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Interview

IHK-Chefin Susanne Herre: „Die Attraktivität des US-Markts ist ungebrochen“

„We believe in the US market“ – das sei das klare Bekenntnis all ihrer Gesprächspartnerinnen und -partner gewesen, sagt Susanne Herre. Die Hauptgeschäftsführerin der IHK Region Stuttgart ist auf Delegationsreise in den USA – ein starker Wachstumsmarkt – mit großem Potenzial für Innovation, Forschung und Entwicklung, sagt sie. Die Präsenz vor Ort sei für deutsche Unternehmen entscheidend.

Mitten in den Verhandlungen der USA mit der EU zu Zöllen ist Susanne Herre von der IHK-Stuttgart (l.) in Washington.

Marion Meakem)

Staatsanzeiger: Wie ist die Stimmung deutscher Unternehmen vor Ort?

Susanne Herre: Die ist durch die aktuelle US-Handelspolitik deutlich getrübt. Der Zickzack-Kurs bei Zöllen und die Sorge vor Gegenreaktionen, auch seitens der EU, waren in allen Gesprächen spürbar. Hinzu kommt: Die Migrationspolitik verschärft das ohnehin große Fachkräfteproblem.

Wie stark ist der Trend, dass Unternehmen aus Baden-Württemberg in die USA investieren und Produktionskapazitäten verlagern?

Diesen Trend kann ich aus meinen Gesprächen in Deutschland ebenso wenig bestätigen wie aus meinen Gesprächen mit Unternehmensvertretern in den USA. Viele Firmen zeigen sich derzeit abwartend wegen der US-Handelspolitik unter Donald Trump. Die teils widersprüchlichen Signale aus Washington schaffen keine verlässliche Planungsgrundlage. Genau diese Verlässlichkeit ist die Basis für Investitionsentscheidungen, die immer langfristig getroffen werden.

Aber das Interesse, in den USA zu investieren, besteht weiterhin, oder?

Ja, die Attraktivität des US-Markts ist ungebrochen: Er wird weiterhin als innovativer Wachstumsmarkt wahrgenommen. Für Unternehmen, die den US-Markt gezielt beliefern möchten, sind Produktionsstandorte vor Ort interessant – vor allem, um lange Lieferzeiten zu vermeiden, die in den USA nicht akzeptiert werden.

Was sind die Motive, in die USA zu gehen?

Zu den Hauptmotiven zählen vor allem die exzellenten Innovations- und Forschungsbedingungen in den USA. Für unsere Unternehmen ist der direkte Zugang zu einem bedeutenden Absatzmarkt sehr wertvoll. Zudem lassen sich so die Lieferketten zu den US-Kunden verkürzen. Viele Unternehmen haben das strategische Ziel, sich unabhängiger von weltwirtschaftlichen Unsicherheiten, wie etwa der aktuellen US-Zollpolitik, aufzustellen.

Wie attraktiv sind die Rahmenbedingungen für deutsche Unternehmen?

Der US-Markt überzeugt durch mehrere Standortvorteile: niedrige Energiepreise, schnelle Genehmigungsverfahren und attraktive Förderprogramme auf Ebene einzelner Bundesstaaten. Besonders hervorgehoben wird das hohe Innovationspotenzial. Die US-Offensive im Bereich Künstliche Intelligenz wurde mir mehrfach als positives Beispiel genannt.

Wie schätzen deutsche Unternehmen ihre wirtschaftlichen Chancen in den USA ein?

Sehr positiv. In nahezu allen Gesprächen habe ich ein klares Bekenntnis gehört: „We believe in the US market.“ Viele Unternehmen denken sogar über eine Erweiterung ihrer Aktivitäten nach. Das Vertrauen in die Wachstumsperspektiven ist hoch.

Wie wettbewerbsfähig ist der Standort Deutschland im Vergleich zu den USA?

Ein Standortvorteil Deutschlands ist unser hervorragend qualifiziertes Fachpersonal. Das wurde in allen Gesprächen bestätigt. Besonders die duale Ausbildung ist ein Alleinstellungsmerkmal, das unseren Mittelstand stärkt. Viele deutsche Unternehmen in den USA versuchen daher, duale Ausbildungsmodelle vor Ort zu implementieren. Ein Versuch, dem teils schwachen US-Fachkräftemarkt zu begegnen. Auch unsere hohen Qualitätsstandards – Stichwort „Made in Germany“ – genießen nach wie vor großes Ansehen.

Können wir in Deutschland von den USA lernen?

Ja, unbedingt. Zwei Punkte werden immer wieder genannt: Die Förderung von Innovationen durch ein agiles Umfeld und der Abbau von Bürokratie. Beides schafft Geschwindigkeit und Handlungsspielräume. Also Faktoren, die Investitionen begünstigen.

Und was können wir in Deutschland tun, um umgekehrt mehr US-Direktinvestitionen anzuziehen?

Zunächst ist fraglich, wie groß das Potenzial für US-Investitionen tatsächlich ist. Dennoch ist klar: Wir müssen unser Bildungsniveau hochhalten. Gerade im Zukunftsfeld der Künstlichen Intelligenz. Dabei gilt: Regulierung darf nicht vor Innovation kommen. Der AI Act der EU zeigt, dass wir da noch besser werden können. Wir brauchen eine gezielte Deregulierung, um international konkurrenzfähig zu bleiben.

Das Gespräch führte Wolfgang Leja

Zur Person: IHK-Chefin Susanne Herre

Susanne Herre (56) ist seit November 2022 Hauptgeschäftsführerin der IHK Region Stuttgart. Die promovierte Volljuristin hat einen Fokus darauf, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Unternehmen zu stärken. Herre versteht die Aufgabe der Kammer als aktiver Partner der exportorientierten Wirtschaft. Die gebürtige Stuttgarterin engagiert sich als Vorsitzende des Universitätsrats Hohenheim und im Aufsichtsrat der Bürgschaftsbank Baden-Württemberg.

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