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Krise der Industrie

Wiederbelebung mit Robotik und Quantencomputern

Gewinnwarnungen, Umsatzrückgänge und Personalabbau: Viele klassische Industriebranche hierzulande stecken in Strukturkrisen. Doch es gibt Technologiefelder, die in den nächsten Jahren satte Zuwächse versprechen. Und Baden-Württemberg hat gute Voraussetzungen vorne mit dabei zu sein.
Mann in Fabrikhalle bedient großen Industrieroboter.

Die Entwicklung und der Bau von Robotern gehören laut Analyse von Unternehmensberatern zu den Industriebereichen mit besten Zukunftsaussichten.

IMAGO/Daniel Ingold)

Stuttgart. Drei Jahre Rezession haben offengelegt, wie Deutschland in vielen Bereichen mit strukturellen Problemen zu kämpfen hat. Dabei scheinen Schlüsselbranchen wie die Autoindustrie oder der Maschinenbau international den Anschluss zum Wettbewerb verloren zu haben. Hat also der Niedergang im Südwesten begonnen? Wo sind die Chancen, mit denen der Wohlstand gesichert werden kann?

Erste Antworten finden sich in einer Studie des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) und der Beratergesellschaft Boston Consulting Group (BCG). Demnach gehören künstliche Intelligenz (KI), KI-basierte Robotik, Quantentechnologien sowie mRNA-Medikamente und Zell- und Gentherapien zu den künftigen Schlüsselfeldern. Diese Bereiche wachsen rasant, denn die Kosten sinken dramatisch. Für die komplette Sequenzierung des menschlichen Genoms mussten 2001 noch 100 Millionen Euro aufgewendet werden. Heute reichen 500 Euro. Was vor wenigen Jahren nur mit hohem Aufwand im Labor möglich war, ist heute für industrielle Zwecke serienreif.

„Wir hätten vor zwei, drei Jahren nicht gedacht, was mit KI alles möglich ist“, bestätigte kürzlich Markus Heyn, am Rande der IAA in München. Der für den Autobereich verantwortliche Bosch-Geschäftsführer erwartet große Wachstumsmöglichkeiten durch die neue Technologie in der Fahrzeugbranche.

Auf KI setzt im Land auch die Schwarz-Gruppe in Heilbronn. Sie treibt am Rande der Stadt den Ausbau des Technologiezentrums IPAI mit voran. Auch Audi aus dem benachbarten Neckarsulm ist beteiligt. Hier sollen sehr praxisnah Wissenschaft und Wirtschaft neue Anwendungsmöglichkeiten für die künstliche Intelligenz ergründen und umsetzen. Gleichzeitig soll das IPAI zur Brutstätte für Start-ups werden.

Wie rasant sich eine Neugründung entwickeln kann, zeigt der Robotikspezialist Neura aus Metzingen. Das vor sechs Jahren gegründete Unternehmen sieht sich bereits in einer Schlüsselrolle in Europa. Die Metzinger wollen der Konkurrenz aus den USA und China Paroli bieten. Gründer und Neura-Chef David Reger bestätigt die Analyse der BDI-Studie: „Das Marktpotenzial der kognitiven Robotik ist größer als das des Smartphones.“

Der Biotech-Markt wächst jedes Jahr um 40 Prozent

Das sieht man auch im KI-Fortschrittszentrum in Stuttgart so. Die vom Land geförderte Einrichtung bündelt auf der Wissenschaftsseite die Fraunhofer-Institute für Produktionstechnik und Arbeitswirtschaft sowie das Institut für Arbeitswissenschaft der Uni Stuttgart. Ihr Wissen nutzen schon mehr als 300 Unternehmen.

Doch dieser Transfer muss aus Sicht der Autoren der BDI-Studie schneller erfolgen: „Gelingt dies, kann Deutschland ‚Made in Germany‘ neu erfinden.“ Damit entstehe die nächste Erfolgsgeschichte einer exportstarken, souveränen Industrienation. So könne Deutschland dem eigenen Anspruch gerecht werden, Technologien nicht nur anzuwenden, sondern sie selbst zu gestalten und zu produzieren, heißt es in der Studie.

Im Pharmabereich ist das im Laufe der Jahre verloren gegangen. Eine Rückkehr zur Spitzenstellung bietet die Biotechnologie. Hier hat Baden-Württemberg mit mehreren Clustern schon frühzeitig wichtige Weichen gestellt. Bis zum Jahr 2030 sollen sich die Umsätze der Biotech-Branche vervierfachen, mit jährlichen Wachstumsraten von 40 Prozent.

Region Stuttgart Zentrum der Quanten-Computer-Entwicklung

Besonders erfolgversprechend ist die mRNA-Technologie. Dazu wurden in Tübingen wichtige Grundlagen gelegt. Die dort ansässige Curevac gehört zu den führenden Unternehmen. Ziel ist es, vor allem für die Behandlung von Krebserkrankungen individuelle Impfstoffe zu entwickeln. Curevac ist kürzlich von der Mainzer Biontech übernommen worden. Der Forschungsstandort Tübingen soll erhalten bleiben.

Experten wissen, dass Baden-Württemberg bereits ein Zentrum der Quanten-Technologie ist. Die Technik kann wesentlich mehr Informationen in hoher Geschwindigkeit verarbeiten. In Ehningen bei Böblingen betreibt IBM einen der leistungsfähigsten Quanten-Computer der Welt. Das Start-up Qant, eine Ausgründung des Maschinenbauers Trumpf, und die Uni Stuttgart haben mit der Fertigung einer neuen Generation von Quantenchips begonnen. Das eröffnet der KI neue Dimensionen, auch für Auto- und Maschinenbauer.

Vorhandene Basis nutzen

Mehr Tempo ist das Geheimnis, mit dem Deutschland bei wichtigen Technologien vorne mitmischen kann. Dazu werden folgende Parameter benötigt:  klare Ziele, eine leistungsfähige Infrastruktur, qualifizierte Beschäftigte, Wissenstransfer sowie Spitzenforschung und -entwicklung. Die Studienautoren der Boston Consulting Group sind zuversichtlich, was die Voraussetzungen in Deutschland angeht. Es gelte die bereits vorhandene Basis effizient zu nutzen, so BDI-Präsident Peter Leibinger.

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