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Buchvorstellung in Stuttgart

Wenn Boris Palmer Puls bekommt und Lisa Federle Kinder rettet

Der Tübinger OB Boris Palmer und die Ärztin Lisa Federle haben ein Buch geschrieben „Wir machen das jetzt“. Bei den Vorstellungsrunden durfte nach dem Grünen Cem Özdemir jetzt CDU-Chef Manuel Hagel moderieren. Ein unterhaltsamer Abend, aber auch mit Tiefgang.

CDU-Landeschef Manuel Hagel moderiert die Lesung von Lisa Federle (Mitte) und dem Tübinger OB Boris Palmer (rechts).

Achim Zweygarth)

Stuttgart . Um den Tübinger Oberbürgermeister in der Stuttgarter Liederhalle vorzustellen, sagt der CDU-Landeschef Manuel Hagel nur: „Boris Palmer … ist eben Boris Palmer.“ Und liest einen Kommentar seiner Instagram-Story vor, wonach der Rathauschef kürzlich am helllichten Tag einen Studenten kontrollieren wollte und durch die ganze Stadt verfolgt habe. „Urban Legend“, schmunzelt Palmer, wobei er tatsächlich einmal einem Studenten den Ausweis kontrollieren wollte.

Aber man würde auch die andere Geschichte unbesehen glauben. Palmer und Lisa Federle jedenfalls haben während der Corona-Pandemie pragmatische Lösungen gefunden, oft jenseits der bürokratischen Vorgaben. Das hat sie inspiriert, dieses Prinzip auf die Meta-Ebene zu hieven. Oder um es mit Hagel zu sagen: „Ein wenig mehr Boris Palmer täte der Landesregierung gut.“ Wirbt da jemand um eine Parteimitgliedschaft des 53-Jährigen, der 2024 bei den Grünen ausgetreten ist? Federle ist CDU-Mitglied, und die Medizinerin ruft Hagel daher auch schon mal zum „nächsten Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg“ aus. Doch Palmer hält sich da raus: „Das ist eure Sache, ich bin nicht in eurem Verein.“

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Boris Palmer schimpft über bürokratischen Wahnsinn

Nun aber: Natürlich hat der Tübinger OB jede Menge bürokratische Absurditäten in dem Buch beschrieben. „Die überflüssigste Behörde ist für mich das Landesamt zur Überprüfung der Barrierefreiheit von städtischen Websites“, erzählt er. Die hätten 158 Fehler auf den Tübinger Seiten gefunden. „Kann man das nicht den Tübingern überlassen?“, fragt der Sohn des „Remstalrebellen“ Helmut Palmer unter Applaus.

Und spricht Hagel direkt an, der bekanntlich nach Winfried Kretschmann schon jetzt einer der mächtigsten Landespolitiker ist. „Das verschieben wir auf später, bevor Boris Palmer Puls bekommt“, lächelt der 37-Jährige Ehinger das Thema weg, „und glauben Sie mir, das ist in unser aller Sinne.“ Dann erzählt er selbst die Geschichte, dass ein Buchstabe auf den Etiketten der Flaschen einer Schwäbisch-Gmünder Gin-Brauerei um 0,07 Millimeter zu klein waren, was das Landratsamt festgestellt habe. Palmer kann aber noch toppen.

Ein Vogel verhindert die Klinik-Erweiterung

Das Universitätsklinikum in Tübingen könne sich nicht erweitern, weil der Ziegenmelker, ein drosselartiger Vogel, auf dem Dach gesichtet worden sei. Allerdings zuletzt 2023. „Wir hätten 10 Hektar Wald fällen müssen, um ein Habitat für diesen Offenlandvogel zu schaffen“, sagt Palmer. Und an anderer Stelle 10 Hektar Wald aufforsten.

Gelöst wurde das Thema in der ZDF-Talkshow Markus Lanz: dort erzählte er die Geschichte, und die neue Bauministerin Verena Hubertz (SPD) fand eine Lösung: Dem Ziegenmeller wurde ein „amtlicher Totenschein“ ausgestellt, jetzt kann das Krankenhaus bauen.

Aber es gibt auch Geschichten, die berühren. Wenn Lisa Federle ihr Erlebnis mit dem kleinen Jungen Yassin erzählt, den sie als Notärztin kennen gelernt habe. Der Vater desinteressiert vor dem Fernseher, bildungsfern, der Sohn vernachlässigt.

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Lisa Federle hilft konkrete vernachlässigten Kindern

Später traf sie ihn am Tübinger Bahnhof, wie er mit Betrunkenen und Drogenabhängigen abhing. „Ich hatte einen Impuls, ihn anzusprechen“, erzählt sie. Eigentlich war er gut in Judo, doch der Vater hielt das für „überflüssig“. Spontan organisierte Federle über den mit Jan Josef Liefers, Michael Antwerpes und Raimund Weible gegründeten Verein „Bewegt euch“ eine Judokurs inklusive Kleidung.

„Ein Jahr später bekam ich einen Brief, in dem er mir von seinen sportlichen Erfolgen erzählt hat, und eine Kopie des Zeugnisses mit guten Noten beilag“, sagt Federle. Der Saal ist gerührt, ihr Fazit: „Manchmal kann Migrationspolitik im Kleinen beginnen.“So lernt man einiges. Manuel Hagel moderiert locker durch, hat aber am Ende sein Geschenk vergessen; Er wollte Palmer ein Schwarzkelchen schenken, um die Liebe zu Vögeln zu reaktivieren. Glück für das Tier, den Palmer sagt: „Ich habe Katzen zu Hause.“ Vielleicht der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

Über die Autoren des Buchs

Lisa Federle, Jahrgang 1961, ist leitende Notärztin in Tübingen. Bekannt wurde sie durch ihre „rollende Arztpraxis“ zur Versorgung von Geflüchteten und Obdachlosen sowie ihr Engagement während der Pandemie. Boris Palmer, geboren 1972, ist seit 2007 Oberbürgermeister von Tübingen. Zuvor war er Landtagsabgeordneter der Grünen, trat jedoch 2023 aus der Partei aus. Das Buch entstand aus den gemeinsamen Erfahrungen während der Corona-Pandemie.

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