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Serie Rathäuser

Bei Sanierung in Großbottwar Ursprungszustand bewahrt

In Großbottwar hatte das schmucke Fachwerkgebäude schon immer die Funktion als Rathaus für die Kleinstadt. 466 Jahre residierte hier das Ortsoberhaupt und kamen die Räte zusammen. Nun ist das Gebäude aufwendig saniert und ein echtes Juwel im Stadtbild.

Dieses Gebäude in Großbottwar wird seit 466 Jahren ununterbrochen als Rathaus genutzt. Im 16. Jahrhundert befand sich im obersten Stockwerk eine Fruchtscheune.

Foto: Marcus Dischinger)

GROSSBOTTWAR. Der Stadtschreiber von Großbottwar hielt Mitte des 16. Jahrhunderts fest, im alten Rathaus auf dem Marktplatz – das offenbar baufällig war – laufe der Wein in den Gläsern über, wenn die Glocken des Gebäudes läuteten. Der Neubau von 1556 dagegen hat die Jahrhunderte überdauert und ist das markanteste Gebäude im Ortszentrum.

Seit 466 Jahren hat das repräsentative Gebäude im Mittelpunkt des Ortes Großbottwar (Kreis Ludwigsburg) genau eine einzige Funktion: Es wird durchgängig als Rathaus genutzt. Das hat Seltenheitswert über einen solch langen Zeitraum, wenn man berücksichtigt, dass ein Rathaus in früheren Jahrhunderten gleich mehrere Funktionen zu erfüllen hatte.

In Großbottwar befand sich im obersten Stockwerk eine Fruchtscheune, darunter beispielsweise der obligatorische Gerichtssaal und auch eine „Danzstatt“. Für Bürgermeister Ralf Zimmermann (parteilos) besitzt die alte Substanz einen großen Reiz, zugleich ist sie eine große Verpflichtung.

Das Fachwerk erhielt die historische Ochsenblutfarbe

Fachwerk außen, viel altes Holz und hohe Decken innen – das Rathaus in Großbottwar hat alles, was das Herz von Denkmalschützern höherschlagen lässt. Architekt Martin Klumpp hat in den 1980er-Jahren das Kunststück geschafft, das Gebäude vollständig und umfassend zu sanieren und es gleichzeitig wieder zu seinen Ursprüngen zurückzuführen. Das gilt für das Äußere wie für das Innere des Gebäudes.

„Wir haben die Fachwerkbalken des Rathauses wieder in rot gestrichen“, erzählt der heute 94-Jährige. „Ochsenblutfarbe nannte man das“, fügt Klumpp hinzu. Das Fachwerk selbst war schon in den 1950er-Jahren wieder freigelegt worden, nachdem das Rathaus 1930 einen Verputz erhalten hatte.

Die hohen Decken blieben nach dem Umbau sichtbar

Im Innern sind in der ersten Etage Wände eingezogen worden, damit dort moderne Verwaltungsarbeit möglich ist. Der Architekt hat aber darauf geachtet, dass die ursprünglich große Fläche und die hohen Decken immer noch sichtbar bleiben – durch viel Glas. Dabei wurden gleichzeitig die alten Holzbalken erhalten. „Diese Sanierung ist herausragend gelungen“, stellt Bürgermeister Zimmermann fest. Angebaut wurde im Zuge der Sanierung lediglich ein neues Treppenhaus, um auf der ursprünglichen Fläche mehr Platz für Büroräume zu gewinnen.

Im zweiten Stock befindet sich der Saal, in dem der Gemeinderat tagt. Die gestalteten Fenster sind in alten Zeiten gestiftet worden: Viele Adlige wollten sich dort verewigt wissen. Dort hängen auch die historischen Tafeln, die Auskunft darüber geben, welches Weinjahr in den vergangenen Jahrhunderten besonders gut oder weniger gut war.

Bei der Trauung sitzen die Beteiligten gemeinsam an einem Tisch

Nur wenige Meter entfernt auf dem gleichen Stockwerk befindet sich der Trauungssaal, in dem vor allem der große Holztisch auffällt – eine Besonderheit in Großbottwar. Alle Beteiligten, also das Brautpaar, der Standesbeamte, Trauzeugen und die Gäste – so weit möglich –nehmen an diesem Tisch Platz.

„Natürlich ist die Einteilung von Büroräumen in einem solch alten Gebäude nicht so flexibel, wie man das heute gerne hätte“, sagt Bürgermeister Zimmermann mit Blick auf das historische Rathaus aus der Renaissancezeit. Modernisierung findet aber, wo notwendig und machbar, stetig statt. So findet sich beinahe überall moderne LED-Beleuchtung an den Decken, auch der Gemeinderatssaal ist digital ausgestattet. 15 Personen arbeiten hier: neben dem Bürgermeister und seinem Vorzimmerteam das Hauptamt sowie das Personal- und Organisationsamt. Außerdem sind das Bürgerbüro und das Sozialamt hier untergebracht.

An möglichst vielen Stellen soll das Haus ursprünglich wirken

Für Architekt Klumpp war es besonders wichtig, die Ursprünglichkeit an vielen Stellen zu bewahren oder wiederherzustellen. „Ein Denkmal können sie nur einmal kaputt machen“, weiß er. Die Summe von 3,2 Millionen Mark, die für die Sanierung eingesetzt werden musste, war für die damalige Zeit „schon eine Größe“, sagt der Architekt. In der heutigen Zeit könnte man mit einer solchen Summe in diesem Bereich wenig anfangen.

Um die Sanierung in einem Rutsch durchzuführen, wurde Anfang der 1980er-Jahre zunächst ein zusätzlicher Rathausbau gegenüber des historischen Rathauses errichtet. Dort konnten vorübergehend alle Mitarbeitenden einziehen. Das alte Rathaus wurde innerhalb von zwei Jahren umgebaut. Der benachbarte Neubau wird heute immer noch als „Rathaus II“ genutzt. Über die enge Gasse zwischen den Bauten kann man – von Fenster zu Fenster – von einem Rathaus ins andere hinüber rufen.

Großbottwar wird erstmals in einer Urkunde aus dem Jahr 779 erwähnt

16 Kilometer südöstlich von Heilbronn liegt Großbottwar. Der Ort mit Stadtrecht hat rund 8400 Einwohnerinnen und Einwohner. Insgesamt drei ehemals selbstständige Gemeinden gehören zum heutigen Großbottwar, nämlich Hof und Lembach sowie Winzerhausen.
Erstmals erwähnt wird der Ort im Jahr 779 in einer Urkunde des Klosters Fulda. Ungeklärt ist, ob der Fluss Bottwar Namensgeber für den Ort war oder umgekehrt. Der Gemeinderat umfasst mitsamt dem Bürgermeister 19 Personen. Mit der Schweizerischen Stadt lllnau-Effertikon im Kanton Zürich unterhält Großbottwar seit dem Jahr 1997 eine Städtepartnerschaft. Die Stadt liegt auf der Route des Alb-Neckar-Radwegs.

Quelle/Autor: Marcus Dischinger

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