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Kommentar zum Streitgespräch

Welche Lehren folgen aus Palmers Debatte mit der AfD?

Kann man Populisten entzaubern, indem man Fakten und Argumente entgegen hält? In Tübingen ist dies Boris Palmer nur teilweise gelungen, auch weil der Rahmen schwierig war. Doch man muss sich mit der AfD auseinandersetzen – und bessere Politik machen. Eine Analyse von Rafael Binkowski.
Mann in Anzug hebt Hand, vor einem Tablet sitzend.

Boris Palmer hat in Tübingen versucht, die Argumente der AfD zu entkräften.

dpa/Markus Ulmer)

Tübingen. Das Streitgespräch in Tübingen zwischen dem OB Boris Palmer und dem AfD-Landeschef Markus Frohnmaier zeigt exemplarisch, wie schwierig es inzwischen geworden ist, eine lagerübergreifende Debatte zu führen. Fast 45 Minuten lang wurde nur geschrien, es gab Demonstrationen und ein massives Polizeiaufgebot. Nebenbei bemerkt: Die Störungen durch Skandierer waren ein Geschenk an die Rechtspartei, die sich wieder einmal als Märtyrer feiern konnte. Keine gute Idee.

Mehr zur Veranstaltung lesen Sie hier.

Kann man Populisten mit Fakten und Zahlen in einer Debatte entzaubern? Das war der Anspruch. Nun waren das starre Format und die steife, professorale Moderation nicht dazu angetan, ein Streitgespräch zu entfachen. Tatsächlich gelang es Boris Palmer, viele Narrative zu entkräften. Mit Verweis auf konkrete Tübinger Zahlen von Flüchtlingen mit unterschiedlichen Aufnahmetiteln brach er die proklamierte „Masseneinwanderung“ geschickt auf die kommunale Realität herunter.

Fakten und Argumente prallen an Frohnmaier ab

Auch real niedrigere Zahlen der Kriminalitätsstatistik als Gegenpol zum gefühlten Anstieg sind ein probates Mittel. Wann hat Boris Palmer zuletzt so klar Stellung gegen Rechtspopulisten bezogen? Allerdings prallten manche Argumente schlicht daran ab, dass Frohnmaier sie einfach negierte und das Gegenteil behauptete. So blieben seine Erzählungen oft im Raum stehen.

Störungen bei der Diskussion in Tübingen

Und man muss dem AfD-Landeschef zugestehen, dass er sich klarer als früher von radikalen Äußerungen einzelner Parteimitglieder abgrenzte. Seine Strategie, als bessere CDU der 90er-Jahre daher zu kommen, bietet weniger Angriffsflächen. Dass Alice Weidel dennoch den in rechten Kreisen rassistisch konnotierten Kampfbegriff „Remigration“ verwendet und auf dem Parteitag von „Windmühlen der Schande“ spricht, zeigt die Ambivalenz der AfD: rechts abbiegen, zur Mitte blinken.

Die AfD zu ignorieren, macht sie nur stärker

Ja, es war eine teils chaotische Veranstaltung, in der vieles offen blieb und nur angerissen wurde. Ja, man hat der AfD eine Bühne geboten für ihre Angstparolen und teils schlicht Falschbehauptungen. Aber gibt es dazu wirklich eine Alternative, als mit der Partei zu diskutieren? Sie hat im Osten bis zu 40 Prozent der Stimmen, im Südwesten immerhin rund 20 Prozent.

Sich auseinander zu setzen, zu widersprechen und den Argumenten eigene entgegen zu setzen, nur so können die Wähler zurück in die bürgerliche Mitte geholt werden. Die AfD zu beschimpfen und nicht in Talkshows einzuladen, war bislang wenig erfolgreich. Sie auszugrenzen, führt zur Solidarisierung. Daher gilt es: Diskutieren und argumentieren, und gleichzeitig mit besserer Politik die Probleme im Land lösen. Solange viele Bürger das Gefühl haben, der Staat funktioniere nicht mehr, hilft keine noch so prägnante Debatte.

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