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Essay

Warum Hans Thoma nicht als Namensgeber taugt

Die Umbenennung des Hans-Thoma-Kunstpreises ist richtig, weil der Maler aus dem Schwarzwald, der von 1839 bis 1924 lebte, ein überzeugter Antisemit war. Diese Auffassung vertritt Marcel van Eeden, Hans-Thoma-Preisträger von 2023, und belegt Thomas Einstellung anhand von zeitgenössischen Quellen.

Hans Thoma, Selbstbildnis vor Birkenwald, 1899.

dpa/akg-images)

Im Februar hat das Land den seit 1950 verliehenen Hans-Thoma-Kunstpreis in „Landespreis für Bildende Kunst Baden-Württemberg“ umbenannt, weil der Namensgeber, der Maler Hans Thoma (1839–1924), sich antisemitisch geäußert hatte. Die Debatte losgetreten hatte der Preisträger von 2023, Marcel van Eeden. Hier begründet der niederländische Künstler, der in Zürich und Den Haag lebt, seine Kritik.

Hans Thoma reiste 1898 in meine Heimat Niederlande. Sein Ziel war die große Rembrandt-Ausstellung in Amsterdam. Aus ganz Europa reisten Interessierte an. In Frankreich war Rembrandt schon lange berühmt, aber in Deutschland war er einer von vielen niederländischen Malern des Goldenen Zeitalters. Erst nach 1890 wurde er auch in Deutschland allgemein als das große Genie angesehen.

Das lag vor allem an dem Buch „Rembrandt als Erzieher“, das in jenem Jahr erschienen und ein großer Erfolg war. Der Autor war der völkisch-nationalistische Antisemit Julius Langbehn. In dem Buch ging es nicht wirklich um Rembrandt und seine Kunst, sondern hauptsächlich um die Idealisierung Deutschlands und der Deutschen. Ich wusste, dass Langbehn in den zehn Jahren zuvor immer wieder Thoma in seinem Atelier besucht hatte. Was für eine Art von Freundschaft war das und welche Rolle spielte Langbehns Buch auf Thomas Reise in die Niederlande?

Etwa zur gleichen Zeit entdeckte ich die vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg in Auftrag gegebene Studie von Professor Frank Engehausen. In dem Buch stieß ich auf einen interessanten Beitrag von Simon Metz, in dem er über einen Brief von Thoma an Cosima Wagner schreibt, der antisemitische Aussagen enthielt („Fast will es mir auch scheinen, daß der Antisemitismus, so stark er überall verbreitet ist, schon zu spät kommt, um wirksam zu sein. Damals als der Meister sein ,Judentum in der Musik‘ geschrieben hat, wäre schon noch was möglich gewesen, wenn die Deutschen nicht dumm mit offenen Mäulern dagestanden hätten und nicht weiter denken konnten: Was kann es denn schaden, wenn die Juden Musik machen? Ja, ja, sie machen jetzt Musik, daß die ganze Welt danach tanzt.“ Hans Thoma, Briefe an Frauen, 25. Juli 1905, S. 176.).

All dies gab meiner Serie über die Reise in die Niederlande eine neue Richtung. Dr. Leonie Beiersdorf, die Kuratorin der Kunsthalle Karlsruhe, half mir dann, unveröffentlichte Korrespondenz zwischen Thoma und Langbehn zu finden. Auch dort fanden sich antisemitische Äußerungen von Thoma. Für mich gab es danach nur zwei Optionen: den Preis abzulehnen oder meine Nachforschungen zu intensivieren.

Hans Thoma war mit Cosima Wagner und ihrem Kreis befreundet: Houston Stewart Chamberlain, Henry Thode, Otto Eiser und Eduard Küchler zum Beispiel. Zusammen mit den guten Kontakten zu Julius Langbehn, Momme Nissen, Joseph Beringer, Adolf Bühler und Friedrich Seeßelberg könnte man sagen, dass er, vielleicht aus Opportunismus, sich an den Wurzelpunkten aufhielt, aus denen das Böse später zu ungeahnten Ausmaßen wuchs.

Thoma mag ein Kind seiner Zeit gewesen sein, und aus unserer Perspektive ist es leicht zu urteilen, aber er war dabei, genau dort, und das kann man nicht von jedem behaupten. Natürlich ist er nicht direkt für das verantwortlich, was später geschah, aber es war auch gar nicht nötig, sich dort aufzuhalten, denn einer seiner wichtigsten Förderer war der Großherzog Friedrich I. von Baden, der für seinen Liberalismus und sogar seinen Anti-Antisemitismus bekannt war. Warum hat sich Thoma nie für die Ideale des Großherzogs eingesetzt? Fast alle fragwürdigen Äußerungen Thomas stehen in Briefen und wurden privat getätigt, nie hat er sich öffentlich antisemitisch geäußert. Wir verstehen, warum.

Noch nie hat ein Werk von mir so lange nachgehallt. Normalerweise gab es eine Eröffnung, eine Rezension vielleicht in einer Zeitung, und das war’s. Jetzt war es anders. Anfangs war es sicher nicht meine Absicht, aber das Projekt führte zu mehr als hundert Beiträgen in Zeitungen und im Radio und Fernsehen, vielen wütenden E-Mails, (Leser-) Briefen und sogar ganze Studien von Thoma-Bewunderern. Kunst ist also nicht immer machtlos und reine Dekoration. Sie kann auch etwas in der Welt bedeuten, das Bewusstsein schärfen und davor warnen, dass wir nicht naiv sein sollten und sich die Geschichte manchmal wiederholt.

Marcel van Eeden

Der Preisträger von 2023, Marcel van Eeden, der den Anstoß für die Debatte gegeben hat. Foto: Lukas Giesler

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