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Kommentar zum Bahnprojekt

Stuttgart 21: Gründlichkeit vor Schnelligkeit

Es droht bei Stuttgart 21 die nächste Hängepartie. Anstatt den Tiefbahnhof unfertig 2025 in Betrieb zu nehmen, sollte man lieber noch warten, bis alles funktioniert. Ein verpatzter Start wäre ein Desaster.

Mit einem Glas Sekt feiern im Jahr 1995 Heinz Dürr (links), Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG, Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (M) und der baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel die Vertragsunterzeichnung für die Untertunnelung des Stuttgarter Hauptbahnhofes. Damals war der Plan, 2008 den Tiefbahnhof fertiggestellt zu haben.

dpa/Bernd Weissbrod)

Stuttgart. Das hatten sich der damalige Bahnchef Heinz Dürr, Ministerpräsident Erwin Teufel und der Stuttgarter OB Manfred Rommel (beide CDU) bei ihrem Hubschrauberflug über dem Talkessel im Jahr 1994 so einfach vorgestellt: Den Hauptbahnhof tieferlegen, mit den Grundstückserlösen die Bauarbeiten finanzieren, und der Landeshauptstadt ein neues Stadtviertel schenken.

Und 30 Jahre später ist die endlose Baustelle immer noch nicht fertig. Von Kostendeckung war schon zu Baustart nicht mehr die Rede, inzwischen sind die Kosten von 2,5 auf 11,5 Milliarden Euro explodiert. Stuttgart 21 hat Stadt und Land gespalten, dem CDU-Ministerpräsidenten Stefan Mappus – neben Fukushima – das Amt gekostet. Und ist zu einer nicht enden wollenden Geschichte von Pannen geworden.

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Dennoch, die Fertigstellung ist in Sicht, die architektonische, berg männische und bautechnische Leistung bemerkenswert – und wenn alles fertig ist, wird es eindrucksvoll aussehen. Die wichtigste Errungenschaft – die bereits läuft – ist ohnehin die Neubaustrecke nach Ulm.

Die Eröffnung darf nicht verpatzt werden

Nun aber droht, der digitale Bahnknoten den achtgleisigen Tiefbahnhof noch auszubremsen. Stuttgart 21 ist längst Stuttgart 25, und selbst das ist fraglich.

Selbst wenn mit Quietschen und Quetschen Dezember 2025 Züge einfahren können – dass die ETCS-Digitaltechnik bis dahin einsatzfähig ist, scheint unwahrscheinlich. Es droht eine Teileröffnung oder Chaos nach der Inbetriebnahme – das wäre ein Desaster und würde Stuttgart und „The Länd“ endgültig zur bundesweiten Lachnummer machen. Jetzt könnte man den alten Kopfbahnhof erst mal weiterbetreiben und Schritt für Schritt Züge mit digitaler Technik unten einfahren lassen.

Besser noch ein Jahr warten – und dann geplant starten

Das scheint allemal sinnvoller, als eine verpatzte Eröffnung zu riskieren. Ob die endlose Baustelle nun noch ein oder zwei lange länger dauert – die leidgeprüften Bahnfahrer werden das lieber ertragen, als das bei der Bahn inzwischen übliche Chaos noch zu potenzieren. Was letztlich den gesamten Fernverkehr bundesweit weiter ausbremsen könnte.

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Lieber ein absehbares Ende des Schreckens als ein Ende mit Schrecken – das könnte die Devise sein. Geordnet alles abwickeln – und ehrlich und offen kommunizieren statt Kosten- und Zeitverschiebungen in Salamitaktik scheibchenweise einzuräumen. Auch die Stuttgart-21-Gegner wissen, dass das Projekt eines Tages gebaute Realität sein wird, mit der man sich abfinden muss. Ihre Einwände – nicht zuletzt in der Schlichtung durch Heiner Geißler – waren wertvoll und haben das Projekt verbessert, etwa bei der Flughafenanbindung oder der „Wendlinger Kurve“. Stuttgart sehnt sich nach dem neuen Rosensteinquartier. Und die Bahnkunden endlich wieder nach Normalität.

Rafael Binkowski

Chefredakteur des Staatsanzeigers

0711 66601 - 293

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