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Wirtschaft in Corona-Zeiten: Dann kamen die Probleme mit den Lieferketten

Maßnahmen zur Infektionseindämmung, wie „social distancing“, wirkten sich negativ auf Konsum und Produktion aus.
dpa/ Arne Dedert)Stuttgart . Im Frühjahr 2020 hatte die Corona-Krise Baden-Württemberg und ganz Deutschland bereits fest im Griff. „Corona hat tiefe Spuren hinterlassen“, sagt Daniel Ohl, der Geschäftsführer vom Hotel- und Gaststättenverband Dehoga in Stuttgart. Viele Hotels und Restaurants mussten urplötzlich, quasi über Nacht schließen oder durften nur noch einen eingeschränkten Betrieb aufrechterhalten.
Bis heute, so findet Ohl, sind die Nachwirkungen dieser Katastrophe zu beobachten. „Viele Betriebe sind immer noch sehr geschwächt und sehen jetzt erneut eine Krise auf sich zukommen.“ Es fehlt vielfach an der wirtschaftlichen Substanz, um das abzufangen. Die sei nötig, denn die Verbraucher halten sich gegenwärtig zurück und gehen seltener ins Restaurant oder die Kneipe. Dass die Bundesregierung die Mehrwertsteuer zum 1. Januar 2024 von sieben wieder auf 19 Prozent hochgesetzt hatte, habe der Branche neben den gestiegenen Kosten zugesetzt.
Auch der stationäre Handel war in der Corona-Zeit von Schließungen betroffen. Und dann reduzierten 43 Prozent der Baden-Württemberger auch noch ihre Ausgaben. Sie bestellten lieber in Online-Shops – was manchem Geschäft in den Innenstädten die Existenz kostete. Nur der Fahrradhandel boomte ebenso wie die Baumärkte, die Rekordumsätze einfuhren.
Autobranche mit historischem Produktionseinbruch
Die Flaggschiffe der Südwestwirtschaft, Maschinenbau und Automobilwirtschaft erwischte es dagegen eiskalt: Die Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen verzeichnete im April 2020 einen historischen Produktionseinbruch von über 80 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Die Automobilhersteller kämpfen mit nie da gewesenen Lieferengpässen, etwa bei Kabelbäumen und Halbleitern. Der Maschinenbau sah sich mit massiven Produktionsstörungen konfrontiert, die Umsätze brachen im zweiten Quartal 2020 ein. Viele Betriebe schickten ihre Beschäftigten in Kurzarbeit, um auf Lieferengpässe sowie Ressourcen- und Rohstoffmangel zu reagieren. Eilig investierte man über alle Branchen hinweg in die digitale Infrastruktur, um Homeoffice zu ermöglichen und so die Arbeit trotz Kontaktbeschränkungen fortzuführen.
Allein die Bauwirtschaft zeigte sich robust und stabilisierte die Volkswirtschaft. Vor allem der Wohnungsbau stützte die Konjunktur. Viele Bauprojekte konnten fortgesetzt werden, da Baustellen oft im Freien liegen und somit weniger von den strengen Kontaktbeschränkungen betroffen waren. Zudem setzte die Branche rasch Hygienekonzepte um
Doch dann trafen auch den Bau die Lieferprobleme. Drei Viertel der Betriebe beklagten das. Materialknappheit und satte Preissteigerungen, insbesondere bei Holz, Stahl und Dämmstoffen bremsten die Baustellen aus. Zur Hilfe kam da die Bundesregierung. Um den Konsum anzukurbeln, senkte sie vom 1. Juli 2020 bis zum Jahresende den regulären Mehrwertsteuersatz von 19 auf 16 Prozent.
Unterschiedlich traf es das Handwerk mit seinen rund 800 000 Beschäftigten. „Während Bau- und Ausbaugewerbe weiter florierten, litten Friseure, Nahrungsmittelbetriebe, Messebauer und Gebäudereiniger unter massiven Einbußen. Auch Zulieferer der Industrie verzeichneten Rückgänge“, erklärt Peter Haas, Hauptgeschäftsführer von Handwerk-BW. Unter dem Strich erwiesen sich die 140 000 Betriebe als Stabilitätsanker. Ihr Gesamtumsatz stieg nominal um 1,1 Prozent. Obgleich die Beschäftigtenzahl in betroffenen Branchen sank. „Viele wechselten in vermeintlich sicherere Jobs und kehrten nicht zurück, was den Fachkräftemangel verschärfte“, so Haas. Der Einbruch der Wirtschaftsleistung im Coronajahr 2020 war nicht allein auf die Lockdowns und die gestörten Lieferketten zurückzuführen, erklärt eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. Man müsse berücksichtigen, „dass private Haushalte und Unternehmen freiwillige Maßnahmen zur Infektionseindämmung, wie „social distancing“, ergriffen hatten, die sehr wahrscheinlich ebenfalls negative Auswirkungen auf Konsum und Produktion hatten.“
Digitalisierung beschleunigt die Geschäftsprozesse
Viele Unternehmen haben aus der Krise gelernt, indem sie etwa die Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse beschleunigt haben. Mobiles Arbeiten gehört heute vielerorts zur Normalität. Und die Lieferketten sind neu aufgestellt und die Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten reduziert.
2,28 Milliarden Euro an Corona-Hilfen
Viele Unternehmen haben die Zwangspause während der Pandemie nur dank Hilfen von Bund und Land überstanden. So wurden im Südwesten Mittel im Volumen von 2,28 Milliarden Euro an 200 000 Firmen ausbezahlt. Nur so konnten viele Betriebe ihre Rechnungen bezahlen, ihr Personal halten und eine Insolvenz vermeiden.
Allerdings klopfte der Staat später bei rund 40 000 Betrieben an und forderte die Hilfen in Höhe von 9000 bis 30 000 Euro zurück. Aktuell gehen 1444 Unternehmen und Selbstständige gerichtlich gegen die Rückzahlungen vor, wie das Stuttgarter Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der FDP-Fraktion im Landtag erklärte.