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Land und Beamte sehen nicht, was sie aneinander haben

Wer zur Polizei geht, will vermutlich Verbrecher jagen und für Recht und Ordnung sorgen. Aber eines will er sicherlich auch: von seinem Job leben.
dpa/Ostalb Network/Marius Bulling)Volle Hingabe, Lebenszeitprinzip und Streikverbot: Der Beamte ist schon eine besondere Spezies. Und niemand muss sich für diesen Weg entscheiden. Doch es gibt einige Berufe, in denen man kaum bis gar nicht umhinkommt, ein Dienst- und Treueverhältnis mit Vater Staat einzugehen – etwa wenn man Kinder unterrichten, Steuererklärungen prüfen oder Verbrecher jagen will.
Doch letztlich ist es auch nur ein Job, von dem man lebt. Und zwar möglichst so, dass man nicht jeden Cent zwei Mal umdrehen muss. Außerdem möchte man nicht das Gefühl haben, dass diejenigen, die aus welchen Gründen auch immer keiner geregelten Arbeit nachgehen, finanziell ähnlich gut gestellt sind.
Das Zauberwort heißt amtsangemessene Besoldung. Anders als im Tarifbereich entscheidet sich das, was einer verdient, nicht im Ringen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern respektive deren Gewerkschaften. Nein: Der Staat bestimmt, was seine Beamten erhalten. Allerdings ist er dabei nicht völlig frei. Er unterliegt dem vom Grundgesetz verbrieften Alimentationsprinzip.
An dieser Stelle haben sich der Staat und seine Beamten seit geraumer Zeit verhakt. Während die eine Seite versucht, die Personalkosten klein zu halten, pocht die andere Seite auf ihr Recht. Und bekommt es meist auch – vorm Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Allerdings oft erst nach Jahren.
In der Vergangenheit hat sich Baden-Württemberg in solchen Fällen großzügig gezeigt. Im Fall der abgesenkten Eingangsbesoldung wurden sogar jene Beamten entschädigt, die nicht einmal Widerspruch eingelegt hatten, auch wenn das eine ordentliche Stange Geld gekostet hat. Das diente auch der Beziehungspflege, hatte sich doch Winfried Kretschmann in seiner ersten Amtszeit heftig mit der Beamtenschaft angelegt. In seiner zweiten und dritten Periode gelang es dem Ministerpräsidenten dann, die Wogen zu glätten.
Sollten jetzt die Zügel wieder stärker angezogen werden, heißt das nicht, dass das Land vollständig in alte Muster zurückfällt. Das Geld ist knapper als noch vor ein paar Jahren. Wohl vor diesem Hintergrund gibt es im Finanzministerium Überlegungen, zu einer restriktiveren Praxis zurückzukehren und nur noch jene Beamte rückwirkend zu entschädigen, die klagen. Ob es so kommt, ist noch nicht klar. Die Gewerkschaften und die CDU versuchen, auf Finanzminister Danyal Bayaz einzuwirken, damit er seine Meinung noch ändert. Dem dürfte die Problematik ein Jahr vor der Landtagswahl bewusst sein. Die Beamten wählen überproportional häufig grün. Es ist eine Klientel, mit der man es sich nicht verscherzen sollte.
Die Frage ist allerdings, ob es aus dieser Frontstellung, dieser Fingerhakelei keinen Ausweg gibt. Wie wäre es, wenn sich alle Beteiligten einmal an einen Tisch setzten?
Punkte, über die man reden könnte, gäbe es genug. Doch bislang hatte man immer den Eindruck, dass den Regierenden das nicht so wichtig ist und dass die Beamten, respektive ihre Interessenvertretungen, auf die Beibehaltung des Status quo beharren.
Wie wäre zum Beispiel mit einer leistungsbezogenen Besoldung, die vom Dienstalter entkoppelt wird? Oder einem Abschied von der Fiktion der Alleinverdienerehe? Und einer Besoldung, die nicht nur den Buchstaben, sondern auch dem Geist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts genügt? Vielleicht auch verbunden mit einer Wochenarbeitszeit von weniger als 41 Stunden? Und was ist eigentlich mit dem Lebensarbeitszeitkonto, von der die Politik schon eine Ewigkeit spricht?
Denn es ist spätestens nach der letzten Besoldungsrunde klar, dass es so nicht weitergeht. Der Sockelbetrag von 200 Euro, den jeder bekam, ob im mittleren, gehobenen oder höheren Dienst, hat die Besoldungsstruktur derart eingeebnet, dass eine Wiederholung zu einer verfassungswidrigen Stauchung des Besoldungsgefüges führen würde. Eine prozentuale Umrechnung des Sockelbetrags wäre wohl der sauberere Weg gewesen. Doch so kam es bekanntlich nicht. Am Ende gab der heftige Protest der Polizisten den Ausschlag.
Wenn das Land und seine Beamten sich in Zukunft die Fingerhakeleien vor dem Bundesverfassungsgericht ersparen wollen, müssen sie aufeinander zugehen. Und erkennen, was sie aneinander haben. Die Beamten einen krisensicheren Job mit Sinn, das Land eine Statusgruppe, auf die er sich jederzeit verlassen kann. Und die kleinliche Sparmaßnahmen nicht verdient haben.