Themen des Artikels
Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen
Minimalinvasive Architektur soll Häuser länger nutzbar machen

Bei ihrer Sommertour lässt sich Bau-Staatssekretärin Andrea Lindlohr an der Uni Stuttgart von Lucio Blandini erläutern wie selbst angebauter Bambus in der Ausbildung von Architekturstudenten zum Thema nachhaltiges Bauen eingesetzt wird.
Jürgen Schmidt)Stuttgart. Eigentlich war das Schicksal des gelb geklinkerten Hauses am Pfaffenwaldring auf dem Unicampus in Stuttgart-Vaihingen schon besiegelt. Das Bürogebäude aus den frühen 1960er-Jahren sollte abgerissen werden. Doch dazu kam es nicht, stattdessen wurde das Haus zum Forschungsobjekt für nachhaltiges und schnelles Sanieren von Bestandsgebäuden.
Die Bausubstanz des Gebäudes sei gut, begründet Lucio Blandini die Auswahl für das Projekt. Und günstig ist auch, dass das Haus teilweise vom Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK) genutzt wird, das von Blandini geleitet wird. Und es steht direkt gegenüber des von Frei Otto entworfenen ILEK-Pavillons, dem Hauptgebäude des Instituts.
Forschungsprojekt soll in diesem Jahr abgeschlossen werden
Im Mittelpunkt des Forschungsvorhabens steht die Gebäudehülle. „Fassadenerneuerungen haben das Potenzial, die Nutzungsdauer bestehender Gebäude bei minimalem Ressourceneinsatz deutlich zu verlängern“, erläutert der Architekturprofessor und ILEK-Chef. Das sei auch ein Ziel des Strategiedialogs „Bezahlbares Wohnen und innovatives Bauen“ erklärt Bau-Staatssekretärin Andrea Lindlohr (Grüne), die das Institut am Dienstagnachmittag auf ihrer Sommertour besuchte. Im Rahmen des Strategiedialogs finanziert das Land das Forschungsvorhaben, das noch in diesem Jahr abgeschlossen werden soll.
Getestet werden verschiedene Fassadenelemente auf ihre Eignung für Sanierungsvorhaben. Dabei wird einerseits die Energieeffizienz untersucht, andererseits auch die Kosten und vor allem das Tempo. Es geht um schnelles Sanieren“, betont Blandini.
Konkret haben er und sein Team derzeit zwei verschiedene Fassadenteile angebracht. Einmal Paneelen aus Leichtbeton, die noch mit Photovoltaikmodulen bestückt werden sollen und ein selbstentwickeltes Wärmedämmverbundsystem. Es besteht aus einer Aerogel-Platte, die aus winzigen luftgefüllten Silikatkügelchen besteht und sehr gut isoliert, einer Holzfaserplatte und an der Außenseite aus Holzlatten, die aus Abbruchholz hergestellt wurden. Denn das Forschungsprojekt soll auch einen Beitrag ermitteln, wie Bauteile wiederverwendet werden können.
Zudem sollen alle Elemente wieder leicht demontierbar sein und möglichst vollständig wieder in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden können, wie Blandini erklärt.
Gebäude könnte für Studentenwohnungen genutzt werden
Den Bauforschern geht es dabei aber nicht in erster Linie darum, neue Dämmsysteme zu entwickeln, sondern darum Abläufe und Prozesse für solche Sanierungen zu entwickeln. Es gehe um „weitestgehenden Erhalt der Bausubstanz und minimalinvasive reversible Eingriffe“, sagt Blandini.
Und diese Prozesse sollen dann in der Fläche umgesetzt werden. Denn es gebe zahlreiche Gebäude im Land, wo die in Stuttgart entwickelten Prinzipien angewandt werden könnten, ist sich Lindlohr sicher. Weil es vor allem um die Übertragung effizienter Abläufe und Verfahren geht, bleibt laut Blandini bei dem Sanierungskonzept Raum für eine individuelle architektonische Gestaltung.
Untersucht wird auch, wie sich das Gebäude künftig nutzen lässt. Denkbar ist beispielsweise eine Teil-Umnutzung, um rasch Wohnraum für Studenten zu schaffen.
Bauen mit Bambus wird wiederbelebt
Das Thema Nachhaltigkeit nimmt am ILEK auch im Studium zunehmend Raum ein. So haben Studenten Veranstaltungspavillons aus Holz konstruiert und gebaut, das aus Hausabrissen stammt und aus gebrauchten Planen. Derzeit wird noch an Fahrradständern aus Recycling-Holz gebaut, die über Photovoltaikdächer verfügen und im Herbst auf dem Campus aufgestellt werden sollen.
Und auch die am Institut bestehende Tradition, mit Bambus zu bauen, habe man wiederbelebt, erklärt Blandini seiner Besucherin aus dem Bauministerium. Das Material für die zeltartigen Konstruktionen der Studenten stammt aus dem Bambuswäldchen der Uni direkt neben dem ILEK. Der Transportweg beträgt deshalb nicht einmal 100 Meter.
Der Bau-Strategiedialog des Landes
Mit dem 2022 gestarteten Strategiedialog „Bezahlbares Wohnen und innovatives Bauen“ will das Land in drei Themenbereichen die Entwicklungen im Baubereich vorantreiben. Es geht dabei um bezahlbares Wohnen, innovatives und ökologisches Bauen und Sanieren und die Digitalisierung der Bauwirtschaft. In den Arbeitsgruppen sind neben Kommunen und Verwaltung, Vertreter der Bauwirtschaft und der Planer vertreten, aber auch Wissenschaft und Gesellschaft.