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Perowskit statt Silizium

Ein Stuttgarter Start-up will den Solarmarkt umkrempeln

Weil sie billiger und besser verfügbar sind als Silizium, gelten Perowskite als Hoffnungsträger für Solarzellen der nächsten Generation. Zwei Forscher der Uni Stuttgart haben nun ein Start-up gegründet, um das neue Material auf den Markt zu bringen.
Zwei Männer arbeiten an einem Gerät in einem Labor.

Perosol-Chef Claudiu Mortan (rechts) und der künftige erste Mitarbeiter des Start-ups, Hussain Darwish, am Drucker, mit dem im Institut für Photovoltaik Solarzellen aus Perowskit zu Forschungszwecken hergestellt werden.

Jürgen Schmidt)

Stuttgart. Eigentlich ist Claudiu Mortan Werkstoffwissenschaftler am Institut für Photovoltaik (IPV) in Stuttgart und beschäftigt sich schon seit seinem Studium in Darmstadt mit Perowskiten und wie sich daraus Solarzellen herstellen lassen. Doch derzeit treiben ihn vor allem Fragen um, wie man ein Unternehmen ins Handelsregister einträgt oder welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um Mitarbeiter einstellen zu können. Denn der Wissenschaftler ist nun Geschäftsführer der Perosol GmbH, einem Start-up, das er gemeinsam mit seinem Chef, dem Leiter des IPV, Michael Saliba, gegründet hat.

Perosol gibt es schon länger, doch bislang unter dem Dach der Uni Stuttgart. Nun haben die beiden Gründer den Schritt in die rechtliche Selbstständigkeit ihres Unternehmens gewagt. Zum 1. Oktober wird Mortan den ersten Mitarbeiter einstellen. Hussain Darwish hat am IPV studiert, gerade seinen Master gemacht und schon an Perowskit-Projekten mitgearbeitet.

Produktion ist unkompliziert und kostengünstig

Wissenschaftlich wird nicht nur am IPV an der neuen Solarzellentechnologie geforscht, doch Perosol ist nach Aussage von Mortan bislang das einzige deutsche Start-up auf diesem Feld. Und auch in Europa passiere noch wenig. Doch in anderen Ländern ist die Konkurrenz schon groß. Alleine in China gebe es rund 600 junge Unternehmen, die sich mit Perowskit-Solarzellen beschäftigen.

Warum es in Fachkreisen derzeit fast einen Hype um Perowskite als Ersatz für Silizium gibt, fasste Michael Saliba kürzlich in einem Interview auf der Webseite der Uni Stuttgart so zusammen: „Ihre Produktion ist unkompliziert, kostengünstig und energiesparsam.“ Für die Weiterverarbeitung der Mineralien, die auch in den Alpen vorkommen, werden anders als für die Siliziumherstellung weder Reinraumbedingungen noch hohe Temperaturen von 1000 Grad und mehr benötigt. Und die Effizienz der Perowskit-Solarzellen ist hoch. In Stuttgart habe man bereits einen Wirkungsgrad von 25 Prozent erreicht, erläutert Mortan. Das ist mehr als der von handelsüblichen modernen Silizium-Modulen. Werden beide Technologien zu Tandem-Solarzellen kombiniert, ist die Stromausbeute noch höher. Das Freiburger Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme erreichte im vergangenen Jahr einen Wirkungsgrad von 31,6 Prozent, der Weltrekord liegt bei knapp unter 34 Prozent.

Solar-Trockentinte als erstes Produkt geplant

Die Herstellung eigener Solarmodule für den kommerziellen Einsatz steht bei Perosol allerdings fürs Erste noch nicht auf der Agenda. Im ersten Schritt konzentriert sich das junge Unternehmen auf den Grundstoff. Den bezeichnet Claudiu Mortan als Trockentinte. „Das wird unser erstes Produkt sein“, sagt er.

Bei der Trockentinte kommt es auf die Mischung der Ausgangsstoffe an, um die gewünschten optoelektronischen Eigenschaften zu erreichen, also beispielsweise, welcher Teil des Lichtspektrums von den Solarzellen besonders genutzt werden soll. „Wir haben so eine Coca-Cola-Rezeptur entwickelt“, meint der Perosol-Chef schmunzelnd.

Wenn das Pulver mit bestimmten Lösungsmitteln versetzt wird, lässt sich die flüssige Perowskit-Tinte zu ultradünnen Schichten drucken, wie andere Tinte auch.

Perosol will die Trockentinte an andere Forscher verkaufen, die damit die Herstellung von Solarzellen weiterentwickeln können. In einem halben Jahr könne man damit starten, erklärt Mortan.

Solarzellen sind im nächsten Jahr erstmals im All im Einsatz

Die Herstellung eigener Solarzellen will man aber auch in Stuttgart weiterverfolgen. Gemeinsam mit dem Zentrum für Solar- und Wasserstoffforschung ist der Aufbau einer Pilotanlage geplant. Bis zur industriellen Produktion ist es aber noch ein weiter Weg. Zum einen müssen technische Fragen geklärt werden, zum Beispiel wie Perowskit-Zellen widerstandsfähig genug für einen Dauereinsatz konstruiert werden müssen. Zum anderen geht es auch um die Finanzierung. Saliba, der als einer der führenden Perowskit-Experten weltweit gilt, hatte vor zwei Jahren beim Besuch von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) die Investitionen für eine Anlage im Industriemaßstab auf 30 Millionen Euro beziffert.

Beim Thema Widerstandsfähigkeit könnten die Stuttgarter Forscher und Gründer im nächsten Jahr schon einen deutlichen Schritt weiterkommen. Denn dann werden ihre Perowskit-Solarzellen erstmals ins All fliegen, um zu testen, ob sie für den Einsatz in Satelliten geeignet sind.

Spitzenforscher zu Gast bei Kongress in Stuttgart

Die internationale Crème de la Crème der Perowskit-Forschung trifft sich in der kommenden Woche zu einem dreitägigen Kongress in Stuttgart, um über Fortschritte und Herausforderungen bei der Entwicklung dieser neuen Solartechnologie zu diskutieren. Gastgeber ist Michael Saliba, der Leiter des Instituts für Photovoltaik an der Universität Stuttgart. Zu den Sprechern bei der Tagung zählt auch der südkoreanische Wissenschaftler Nam Gyu Park, der als Träger des Humboldt-Forschungspreises derzeit in Stuttgart arbeitet.

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