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Essay

Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass

Claus Weselsky mag ein anstrengender Zeitgenosse sein, doch die Probleme bei der Bahn hat er nicht verursacht. Eine  Antwort könnte darin bestehen, ihre Beschäftigten wieder zu verbeamten. Darüber macht sich Michael Schwarz Gedanken.

Claus Weselsky, Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, verhandelt seit dieser Woche wieder mit der Bahn.

dpa/Carsten Koall)

Kai Rosenberger, Vorsitzender des Beamtenbunds Baden-Württemberg, ist eigentlich ein umgänglicher Zeitgenosse. Trotzdem setzt er sich neuerdings andauernd in die Nesseln. Erst neulich hat er die Polizisten gegen sich aufgebracht, weil sie bei der Übertragung des Tarifergebnisses auf die Beamten schlechter als die Gymnasiallehrer fahren sollten, was ja nun nicht passiert, nachdem die Polizeigewerkschaften ordentlich Druck gemacht haben.

Anschließend gestand er anlässlich eines Besuchs des Chefs der Lokführergewerkschaft in Stuttgart, dass er Claus Weselsky mag. Ausgerechnet Weselsky, den wohl meistgehassten Gewerkschafter der Republik, den derzeit nur noch Politiker verteidigen, die sich weit links vom Beamtenbund verorten – Bodo Ramelow zum Beispiel, der linke Ministerpräsident von Thüringen. Im Interview mit dem „Spiegel“ machte Ramelow deutlich, dass ihn nicht nur das Parteibuch – Weselsky gehört der CDU an – über lange Zeit vom Gewerkschafter trennte. Je länger er sich jedoch mit den Arbeitsbedingungen der Lokführer und mit der Verhandlungsstrategie der Bahn beschäftigte, desto mehr sei seine Sympathie für den obersten Lokführer gewachsen.

Weselsky ist, und das ist durchaus pikant, auch stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Beamtenbunds, also einer Organisation, deren Mitglieder mehrheitlich nicht streiken dürfen. Und die weit mehr als die derzeit zur Debatte stehenden 35 bis 36 Stunden arbeiten. Kein Wunder, dass nicht alle Beamten die Sicht von Kai Rosenberger teilen.

Nun lassen sich Wochenarbeitszeiten nicht so ohne Weiteres vergleichen. Es macht schon einen Unterschied, ob einer Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr arbeitet oder jeden Tag der Woche zu jeder beliebigen Stunde, wie das die Schichtpläne der Lokführer vorsehen, die natürlich auch Freizeitausgleich enthalten.

Trotzdem dürfte auch Rosenberger stutzen, wenn er sieht, wo die Lokführer heute stehen und wie Weselsky das erreicht hat. Nämlich unter Ausnützung aller Mittel, die ihm die im Grundgesetz verbriefte Tarifautonomie bietet. Es sind diese Konsequenz und Unerschrockenheit, die erschrecken, aber auch beeindrucken. Da ist einer, der steht und sagt: Ich kann nicht anders. Damit bietet Weseslky Angriffsfläche: Nicht ganz zu Unrecht werfen ihm der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann ebenso wie der CDU-Landes- und Fraktionschef Manuel Hagel vor, den Bogen zu überspannen.

Rosenberger hat nicht nur ein Faible für Weselsky. Er hat auch eine Idee, wie alle zukünftigen Warn-, Wellen- und Erzwingungsstreiks abgewendet werden könnten. Die Lokführer müssten nur Beamte sein. Wie früher, als die Deutsche Bahn AG noch Bundesbahn hießt. Damals gab es zwar keine 35-Stunden-Woche, aber zum Beispiel eine Sitzreserve, die einsprang, wenn ein Lokführer ausfiel. Und es gab noch mehr Mechanismen, die garantierten, dass der Slogan „Alle Wetter, die Bahn“ kein leeres Versprechen war.

Beamte, und das findet Rosenberger richtig, müssen gewisse Einschränkungen akzeptieren. Deshalb verteidigt er auch die Urteile, zuletzt des Menschengerichtshofs in Straßburg, der diesen deutschen Sonderweg für Rechtens erklärt haben. Beamte stehen in einem besonderen Dienst- und Treueverhältnis: Der Staat hat für sie zu sorgen, dafür haben sie sich politisch zu mäßigen und dürfen sie nicht streiken.

Das ist im Übrigen derselbe Staat, der unter einem CDU-Kanzler und einer CDU-Kanzlerin erst die Bahn privatisierte und dann an die Börse führen wollte – mit freundlicher Unterstützung hoch bezahlter Manager wie Hartmut Mehdorn, die vielleicht von Zahlen, nicht aber von der Eisenbahn eine Ahnung hatten. Inzwischen macht die Deutsche Bahn AG mehr Miese als die Bundesbahn – und produziert dabei ein Vielfaches an Verspätungen.

Manchmal im Leben muss man sich eingestehen, dass man sich verrannt hat. Oder zumindest die Suppe auslöffeln, die man sich selber eingebrockt hat. Was aber nicht geht ist, bei jedem Lokführerstreik gleich nach neuen Gesetzen oder dem Kanzler zu rufen. Tarifautonomie ist ein hohes Gut, der Beamtenstatus ist es auch.

Es ist an der Politik zu entscheiden, was sie will. Unanständig ist es dagegen, erst die Lokführer zu Angestellten zu machen und dann zu schreien, wenn sie ihre Rechte in Anspruch nehmen. Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nicht nass – nein, so kann, so darf eine verantwortliche Politik nicht aussehen.

Michael Schwarz

Redakteur Politik und Verwaltung

0711 66601-599

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