Themen des Artikels

Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen

Industriepolitik

Wirtschaftsstandort in Schieflage – wer hat die Lösung?

Wegbrechende Umsätze, massiver Stellenabbau, schlechte Stimmung in den Führungsetagen. Der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg geht es schlecht. Doch Mercedes-Chef Ola Källenius will mutig weiter hierzulande investieren, wie er auf einer Veranstaltung bei Südwestmetall bekannte. Und Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut forderte Reformen: „Wir müssen uns als Staat neu erfinden.“

Auf der Podiumsdiskussion von Südwestmetall fordert Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut (Mitte) neben BDI-Chefin Tanja Gönner und Mercedes-Chef Ola Källenius eine Reformagenda. „Wir müssen uns als Staat neu erfinden.“

Südwestmetall/Frank Eppler)

Stuttgart . Die Erwartungen von Joachim Schulz, dem Vorsitzenden des Arbeitgeberverbands Südwestmetall an die neue Bundesregierung sind hoch. Das beste Jahr der Metall- und Elektroindustrie liege nun schon sieben Jahre zurück, monierte der einstige Manager des Medizintechnikunternehmens Aesculap in Tuttlingen . Seitdem habe es sieben magere Jahre ohne Wachstum gegeben, in denen das Produktionsvolumen drastisch geschrumpft sei. Hohe Energiepreise, Steuern und Abgaben sowie Lohnkosten, eine marode Infrastruktur – Schulz zufolge könne man sich all dies in Deutschland nicht mehr leisten: „Wir müssen entschlossen ins Handeln kommen.“

„Die Aufgabe des Unternehmers ist es, die Zukunft zu erfinden“

Ola Källenius, der Vorstandschef der Mercedes-Benz Group zeigte sich zunächst versöhnlich: „Wir können zwar auf die Politik schimpfen, aber es ist die ureigenste Aufgabe des Unternehmers, die Zukunft zu erfinden“, sagte er. Doch auch er steht gewaltig unter Druck. Eine Woche zuvor war Källenius auf der Hauptversammlung des Autobauers von Investoren angesichts des herben Gewinneinbruchs und trüben Aussichten bei Mercedes-Benz stark kritisiert worden. Auf dem Abend bei Südwestmetall verteidigte der Konzernchef seine Strategie: „In den nächsten drei Jahren werden wir die größte Produktoffensive starten.“ Trotz der vielen Standortnachteile setzt Mercedes weiter auf Deutschland. „Wir bauen unsere Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten zwar in China aus, aber wir investieren das meiste Geld in Deutschland“, sagte er. So sei die Produktion des neuen CLA, der Elektro-Speerspitze von Mercedes mit knapp 800 Kilometern Reichweite in Rastatt angelaufen.

Doch auch Manager wie Källenius plagen die Regulierung. Das machte er am teilautonomen Fahren deutlich. „Vor Jahren waren wir super enthusiastisch, heute sind wir ernüchtert“, sagte er. „In China sind fahrerlose Fahrzeuge bereits auf den Straßen unterwegs, berichtete er. In Europa sei dies nicht erlaubt. „Wenn man will, dass Unternehmen in neue Technologien investieren, dann muss man es ihnen auch möglich machen, diese Innovationen zu verkaufen.“

Källenius sieht Deutschland im international Standortwettbewerb deutlich zurückgefallen. China habe die geringsten Faktorkosten. Konkurrenten wie der aufstrebende chinesische Autobauer BYD seien die neuen Gegner, denen man sich stellen müsse, so der Konzernchef.

Mercedes-Chef Källenius, der kurz vor der Veranstaltung bei Südwestmetall aus dem US-Bundesstaat Texas zurückgekehrt war, berichtete von sehr niedrigen Energiekosten, Genehmigungsverfahren, die nur wenige Monate dauern und niedrigen Unternehmenssteuern. „Die Diskrepanz bei den unternehmerischen Umsetzungsmöglichkeiten sind unglaublich groß“, sagte er. Zudem gebe es große Mentalitätsunterschiede: In den USA hätten Unternehmertum und Wirtschaft „glasklare Priorität“.

Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) lobte, es sei gut, dass man wieder über die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland spreche. Das habe seit Jahren keine Relevanz gehabt. „Wir hatten in den letzten Jahren keine Industriepolitik, sagte sie. „Jetzt müssen wir alles tun, um unseren Standort attraktiver zu machen“, sagte sie und brachte eine Reform in der Größenordnung der Agena 2010 ins Spiel.

„Ohne Wachstum können wir uns alles andere nicht leisten.“

Tanja Gönner, die ehemalige CDU-Landespolitikerin, die seit November 2022 an der Spitze des mächtigen Bundesverbands der Deutschen Industrie steht, sieht trotz hoher Standortkosten weiterhin „große Chancen“ für die deutsche Wirtschaft. Man müsse ehrlich über die Belastungen sprechen. Man müsse Bürokratie abbauen und die sozialen Sicherungssysteme angesichts hoher Arbeitskosten reformieren. Gönner warb für „mehr Freiheit, weniger Regulierung und mehr Vertrauen in die unternehmerische Verantwortung. „Im dritten Rezessionsjahr müssen wir mehr über Wirtschaftswachstum sprechen. Denn ohne Wachstum können wir uns alles andere nicht leisten.“

Nutzen Sie die Vorteile unseres

Premium-Abos. Lesen Sie alle Artikel aus Print und Online für

0 € 4 Wochen / danach 199 € jährlich Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren

Lesen Sie auch