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Fachkonferenz

Ohne zusätzliche Flächen – keine neuen Wohnungen

Da waren sich alle einig auf der Fachkonferenz „Wohnen, Bauen und Landesentwicklung“ in Stuttgart: In Baden-Württemberg braucht es mehr Wohnungsbau. Die zuständige Ministerin Nicole Razavi machte hier Hoffnungen und verwies auf ihre Reform der Landesbauordnung und ihre neuen Pläne zur Verteilung der knappen Flächen. Kommunalvertreter forderten, das Interesse Einzelner zurückzustellen, um neue Flächenpotenziale zu erschließen.

Bezahlbarer Wohnraum ist mittlerweile zu einem Standortfaktor für Baden Württemberg geworden.

Wolfgang Leja)

Stuttgart . „Aktuell rechnet sich der Wohnungsbau schlicht und ergreifend für niemanden. Bauen ist unwirtschaftlich geworden“, so das nüchterne Fazit von Nicole Razavi (CDU), der Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen auf der Fachkonferenz Wohnen, Bauen & Landesentwicklung in Stuttgart. Razavi zeichnete ein düsteres Bild im Wohnungsbau: „Die Baupreise sind immer noch hoch, das Bauland ist teuer und die Fachkräfte sind knapp. Folge sei, dass die Baugenehmigungen in Baden Württemberg im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr nochmals um sage und schreibe 27 Prozent eingebrochen seien.

„Die Politik muss jetzt liefern.“

Daher arbeitet Razavi und ihr Ministerium an zahlreichen Gegenmaßnahmen. Die Reform der Landesbauordnung soll das Bauen erleichtern und ein neuer Landesentwicklungsplan soll mehr Flächen bereitstellen. Razavi hofft aber auch auf die neue Koalition in Berlin. „Die Politik muss jetzt liefern.“ Sie forderte einen „Eigenheim-Booster“ in Form eines steuerlichen Freibetrags. Dieser solle ähnlich wie der Kinderfreibetrag das zu versteuernde Einkommen verringern und mit einer Kinderzulage kombiniert werden können, sagte sie. „Damit könnten wir gerade Familien unterstützen, den Traum vom Eigenheim wieder wahr werden zu lassen und gleichzeitig die Bauwirtschaft ankurbeln.“ Dafür ist die Ministerin freilich auf die neue Bundesregierung angewiesen, die dafür das Steuerrecht ändern müsste.

Auch aus der Wirtschaft bekommt Razavi die Sorgen um mangelnden bezahlbaren Wohnraum widergespiegelt. „Die Unternehmen sorgten sich, ob ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in erreichbarer Distanz ein bezahlbares Dach über dem Kopf finden. Das ist mittlerweile zu einem echten Standortfaktor für Baden Württemberg geworden.“ Man sei auf den Zuzug von Fachkräften angewiesen, aber selbst für Personen mit mittlerem Einkommen ist die Suche nach einem bezahlbaren Wohnraum mittlerweile zu einer großen Herausforderung geworden.

Unternehmen sollen Wohnungsproblem selbst angehen

Jan Stefan Roell, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertag rief als Gastgeber des Kongresses die Unternehmen dazu auf, das Wohnungsproblem selbst anzugehen, indem sie Wohnungen für ihre Mitarbeiter schaffen. Dazu verwies Roell auf ein Strategiepapier der IHK Ostwürttemberg. Danach würden aktuell gut fünf Prozent der Unternehmen in Deutschland eine Unterkunft an ihre Mitarbeiter vermieten. Das entspreche gut 675.000 Wohnungen. Die Experten des BWIHK sehen den Hebel darin, das Unternehmen Grundstücke, die nicht mehr für den Betrieb erforderlich sind, für eine Umnutzung zur Verfügung stellen. Zudem müsse die Wirtschaft Kooperationen mit Wohnungsbauunternehmen und den Kommunen suchen. „Auf diese Weise könnten bundesweit rund 10.000 Mitarbeiterwohnungen entstehen“, heißt es in dem Papier.

Ministerin Razavi verwies darauf, dass auch Arbeitgeber Förderleistungen erhalten könnten, wenn sie Mietwohnraum für ihre Mitarbeiter schaffen. Sie schlug vor, das Mitarbeiterwohnen, nicht „wie aktuell steuerlich zu benachteiligen, sondern zu unterstützen und zu fördern, „weil sonst die Förderung, die wir bereitstellen, schlicht und ergreifend nicht angenommen wird“.

Roell sprach auch den Landesentwicklungsplan an, der derzeit im Wohnungsministerium überarbeitet wird. In der Wirtschaft gebe es große Sorge, dass insbesondere große Unternehmen nicht die Flächen finden, um sich zu entwickeln. Roell warnte davor, dass zunehmend mehr Unternehmen abwandern könnten und damit Arbeitsplätze verloren gehen würden. „Ich sage das nicht ohne Grund, denn diese Entscheidungen werden in den Vorstandsetagen großer, auch baden-württembergischer Unternehmen gerade getroffen.“

Ermöglichen statt verhindern

Für Steffen Jäger, den Präsidenten des Gemeindetags Baden-Württemberg ist die Frage, um die „am heftigsten und am intensivsten gestritten und gerungen“ wird, die, wie die Flächen im Land genutzt werden sollen. Ein Thema, das sehr viele Interessenskonflikte auf sich projiziert. „Wir sollten den Regulierungsrahmen, den wir bis hinein in das Individuellste ausgestaltet haben, dahin gehend überprüfen, ob er zwischenzeitlich nicht eher dazu geeignet ist, diejenigen, die verhindern wollen, mit dem entsprechenden Instrumentarium auszustatten.“ Jäger forderte, die Einzelinteressen zurückzustellen. „Wir müssen eine realistische Diskussion über das Thema Flächennutzung führen und diese am Interesse des Allgemeinwohls ausrichten. Der neue Landesentwicklungsplan müsse neue Entwicklungspotenziale eröffnen.

Jäger sprach auch das Sondierungspapier von CDU und SPD an, in dem ein Sondervermögen für die Verteidigung und eines über die Infrastruktur geschaffen werden soll. Auch das werde Jäger zufolge Konsequenzen für die Flächennutzung haben. Für diese großen Investitionsvolumina müsse auch der Planungsrahmen angepasst werden. So sei manche Rechtsnorm, die eine gewisse Schutzfunktion habe, nach hinten zu rücken. Das Umsetzen des Gemeinwohls müsse wieder deutlich besser und einfacher möglich werden.

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