Themen des Artikels

Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen

Landesparteitag der SPD: Die Partei ist so geschlossen wie schon lange nicht mehr

Grabenkämpfe, Machtkämpfe, Kampfabstimmung, Datenaffäre – all das gehört bei der Südwest-SPD der Vergangenheit an. Partei- und Fraktionschef Andreas Stoch hat den Landesverband befriedet und führt die Fraktion im Landtag straff und mit prägnanter Rhetorik. Doch man tut sich schwer, damit auch aufzufallen.

Generalsekretär Sascha Binder (links) und Landes- und Fraktionschef Andreas Stoch führen die Partei.

dpa/ Bernd Weissbrod)

STUTTGART. Tief war das Tal der Tränen nach der Landtagswahl 2021: Nur noch elf Prozent der Stimmen, nach dem Scheitern der Sondierungen für eine Ampelkoalition erneut in die Opposition verbannt. Dabei hatte man da das schlimmste schon hinter sich: Einen zähen Machtkampf zwischen den Parteilinken um die kurzzeitige Landesvorsitzende Leni Breymaier und den „Netzwerkern“ um Lars Castellucci aus dem Rhein-Neckar-Kreis.

Es war der Höhepunkt eines sich gut 20 Jahren hinziehenden Machtkampfes der Parteiflügel in der Südwest-SPD, der schon in den 90er-Jahren bei dem Parteinachwuchs Jusos begann. Eine Mehrheit bekannte sich meistens zu den eher pragmatischen Netzwerkern um die Ex-Landeschefin Ute Vogt, eine starke Minderheit um die Ulmer Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis.

Andreas Stoch ist in der Krise zu Stelle

Schließlich gab es de facto 2018 ein Patt beim Mitgliederentscheid zwischen beiden Lagern – und der Heidenheimer Andreas Stoch sprang in die Bresche. Wieder mal – der 53-jährige Rechtsanwalt hat stets als Feuerwehrmann dann gelöscht, wenn es lichterloh brannte. Etwa, als sich 2013 die SPD-Kultusministerin Gabriele Warminski-Leithäußer überfordert zeigte – Stoch übernahm, erledigte den Job auch nach Einschätzung der politischen Gegner durchaus ordentlich. Als die SPD 2016 aus der Regierung flog, übernahm er die Landtagsfraktion.

Und 2018 auch die zutiefst zerstrittene Landespartei. „Ein Parteifreund hat mir damals geraten: Als Freund sage ich dir, mache es nicht, aber als Genosse sage ich: Tritt an.“ Mit Erfolg – das Flügelschlagen der Genossen ist eingestellt. „Ich habe versucht, die Partei zusammen zu führen“, sagt Stoch, „und ich denke, dass dies gelungen ist.“

Landesparteitag der SPD in Friedrichshafen

Der Höhepunkt des Parteitages am Samstag wird gegen 11 Uhr die Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sein. Der Landesvorstand wird neu gewählt, interessant dürfte es bei den Beisitzern werden. Im Leitantrag des Landesvorstandes „Sozialer Aufbruch für Baden-Württemberg“, den die Vize-Landeschefin Dorothea Kliche-Behnke einbringen wird, geht es um mehr soziale Teilhabe in der Krise. Es gibt aber auch noch einige spannende Anträge. Die Jusos fordern mehr Entlastungen für sozial Schwache, der Kreisverband Lörrach will die Sprach-Kitas retten und die Mittelkürzung verhindern .

Zunächst musste er die so genannte „Datenaffäre“ aufräumen – 2018 hatten sich im parteiinternen Wahlkampf einige Genossen unrechtmäßig Mitgliederdaten besorgt.

Doch das ist längst Vergangenheit. Sogar die ehemalige Landeschefin Leni Breymaier, inzwischen Bundestagsabgeordnete in Aalen, konstatiert: „Andreas Stoch macht das gut. Es ist wieder Ruhe hereingekommen.“ Die SPD tritt in Fraktion wie als Partei geschlossen auf wie vielleicht seit 30 Jahren nicht mehr. Im Parlament ist er ein profilierten Redner, grenzt sich vom Stil des FDP-Kollegen Hans-Ulrich Rülke ab. Stoch spricht von „konstruktiver Opposition“. Man versuche, inhaltlich mit Vorschlägen durchzudringen.

Manchmal mit Erfolg – so stimmten außer der AfD alle Parteien dem SPD-Antrag zu, Baden-Württemberg zum „Freiheitsraum“ für schwule, lesbische und Tansgender-Menschen zu erklären. Als die Genossen im Landtag ein Landesrettungspaket forderten, lehnte Grün-Schwarz dies zunächst ab – zwei Wochen später kam es dann aber in leicht verklausulierter Form doch. So geht man gestärkt in den Landesparteitag am Wochenende in Friedrichshafen.

Trotz der inneren Stabilisierung leiden die Genossen jedoch an fehlender Aufmerksamkeit im Land. Das konstatiert der Hohenheimer Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider: „In der Umfrage BW-Trend gab die Hälfte der Befragten an, Andreas Stoch nicht zu kennen.“ Über die Mobilisierung der eigenen Anhängerschaft hinaus habe sich die Partei nicht profilieren können. Auch die Arbeit der Landtagsfraktion werde nur bedingt wahrgenommen.

Die Polizeiaffäre nutzt der SPD bislang wenig

Wahrnehmbar ist die Opposition jedenfalls in der Polizeiaffäre – hier hat der 39-jährige Abgeordnete und Generalsekretär Sascha Binder sich als kritischer Fragesteller profiliert. Er gilt als große Nachwuchshoffnung der Partei. Am Montag könnte der Streit um die Beförderungspraxis in der Landespolizei, die Vorwürfe gegen den Inspekteur und die Brief-Affäre von Strobl einen neuen Höhepunkt anpeilen – dann wird unter anderem Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) befragt. Doch profitiert die Partei davon? „Bislang hat sie vor allem erreicht, dass das Ansehen von Innenminister Strobl in den Keller geht“, analysiert Brettschneider. Die Affäre sei zu abstrakt und für die Öffentlichkeit nicht verständlich.

Auch von der Bundespartei kam angesichts der Energiekrise derzeit kaum Rückenwind. Andreas Stoch ficht das nicht an. „Bei der Bundestagswahl lagen wir nur noch drei Prozentpunkte hinter der CDU und viereinhalb Prozentpunkte vor den Grünen “, sagt er. Und verweist auf Erfolge bei OB-Wahlen, etwa in Freiburg oder Karlsruhe. Auf dem Parteitag wird der Landesvorstand komplett neu gewählt – das Spitzpersonal tritt wieder an, inklusive Stochs vier Stellvertretern. So viel Stabilität war selten.

Rafael Binkowski

Chefredakteur des Staatsanzeigers

0711 66601 - 293

Nutzen Sie die Vorteile unseres

Premium-Abos. Lesen Sie alle Artikel aus Print und Online für

0 € 4 Wochen / danach 167,00 € jährlich Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren

Lesermeinungen

Bitte loggen Sie sich ein, um zu kommentieren.

Lesen Sie auch