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Fachkräftemangel

Mitarbeiterabwerbung: Regeln und Grenzen beachten

Angesichts der fortbestehenden Engpässe auf dem Arbeitsmarkt bei bestimmten Berufsgruppen ist es für viele Arbeitgeber naheliegend, passende Fachkräfte von anderen Betrieben abzuwerben. Das ist grundsätzlich zulässig. Dabei unlautere Methoden einzusetzen ist jedoch gesetzlich untersagt. Die Abwerbung der eigenen Mitarbeiter können Arbeitgeber in gewissem Maße ebenfalls erschweren oder eindämmen.

Wer bei anderen Unternehmen versucht Fachkräfte für das eigene Unternehmen zu angeln, muss bestimmte gesetzliche Regelungen beachten.

Laura Hoß/Adobe Stock/garts)

Ehrenkirchen. „Klar, auch in unserer Branche werden Mitarbeiter aktiv abgeworben“, berichtet Birgit Kaiser, Chefin der Bäckerei Kaiser mit Sitz in Ehrenkirchen , die in ganz Südbaden rund 500 Menschen beschäftigt. Der Satz bringt auf den Punkt, was viele Betriebe im Land erleben: Der Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte wird härter.

„Der Fachkräftemangel bleibt über Branchengrenzen hinweg das am häufigsten genannte Problem, wenn es ums Thema Personal geht“, sagt Michael Oberfichtner vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Laut einer aktuellen Studie der Nürnberger Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeitbezweifeln zwei von drei Betrieben, dass sie in Zukunft ausreichend qualifizierte Arbeitskräfte gewinnen können. Im Baugewerbe sind diese Sorgen besonders stark ausgeprägt. Nur ein Viertel der Unternehmen rechnet hier nicht mit Problemen.

Daher bleibt auch das Abwerben von Personal ein Mittel der Wahl für viele Arbeitgeber. Doch was ist dabei erlaubt? Und wie kann man sich als Unternehmen vor ungewollter Personalabwanderung schützen? „Das Abwerben von Mitarbeitern ist grundsätzlich zulässig, der Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter ist erlaubt und grundsätzlich auch erwünscht“, erklärt dazu der Mainzer Rechtsanwalt Niklas Plutte. Arbeitgeber dürfen gezielt Beschäftigte anderer Unternehmen ansprechen und ihnen neue Perspektiven anbieten – allerdings mit Einschränkungen.

Abwerbung ganzer Teams oder von Schlüsselpersonen unzulässig

Maßgeblich dafür, wo die Grenze verläuft, ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Demnach ist das gezielte und wiederholte Abwerben ganzer Teams oder Schlüsselpersonen mit dem Ziel, einen Mitbewerber zu schwächen oder dessen betriebliche Abläufe zu stören, unzulässig. Auch unfaire Mittel wie die Verleitung zum Vertragsbruch oder die aggressive Einflussnahme auf noch laufende Arbeitsverhältnisse können Abwerbeversuche rechtswidrig machen.

„Unlauter ist die Abwerbung insbesondere, wenn sie durch Verleitung zum Vertragsbruch oder durch Ausnutzung von Betriebsinterna erfolgt oder wenn sie mit verwerflichen Mitteln vorgenommen wird“, sagt Klaus Maier, Fachanwalt für Arbeits- und Insolvenzrecht aus Villingen-Schwenningen. Besonders kritisch wird es, wenn Mitarbeiter während der Arbeitszeit oder über interne Kanäle kontaktiert werden. Zulässig ist es, außerhalb des Betriebsumfelds und mit der nötigen Diskretion vorzugehen – etwa über soziale Netzwerke oder persönliche Empfehlungen.

Gute Mitarbeiterbindung erschwert Abwerbung

Die Art und Weise der Ansprache ist ein entscheidender Faktor. Professionelle und rechtlich zulässige Abwerbung läuft nicht mit Tricks und Täuschung, sondern durch gezielte, faire Angebote. Wer mit Wertschätzung, Entwicklungsperspektiven und einem stimmigen Gesamtpaket antritt, hat die besseren Karten – nicht nur rechtlich, sondern auch menschlich.

Die Kehrseite des Themas ist ebenso wichtig: Wie kann man verhindern, dass eigene Mitarbeiter abgeworben werden? Die beste Verteidigung ist eine gute Bindung. Wer seine Beschäftigten ernst nimmt, auf ihre Bedürfnisse eingeht und Entwicklungsmöglichkeiten bietet, reduziert die Wechselbereitschaft deutlich. Loyalität entsteht dort, wo Wertschätzung und Mitgestaltung im Alltag spürbar sind.

Schadenersatzansprüche bei wirtschaftlichem Schaden möglich

Auch vertraglich lassen sich gewisse Schutzmechanismen einbauen. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote sind möglich, doch sie müssen sorgsam formuliert werden. Sonst können sie sich als unwirksam erweisen.

Wird ein Mitarbeiter abgeworben, sei es für den bisherigen Arbeitgeber oft schwer, einen unlauteren Wettbewerbsverstoß nachzuweisen, meint Plutte. Gelingt dies jedoch, etwa durch E-Mailverkehr, Zeugenaussagen oder andere Belege, stehe dem Arbeitgeber gegen das abwerbende Unternehmen ein Anspruch auf Unterlassung zu mit dem Ziel, künftige vergleichbare Abwerbeversuche zu unterbinden.

Darüber hinaus seien unter bestimmten Voraussetzungen auch Schadensersatzansprüche denkbar, etwa nach Paragraf 9 UWG oder dem Pargrafen 823 BGB , wenn dem Unternehmen ein wirtschaftlicher Schaden durch das unzulässige Vorgehen des Konkurrenten entstanden ist, so Plutte. In gravierenden Fällen, etwa bei der Weitergabe sensibler Informationen, kann der bisherige Arbeitgeber unter Umständen sogar ein vorläufiges Beschäftigungsverbot für den betroffenen Mitarbeitenden während der Kündigungsfrist durchsetzen.

Enge Grenzen für ein Wettbewerbsverbot

Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot kann Arbeitgeber vor Know-how-Abfluss schützen, ist aber an enge gesetzliche Vorgaben gebunden. Entscheidend ist Paragraf 74 HGB . Das Verbot muss schriftlich vereinbart werden, darf maximal zwei Jahre gelten und setzt eine Entschädigung währen der Karenzzeit voraus – mindestens 50 Prozent des zuletzt bezogenen Entgelts. Fehlt diese Entschädigung oder ist das Verbot zu weit gefasst, ist es unwirksam.

Merkblatt zum Umgang mit Abwerbungen

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