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LBO-Reform: Wird das Bauen nun schneller?

Reutlingen . Baden-Württemberg hat eine der weitreichendsten Reformen der Landesbauordnung (LBO) der letzten Jahre verabschiedet. Mit dem „Gesetz für das schnellere Bauen“, das Ende Juni in Kraft tritt, sollen Bauvorhaben beschleunigt und bürokratische Hürden abgebaut werden. Mit Blick auf den dringend benötigten Wohnungsbau soll das bisherige System sich weg vom „Goldstandard“ hin zu mehr Eigenverantwortung bewegen und eher einen „Mindeststandard“ für gesunde und sichere Wohn- und Lebensverhältnisse sicherstellen.
Bauministerin Nicole Razavi spricht zu recht von einer sehr weitreichenden Reform: „Keine Schönheitsreparatur, sondern eine echte Grundsanierung“. Es gehe nicht um „das Kleingedruckte, sondern das Eingemachte“. Die neuen Regelungen betreffen sowohl die Verfahrensvorschriften als auch bauliche Standards. Während die Landesregierung auf Vereinfachung setzt, bleiben dennoch Fragen offen: Wird tatsächlich schneller gebaut? Und wie wirken sich gelockerte Vorschriften auf die Bauqualität aus?
Die Änderungen lassen sich grob unter zwei Überschriften fassen: Optimierung von Verfahrensvorschriften und Abbau baulicher Standards. So wird etwa das Baugenehmigungsverfahren unter anderem durch die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens, die Einführung einer Genehmigungsfiktion oder die Möglichkeit einer Typengenehmigung reformiert. Bauliche Standards werden dort reduziert, wo es möglich und vertretbar erscheint. Dies betrifft insbesondere das Bauen im Bestand, Erleichterungen bei Abstandsregelungen und beim Brandschutz sowie die Erweiterung verfahrensfrei möglicher Vorhaben, wie etwa die einfachere Errichtung von gewerblichen Ladestationen für Elektrofahrzeuge.
Binnen drei Monaten gilt der Antrag als bewilligt
Mit der Einführung der Genehmigungsfiktion im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren wird eine erhebliche Beschleunigung der Entscheidungsprozesse erwartet: ergeht binnen drei Monaten nach Einreichung des vollständigen Bauantrags keine anderweitige Entscheidung, gilt die Genehmigung als erteilt, wie beantragt. Die Behörde kann dadurch freiwerdende Kapazitäten anderweitig einsetzen.
Auch die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens in baurechtlichen Angelegenheiten soll für eine Vereinfachung sorgen. Verwaltungsintern werden hier sicherlich Kapazitäten frei; ob demgegenüber ein Mehrbedarf an den Verwaltungsgerichten entsteht, bleibt abzuwarten. Die neue Typengenehmigung ermöglicht beispielsweise standortunabhängig standardisierte Bauvorhaben – etwa für Fertighäuser oder Ladestationen – wodurch Planungsprozesse verkürzt werden. Zudem wird das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren auf Wohngebäude bis zur Gebäudeklasse 4 ausgeweitet und Nutzungsänderungen hin zur Wohnnutzung werden künftig generell verfahrensfrei sein. Die Nachbarbeteiligung wird von vier auf zwei Wochen verkürzt.
Erleichterungen bei Abstandsflächen und Brandschutz
Ein weiterer bedeutender Bestandteil der Reform ist die Erleichterung von Umbauten im Bestand. Durch einfachere Abstandsflächenregelungen und gelockerte Nachrüstpflichten beim Brandschutz sollen bestehende Gebäude einfacher umgenutzt oder erweitert werden können. Die bisherige Pflicht zur Errichtung von Kinderspielplätzen kann künftig durch eine monetäre Ablöse ersetzt werden, wobei die Ablösebeträge zweckgebunden verwendet werden müssen. Die Reform der Landesbauordnung ist ein weitreichender Schritt für die Baurechtsbehörden, die Bauwirtschaft und den Wohnungsbau in Baden-Württemberg. Viele Vorschriften werden gelockert, Verfahren gestrafft und bestehende Gebäude können leichter umgebaut werden.
Doch bleibt abzuwarten, ob die Maßnahmen tatsächlich den gewünschten Effekt haben und die Bauvorhaben spürbar schneller realisiert werden. Kritiker sehen Risiken in der Absenkung von Standards. Einzelheiten wie der konkrete Fristbeginn für die Genehmigungsfiktion werden in Fachkreisen bereits eifrig diskutiert. Wesentliche Teile der Reform treten am 28. Juni 2025 in Kraft. Damit bleibt Planern, Bauherren und Behörden wenig Zeit, sich mit den neuen Regelungen vertraut zu machen.

Vorfahrt für Solaranlagen
Die Reform der Landesbauordnung erweitert und vereinfacht die Möglichkeiten zur verfahrensfreien Errichtung von Solaranlagen, insbesondere von Freiflächen-Solaranlagen. Regelungen in kommunalen (Gestaltungs-)Satzungen, die bislang der Solarenergienutzung entgegenstehen, unterliegen einer Umsetzungs-/ Anpassungsfrist. Diese gilt bis zum 28. September 2025.