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Viele Menschen fühlen sich politisch nicht vertreten

Das Vielfaltsbarometer zeigt wachsende Skepsis in der Bevölkerung gegenüber Politik und gesellschaftlicher Vielfalt.
imago stock&people)Stut tgart. Die Zahlen sind erschreckend: 47 Prozent der Menschen in Baden-Württemberg fühlen sich in der Politik nicht angemessen repräsentiert. 55 Prozent der Menschen in Baden-Württemberg sind der Ansicht, dass man in Deutschland seine Meinung nicht mehr frei äußern dürfe. Gleichzeitig hat nur jeder Zweite Vertrauen in die Bundesregierung – nach der Landesregierung wurde nicht gefragt – und lediglich ein Viertel der Befragten glaubt, dass die Politik den Herausford erungen der Zukunft gewachsen ist.
D as sind Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage für das Vielfaltsbarometer der Robert-Bosch-Stiftung. Zugleich zeigen die Daten, dass Bürger gesellschaftlicher Vielfalt weniger offen gegenüber stehen als noch 2019, als das Vielfaltsbarometer erstmals aufgestellt wurde. Dabei handelt es sich um eine Befragung zum gesellschaftlichen Zusammenleben in Deutschland. Untersucht wurden die Einstellungen der Bevölkerung zu sieben Themenbereichen gesellschaftlicher Vielfalt: Lebensalter, Behinderung, Geschlecht, sexuelle Orientierung, sozioökonomische Schwäche, ethnische Herkunft und Religion.
Abgrenzung gegenüber anderen als vermeintlicher Schutz
„Viele Menschen fühlen sich aktuell verunsichert oder überfordert. Verlustängste führen dazu, dass Abgrenzung als vermeintlicher Schutz empfunden wird“, sagt Ottilie Bälz, Bereichsleiterin Globale Fragen bei der Robert Bosch Stiftung. Besonders deutlich wird das bei der Akzeptanz unterschiedlicher ethnischer Herkunft. Hier sank die Zustimmung von 74 Punkten im Jahr 2019 auf heute 58 in Baden-Württemberg. Auch bundesweit sank die Zustimmung um 17 Punkte. Die Bewertungsskala reicht von 0 Punkten und somit keiner Akzeptanz von Vielfalt bis zu 100 Punkten, die für die volle Akzeptanz stehen (siehe Grafik unten). Der deutliche Rückgang in diesem Bereich über alle Bundesländer hinweg sei besorgniserregend, heißt es in der Studie. Besonders hoch ist die Ablehnung in d en ostdeutschen Bundesländern.
Auch die Akzeptanz gegenüber Religion ist weiter zurückgegangen. Hier liegt die Zustimmung in Baden-Württemberg nur noch bei 35 Punkten. Wobei weitere Nachfragen zeigten, dass die Ablehnung besonders Muslime trifft. Religiöse Christen und Juden erfahren weniger Zurückweisung. Ebenfalls deutlich rückläufig ist die Akzeptanz von sozioökonomischer Schwäche. Hintergrund dafür ist vor allem die schwierige wirtschaftliche Situation, verstärkte Zuwanderung und der steigende Druck auf die Sozialsysteme. Die Empathie gegenüber Menschen, die Sozialleistungen in Anspruch nehmen müssen, sinkt.
Doch die Zustimmung zu gesellschaftlicher Vielfalt ist nicht in allen Bereichen rückläufig. Die Akzeptanz bei Behinderung (82 Punkte) und dem Alter (69 Punkte) ist nahezu unverändert zu 2019. Gestiegen ist die Zustimmung zu Geschlecht und Geschlechtergerechtigkeit von Frauen und Männern. Wohingegen die Akzeptanz für Vielfalt bei der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität gesunken ist. Das gesellschaftliche Klima mit Blick auf queere Menschen habe sich zuletzt verschlechtert, so ein weiteres Ergebnis der Studie.
Südwesten liegt im unteren Mittelfeld
„Die Positionen zwischen Bürgerinnen und Bürgern sind zunehmend verhärtet, der Raum für Verständigung wird kleiner“, fasst Bernhard Straub, der Geschäftsführer der Robert-Bosch-Stiftung, die Ergebnisse zusammen. Die Robert Bosch Stiftung fördert deshalb allein in diesem Jahr mit elf Millionen Euro Projekte, die das Vertrauen in demokratische Institutionen stärken, politische Teilhabe ermöglichen und gesellschaftliche Polarisierung überwinden. Dabei werden auch niederschwellig Räume für Begegnung und Austausch geschaffen. Denn die Studie hat auch gezeigt: Wer Menschen in anderen Lebenssituationen und mit anderem Hintergrund persönlich kennt und versteht, ist offener für Vielfalt in der Gesellschaft.
Baden-Württemberg liegt bei der Akzeptanz von Vielfalt in der Gesellschaft nur noch im unteren Mittelfeld, auf Platz 13 der Bundesländer. Die höchsten Akzeptanzwerte zeigten die Bürger in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, die niedrigsten wurden in Thüringen, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern verzeichnet.
Das Vielfaltsbarometer 2025 | Robert Bosch Stiftung
Das Vielfaltsbarometer
Das Vielfaltsbarometer der Robert Bosch Stiftung ist eine repräsentative Befragung zum gesellschaftlichen Zusammenleben in Deutschland. Es misst Einstellungen zu sieben Dimensionen von Vielfalt: Lebensalter, Behinderung, Geschlecht, sexuelle Orientierung, sozioökonomische Schwäche, ethnische Herkunft und Religion. Für die Ausgabe von 2025 wurden vom 2. Mai bis zum 3. Juni dieses Jahres 4761 deutschsprachige Personen ab 16 Jahren online befragt, darunter 518 Personen in Baden-Württemberg. Die Studie wurde vom wissenschaftlichen Team der Constructor University Bremen im Auftrag der Robert Bosch Stiftung konzipiert und ausgewertet.