorsitzende stellt sich an die Seite von CDU und FDP. Für alle Schüler müsse das Passende gefunden werden, statt eine Schule für alle zu favorisieren, verlangt Scherer. „Schule muss Kinder an dem Punkt abholen, an dem sie stehen“, sagte Martina Scherer, „und dann muss das System so durchlässig sein, dass jeder dorthin kommt, wo er hingehört.“
Der Weg aufs Gymnasium
Die CDU hatte 2024 zur Erweiterung der Grundschulempfehlung im Zuge der Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium das Modell „2 aus 3“ durchgesetzt. Danach sind alle Viertklässler im Land zum zusätzlichen Kompetenztest „Kompass 4“ als einer der drei Säulen dieses Konzepts verpflichtet. Die beiden weiteren Elemente liegen bei Lehrkräften und Eltern, die das Leistungsvermögen der Kinder einschätzen. Sprechen sich Lehrkräfte, basierend auch auf den Kompass-4-Ergebnissen, gegen einen Wechsel aufs Gymnasium aus, bleibt Eltern nur, ihre Kinder in eine weitere Prüfung zu schicken.