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Schuldenbremse: Keine Zeit für Prinzipienreiterei

Entspannt geht anders (v.l.n.r.): Britta Haßelmann, Robert Habeck und Katharina Dröge während der Debatte zur Schuldenbremse.
dpa/Michael Kappeler)Es gibt das böse Wort von der Prinzipienreiterei und den ebenso harten Vorwurf, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit alle Grundsätze über Bord zu werfen. Irgendwo dazwischen bewegt sich die Politik in diesen volatilen Zeiten.
Wie war das noch gleich mit der Schuldenbremse, die Manuel Hagel, der starke Mann der CDU in Baden-Württemberg, vor einem Jahr noch mit einer Art Ewigkeitsgarantie versehen wollte? Und wie kann es sein, dass die Grünen erwägen, ein Sondervermögen für Infrastruktur im Bundestag scheitern zu lassen, wo sie es doch seit Jahren fordern?
Klar, es gibt genügend Argumente, die gegen die von Schwarz-Rot geplante Aufweichung der Schuldenbremse sprechen. Und doch ist jetzt ein Moment, wo Ziele wie eine Schwarze Null in den Hintergrund rücken. Deutschland muss in der aktuellen weltpolitischen Lage seiner Verantwortung gerecht werden. Wir können uns nicht hinter Verfassungsartikeln verstecken, die zu ändern wir sehr wohl in der Lage sind.
Die Fakten liegen auf dem Tisch: Falls Bundestag und Bundesrat nicht bis zum 24. März die Verfassung ändert, schließt sich ein Zeitfenster, und es droht eine Fortsetzung der bleiernen Zeit, in der keine Impulse gesetzt werden können, weil seit dem Verfassungsgerichtsurteil vom Herbst 2023 dem Bund das Geld fehlt.
Und behaupte keine und keiner, er oder sie habe es nicht gewusst. Jetzt gilt es, staatsmännische Verantwortung an den Tag zu legen, auch wenn das im Fall der Grünen, die aus der Wahl nicht nur geschrumpft, sondern auch desillusioniert und ohne Chance auf eine Regierungsbeteiligung herausgingen, nicht einfach ist.
Dabei sind die Gegenargumente, die von der Ökopartei angeführt werden, nicht von der Hand zu weisen. Selbstverständlich muss sichergestellt werden, dass aus dem Sondervermögen wirklich Ausgaben gestemmt werden, die sonst keine Chance gehabt hätten. Dazu sollten auch Projekte gehören, die für die Energiewende wichtig sind.
Und die Länder und Kommunen dürfen nicht zu kurz kommen. Bislang sollten 100 Milliarden Euro dorthin fließen. Der grüne Finanzminister von Baden-Württemberg, Danyal Bayaz, fordert mit seinen Amtskollegen aus Bremen und Schleswig-Holstein eine Erhöhung auf 200 Milliarden Euro. Auch weil das Geld im Südwesten mit seiner exportabhängigen Wirtschaft dringend gebraucht wird.
Diejenigen, die jetzt springen müssen, wie etwa der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann, haben es im Grunde genommen schon kapiert. Man ist lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass am Ende alle Federn lassen müssen, dass man jedoch zu einer Einigung kommen kann. Und glücklicherweise verfügt unter den Parteien der demokratischen Mitte nur die FDP über einen (Noch-)Parteivorsitzenden, der seine Prinzipien über die Regierungsfähigkeit der Republik stellt.
Insofern könnte am Ende dieser turbulenten Tage ein Kompromiss stehen, der der neuen Bundesregierung einen guten Start verschafft. Vermutlich auch, indem man auf Sperenzchen wie die Erhöhung der Pendlerpauschale verzichtet.
Alles andere können wir uns nicht leisten in dieser verrückt gewordenen Welt, in der die einen gewaltsam staatliche Grenzen verschieben, und die anderen die Grenzen dessen, was bis gestern noch als zivilisierter Umgang galt. Europa braucht ein starkes Deutschland, das zu seiner Verantwortung steht. Das auch bereit ist, gemeinsam mit seinen europäischen Partnern eine Verteidigung aufzubauen, falls der amerikanische Partner dauerhaft ausfällt.
Das gibt es nur mit sehr viel Geld. Geld, das jetzt gebraucht wird und nicht eines schönen, fernen Tages. Selbstverständlich wäre es besser, wenn in einer Frage, in der es um die verfassungsmäßigen Grundlagen der Bundesrepublik geht, erst in Ruhe Experten gehört würden und sich dann die Politik auf die Suche nach der weisesten Lösung machte.
Eine ausgefeilte Reform ist das, was die neue Groko dem Bundestag und Bundesrat vor den Latz knallt, keinesfalls. Doch es ist der Versuch, Deutschland in einem entscheidenden Moment seiner Geschichte zu entfesseln. Die Chance kommt vermutlich nicht wieder. Die Grünen werden gebraucht. Nicht zuletzt deshalb, weil bei der Bundestagswahl Parteien gestärkt wurden, mit denen kein Staat zu machen ist. Linken und AfD fällt nichts Besseres ein, als in Karlsruhe dagegen zu klagen, dass Deutschland schnell wieder auf die Beine kommt.