Themen des Artikels

Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen

Landesparteitag der Grünen

Özdemir: „Es wird der Wahlkampf meines Lebens“

Der Spitzenkandidat Cem Özdemir will den Sorgen der Menschen "nicht mit Nostalgie oder Ideen aus der schwarzen Mottenkiste“ begegnen. Zugleich warnt er auch seine Partei: "Wahlen gewinnt man auch mit Disziplin, und Wahlen verliert man, wenn man sich verzettelt, wenn man Steilvorlagen bietet.“ Ein Gefallen, den er dem politischen Gegner nicht tun will. Im Anschluss an Özdemirs einstündige Rede diskutierten die Grünen über ihr Wahlprogramm - mit 800 Änderungsvorschlägen. 

Cem Özdemir ist Spitzenkandidat der Grünen für die Landtagswahl in Baden-Württemberg 2026.

dpa/Bernd Weißbrod)

Ludwigsburg. 85 Tage vor der Landtagswahl hat Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir seine Partei zu Mut und Zuversicht aufgerufen. „Gemeinsam packen wir das“, so der 59-Jährige in seiner umjubelten Rede beim Landesparteitag am Samstag in Ludwigsburg. Dessen wesentliche Botschaft ist die Absicht, mit dem in 15 Regierungsjahren Erreichten zu punkten. Und um sich, wie die wiedergewählte Landesvorsitzende Lena Schwelling sagte, von den „Rückkehr-an-die Spitze-Parolen der CDU“ abzusetzen.

Eine Stunde flammende Rede, dann fünf Minuten stehende Ovationen: Özdemir hat geliefert und sein Auditorium ebenso. Zur Einbringung des Wahlprogramms umriss der 59-Jährige seine Pläne für die kommende Legislaturperiode, darunter die Einrichtung eines Jugend-Beraterkreises, „um junge Menschen strukturell und dauerhaft in die landespolitische Arbeit einzubinden“ und ein kostenloses Schulmittagessen. Er will Palantir bei der Polizei „so schnell wie möglich“ durch eine heimische Lösung ersetzen. Der CDU wirft er vor, der Bevölkerung vor der Bundestagswahl, angesichts der inhaltlichen Kehrtwendungen danach, „rotzfrech“ ins Gesicht gelogen zu haben.

„Auch in zerrissenen Zeiten können wir ein Beispiel setzen“

Der gebürtige Bad Uracher setzt auf den „Baden-Württemberg-Spirit“ sieht nach seinen eigenen Worten im Land „das Beste versammelt, was diese Republik zu bieten hat“. Das Motto des dreitägigen Parteitags in Ludwigsburg lautet „Stabil in bewegten Zeiten“. Und in Anlehnung an die legendäre Wahlkampfparole des einstigen US-Präsidenten Barack Obama heißt die Losung der hiesigen Grünen so: „Baden-Württemberg kann es.“

Mit seiner langen politischen und auch internationalen Erfahrung will Özdemir Stimmen sammeln im drittgrößten Bundesland, in dem die Grünen seit 2011 bewiesen hätten, wie zuverlässig sie regieren könnten. „Auch in zerrissenen Zeiten können wir ein Beispiel setzen“, so der Spitzenkandidat, „für Gemeinsinn, für Zukunftskraft, für republikanisches Selbstbewusstsein.“ Viele Menschen machten sich große Sorgen, manche trauten dem Staat und der Wirtschaft nicht mehr viel zu. „Solchen Sorgen begegnen wir nicht mit Nostalgie oder Ideen aus der schwarzen Mottenkiste“, arbeitet er sich an manchen Stellen der Rede am Koalitionspartner ab, „wir versprechen den Leuten auch nicht das Blaue vom Himmel, denn Versprechen sollte man halten, wir sind schließlich nicht die CDU.“

Özdemir fordert Disziplin und kein Verzetteln

Apropos Konkurrenz: Kaum weniger deutlich fällt die Warnung an die eigene Partei aus, zumal mit Blick auf die kommenden heißen Wahlkampfwochen. Was er von sich gebe in den nächsten Monaten, werde nicht immer allen gefallen, aber: „Wahlen, das habe ich gelernt, gewinnt man nicht nur mit überzeugenden Kandidatinnen und Kandidaten oder guten Ideen, Wahlen gewinnt man auch mit Disziplin, und Wahlen verliert man, wenn man sich verzettelt, wenn man Steilvorlagen bietet“. Diesen Gefallen würden die Grünen der Konkurrenz aber nicht tun. „Es wird der Wahlkampf meine Lebens“, rief der Spitzenkandidat in den tosenden Applaus.

Wahlprogramm mit 800 Änderungsanträgen

Zur DNA solcher Parteitage gehört, dass die Versammlungen nach der zentralen Rede noch einmal so richtig beginnen. Viele Stunden lang kämpften sich die Delegierten im Anschluss an Özdemirs Auftritt durch das Wahlprogramm und die 800 Änderungsanträge. „Dafür lebt die Partei“, sagt Schwelling. Schon die vergangenen zwei Wochen sei intensiv über Details diskutiert worden, „weil sich immer noch jemand mit einem Verbesserungsvorschlag findet“. Das Verfahren biete aber auch allen Delegierten die Möglichkeit, sich argumentativ auf die Wochen bis zum 8. März vorzubereiten. Auch der überraschend mit fast 97 Prozent im Amt bestätigte Landesvorsitzende Pascal Haggenmüller lobte die Inhalte als „Qualitätsmerkmal“ der Partei.

Und noch ein Alleinstellungsmerkmal kann in den Augen von Spitze und Basis den Unterschied am Ende mitausmachen, um die CDU zu überflügeln: Winfried Kretschmann. Die Wahlkämpfer setzen auf den noch amtierenden Ministerpräsidenten – als „bestes Beispiel dafür, dass Persönlichkeiten in der Politik den großen Unterschied machen können“, wie Nachfolgeaspirant Özdemir sagte. Nicht nur in Baden-Württemberg, sondern in der ganzen Bundesrepublik habe der Ministerpräsident Maßstäbe gesetzt, „und diese Maßstäbe gelten auch für mich“.

Ein gut gelaunter Winfried Kretschmann übergibt den Stab an Cem Özdemir | Staatsanzeiger BW

Nutzen Sie die Vorteile unseres

Premium-Abos. Lesen Sie alle Artikel aus Print und Online für

0 € 4 Wochen / danach 199 € jährlich Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren

Lesen Sie auch