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Radverkehr

Verkehrsminister Hermann und die Bedenken vor Ort

Geschwindigkeit ist keine Hexerei. Außer, wenn es ans Planen und Bauen geht. Diese Erfahrung macht Verkehrsminister Hermann nun schon seit neun Jahren. Damals plante er, bis 2025 zehn Radschnellwege zu bauen. Einer ist es geworden.

Verkehrsminister Hermann will seit 2016 mit einer Radstrategie auch Radschnellwege vorantreiben. Doch dies läuft schleppend.

IMAGO/Malte Ossowski/SVEN SIMON)

Stuttgart. Knapp 1,4 Millionen Radfahrer sind in den vergangenen sechs Jahren über den acht Kilometer langen Radschnellweg zwischen Böblingen/Sindelfingen und Stuttgart gerollt, dem ersten und bislang einzigen seiner Art in Baden-Württemberg. Jedenfalls wenn man die strenge Definition des Verkehrsministeriums zugrunde legt: Demnach muss so ein Weg mindestens fünf Kilometer messen.

Alle anderen Abschnitte sind deutlich kürzer, was ein wenig Wasser in den Wein des Ministers gießt, den manche auch Radminister nennen, wobei ihm der Begriff „Bewegungsminister“ besser gefällt. Winfried Hermann (Grüne) würde auch lieber zehn Radschnellwege vorzeigen können, so wie er sich das 2016 in seiner Radstrategie ausgemalt hat.

14 Jahre steht der Grüne nun an der Spitze des Verkehrsministeriums, und er hat in dieser Zeit einiges für sein Herzensthema erreicht. Überall im Land stehen Schilderbäume, die die Nah- und Fernziele sowie touristische Routen anzeigen. 800 Kilometer Radwege sind in den letzten zehn Jahren entstanden, „drei Mal rund um den Bodensee“, so Hermann am Mittwoch in Stuttgart.

Und doch geht es mit den Radschnellwegen, dem Premium-Produkt der Radstrategie des Landes, nur mühsam voran. Hier einmal zwei Kilometer, da wieder ein anderer, ähnlich kurzer Abschnitt. Es sind eher Demonstrationsobjekte als Verkehrsträger, die in Mannheim, im Filstal oder zwischen Böblingen und Ehningen zu bewundern sind.

In Esslingen wird seit Jahren über eine Trasse gestritten

Hermann weist darauf hin, dass Straßenprojekte noch länger dauerten und dass sich derzeit 23 Radschnellwege in der Plan- respektive Bauphase befänden. Gleichzeitig wundert er sich aber auch, warum das alles so lange dauert – und warum die Verantwortlichen vor Ort nicht schneller zu Potte kommen. In Esslingen etwa komme man seit Jahren nicht mit der Trassenplanung voran. Immer wieder habe das Ministerium Vorschläge gemacht und sei auf Bedenken gestoßen. Mal dürfe der neue Radschnellweg, der dereinst Reichenbach/Fils und Stuttgart verbinden soll, nicht durch eine verkehrsberuhigte Zone führen, dann habe man Sorgen, dass nicht mehr genügend Parkplätze übrig bleiben.

„Damit habe ich nicht gerechnet, dass man auf der einen Seite will, auf der anderen Seite so unbeweglich und so wenig mutig ist“, fasst Hermann seine Erfahrungen zusammen. Schließlich hätten die Betroffenen, ob Bürgermeister oder Landrat, ursprünglich begeistert geklungen und sogar eine gemeinsame Absichtserklärung unterzeichnet.

Und auf der anderen Seite seien da die Behörden, die darauf bestünden, dass so ein Weg mindestens vier Meter breit sei, sonst werde er nicht vom Bund gefördert.

Dennoch geht Hermann davon aus, dass seine Arbeit Früchte tragen wird – auch über seinen Abschied, den er für 2026 angekündigt hat, hinaus. „Wenn ich alle meine Ziele erreicht hätte, würde ich sagen, waren die Ziele unambitioniert“, sagt er. Doch er nehme schon heute für sich in Anspruch, das Radfahren vorangebracht zu haben. Längst seien andere Länder aufmerksam geworden, weil man im Südwesten der Republik das Thema grundsätzlich angehe. Man betreibe die Radwegebedarfsplanung wie andere ihre Planungen für den motorisierten Verkehr. Und auch bei der Umsetzung liege man nicht zurück. Andere Länder – etwa Nordrhein-Westfalen, wo sich der 115 Kilometer lange Ruhr-Radschnellweg noch weitgehend in der Planungsphase befinde – seien etwa gleichauf.

Erster Radschnellweg entstand auf einer ehemaligen Panzerstraße

Neidisch schaut Hermann in die Niederlande, wo alle Radschnellwege zusammengerechnet nicht 50, sondern 400 Kilometer messen. Dort habe es anfangs ähnliche Bedenken gegeben. Doch danach habe sich alles zum Guten gewendet.

Solche Entwicklungen wünscht sich Hermann auch für seine Heimat. Denn sein Ziel, den Anteil des Autoverkehrs spürbar zu senken, hat er immer noch nicht erreicht. Dazu wird es noch viele Radwege brauchen. Und viel Überzeugungsarbeit. Doch dass es nicht ganz so einfach würde wie zwischen Stuttgart und Böblingen, hat man ja gewusst. Die dortige Trasse musste man nicht mühsam durch alle Instanzen drücken. Sie gab es schon seit den 1930ern – ursprünglich fuhren Panzer darauf.

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Gesetz soll öffentlichen Nahverkehr und Radverkehr stärken | Staatsanzeiger BW

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