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Stuttgart 21: Ringen um die Deutungshoheit

Die Vorstandsvorsitzende der Deutsche Bahn, Evelyn Palla, will erstmal keinen neuen Termin nennen für die Fertigstellung von Stuttgart 21.
dpa/SZ Photo/Friedrich Bungert)Stuttgart. Bislang hat sich die neue Bahnchefin Evelyn Palla noch nicht persönlich zur erneuten Verschiebung der Stuttgart-21-Einweihung erklärt. Dies hat sie nun bei dem Newsdienst „Table Media“ gemacht. „Es ist mir wichtig, dass wir da die Öffentlichkeit und insbesondere auch die Projektpartner in Baden-Württemberg sehr schnell informieren, was Sache ist“, kündigt sie an. Sie wolle transparent und ehrlich sein.
Palla will eine „deutlich stabilere Projektkoordination und auch ein deutlich stabileres Risikomanagement“. Das sei auch der Grund, warum sie gesagt habe: „Es gibt jetzt noch keinen Termin, denn wir müssen uns jetzt einmal noch wirklich ganz von vorne die Karten legen und uns auch die Zeit nehmen, nochmals zu evaluieren, wie dieses Projekt nach vorne erfolgreich weitergeführt werden kann.“ Kein neuer Schnellschuss, kein neues Datum. Und der Hinweis auf den Dienstleister Thales/Hitachi, der für den digitalen Bahnknoten Stuttgart zuständig ist.
Kretschmann und Hermann zweifeln Bahn-Darstellung an
Diese Erklärung reicht den beiden grünen Regenten Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Verkehrsminister Winfried Hermann aber nicht. „Es ist sicher ein ganzes Bündel von Gründen“, sagte Hermann auf der Landespressekonferenz. Ja, Thales habe nach dem Aufkauf durch Hitatchi den Schwerpunkt von Bahntechnik auf Rüstung verlegt, viele Mitarbeiter verloren, sodass die Bahn letztlich Experten ausleihen musste. Doch das allein könne nicht der Grund sein.
Nach dem Offenbarungseid: Wie geht es weiter mit Stuttgart 21?
Beide sind erklärte Gegner des Projektes, haben jedoch die 14 Jahre Regierungszeit Stuttgart 21 stets kritisch-konstruktiv begleitet, und nach der Volksabstimmung 2012 die Grundsatzentscheidung auch akzeptiert. „Es ist dennoch misslich, dass es nicht fertig wird, während meiner gesamten Regierungszeit fahre ich an dieser Baustelle vorbei“, kritisierte Kretschmann.
Das werfe ein schlechtes Licht auf die „deutsche Ingenieurskunst“. Allerdings stellte der Ministerpräsident auch in den Raum: „Wir wissen nicht, was passiert wäre, wenn das Projekt nicht gebaut worden wäre.“ In diesem philosophischen Sinn scheint er seinen Frieden mit dem Projekt gemacht zu haben.
Grüne machen trotz Kritik ihren Frieden mit dem Projekt
Und Hermann räumt ein, dass man am Ende trotz aller Kritik doch auch Positives sehen werde, wenn der Tiefbahnhof endlich fertig sei. Schließlich werde irgendwann ein funktionierender neuer Bahnknoten entstehen. Wörtlich sagt er: „Man kann dann nicht sagen: Alles Scheiße, wenn für viele Milliarden ein neuer Bahnhof gebaut wird.“ In dieser Ambivalenz hätte er wohl auch seine Rede zur Eröffnung gehalten. Die nicht mehr nötig sein wird, denn nach der Landtagswahl 2026 scheiden beide aus der Regierung aus, die Einweihung wird weit später sein, frühestens 2027 wenn nicht noch später.
Kommentar: Die Bahn muss sich ehrlich machen
Ein wenig Rückblick auf den Streit zu Stuttgart 21 muss dann doch sein
Dennoch, einen Nachklapp wollen die beiden nicht sein lassen: „Bei der Volksabstimmung wurde erklärt, jeder sagt, es koste mehr als 4,5 Milliarden Euro, der lügt. Dafür hat sich noch niemand bei mir entschuldigt.“ Und Kretschmann verwies darauf, dass ursprünglich von Erwin Teufel und dem damaligen Bahnchef Heinz Dürr sowie dem Stuttgarter OB Manfred Rommel erklärt worden sei, der Verkauf der Grundstücke finanziere den Bahnhof. Nun liege man bei 11,5 Milliarden Euro. Klar ist: Beide drängen auf eine Sondersitzung des Lenkungskreises Stuttgart 21 noch vor Weihnachten. Die erneute Verschiebung hat nämlich aus ihrer Sicht „gravierende Auswirkungen auf viele andere Projekte.“ Der Druck auf die Bahn bleibt also hoch.