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Erzwungene Neuwahl in Tauberbischofsheim bestätigt alte Verhältnisse

War da was? In Tauberbischofsheim hat eine Gemeinderatswahl stattgefunden. Sie musste wegen eines Gerichtsurteils wiederholt werden. Der Wähler hat entschieden, dass sich im Wesentlichen nichts verändert. Die Verwaltungsmitarbeitenden haben die Anforderung, im Alleingang eine Wahl abzuwickeln, souverän gemeistert.
Bürgermeisterin Anette Schmidt (CDU) und Gemeinderat Kurt Baumann betrachten die ersten Ergebnisse aus den Wahlkreisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hatte die Gemeinderatswahl in Tauberbischofsheim für ungültig erklärt. Am Sonntag wurde sie wiederholt. Bürgermeisterin Anette Schmidt (CDU) und Gemeinderat Kurt Baumann (Zweiter v.r.) betrachten die ersten Ergebnisse aus den Wahlkreisen.

dpa/Ulrich Baumgarten)

TAUBERBISCHOFSHEIM. Der Marktplatz in Tauberbischofsheim, kurz nach 18 Uhr am vergangenen Sonntagabend: Es ist gespenstisch ruhig und dunkel im Zentrum der Kreisstadt des Main-Tauber-Kreises. Nur wenig deutet darauf hin, dass an diesem Tag eine Gemeinderatswahl stattgefunden hat. Beispielsweise die vielen hell erleuchteten Fenster im Rathaus und im wenige Meter entfernt liegenden Klosterhof-Gebäude, das ebenfalls von der Verwaltung genutzt wird. Dort sind zahlreiche Verwaltungsmitarbeiter damit beschäftigt, die Stimmzettel auszuwerten. Es sind die Stimmzettel einer Wahl, die niemand haben wollte und die doch durchgeführt werden musste.

Bei der Auswertung gibt es viele ungültige Stimmzettel

Obwohl eine Wahlsoftware im Einsatz ist: Bei der Auszählung steckt am Ende immer noch viel Handarbeit dahinter. Im Klosterhof sitzen in mehreren Zimmern die Beschäftigten in Viererteams zusammen. Ihre Aufgabe: die „Erstbetrachtung“ des dreiseitigen Stimmzettels. Ist die Kennzeichnung der einzelnen Personen durch den Wahlberechtigten eindeutig? Wird die zulässige Stimmenanzahl von 18 überschritten? Haben im Zuge der unechten Teilortswahl die Wahlberechtigten in den Ortsteilen im richtigen Wahlbezirk ihr Kreuzchen gemacht?

All das sind die Fragen, die im ersten Schritt zu klären sind. Hat ein Stimmzettel die Prüfung „bestanden“, wandert er auf den Stapel, die im Anschluss zu einem der Eingabeteams im Zimmer gegenüber gebracht werden.

Aber – wie üblich bei der unechten Teilortswahl – gibt es auch etliche Stimmzettel, die nicht in die Wertung einfließen können. „22 Stimmen wurden vergeben, leider ungültig“, meint einer der Wahlhelfer, der ein kleines Zeichen auf dem ersten Blatt macht und den Stimmzettel auf einen Extrastapel legt.
Auf der anderen Seite des Flurs kommen die Stimmzettel dann zur Eingabe an. Hier gilt ein besonderes Vieraugenprinzip: Zwei Mitarbeitende der Verwaltung, die im Rathausalltag nicht direkt zusammenarbeiten, sitzen hier gemeinsam vor einem Rechner. In diesem Fall kontrollieren sich eine Angestellte aus dem Bürgerbüro und der Hausmeister einer Schule gegenseitig, dass die Stimmen, die der Wähler auf dem Stimmzettel vermerkt hat, auch genauso in den Computer übertragen werden. Bürger aus Tauberbischofsheim, die die Auszählung mitverfolgen, sind zumindest im Klosterhof nicht anwesend.

Im Erdgeschoss des Klosterhofs befindet sich das Bürgerbüro, das heute als Wahlzentrum dient. Hier fließen die Ergebnisse der Stimmzettel zusammen. Das ist eine überschaubare Anzahl an diesem Abend, denn die Wahlbeteiligung fällt mit rund 38 Prozent deutlich geringer aus, als an anderen Wahlabenden, wenn gleichzeitig Ortschaftsrats- und Kreistagswahlen sowie die Europawahl stattfinden.

Fünf Gemeinderäte scheiden Ende März aus

„Es hätte mehr sein können“, meint Bürgermeisterin Anette Schmidt (CDU), „aber auch weniger“, schiebt sie nach. Schmidt hat sich zusammen mit einigen Gemeinderäten im Foyer eingefunden. Eine Ergebnispräsentation auf einer Leinwand gibt es an diesem Abend nicht. Dafür starren ab 20 Uhr alle in ihre mobilen Endgeräte, denn dort werden die ersten Ergebnisse eingespielt. Sie sind allerdings bei drei von 18 ausgezählten Wahlbezirken noch nicht wirklich aussagekräftig. Etwas mehr als zwei Stunden später, genau um 22.07 Uhr, steht das vorläufige Endergebnis fest. Verändert hat sich – mit Blick auf die politischen Kräfteverhältnisse in der Stadt – nichts. Wie zuvor erhält die CDU neun Sitze, die Bürgerliste sechs Sitze und die Unabhängigen Freien Wähler vier Sitze. Einzige Änderung: der Gemeinderat umfasst 19 und nicht mehr 20 Mandatsträger. Es gibt im eigentlich 18-köpfigen Gremium nur einen Ausgleichssitz. Die Linke, bisher mit einer Person vertreten, war nicht mehr angetreten.

Der langjährige Gemeinderat Kurt Baumann (CDU) ist zufrieden. Seine Liste hat sogar Prozente dazugewonnen. „Das reicht aber sitzmäßig nicht für eine absolute Mehrheit“, meint er und lächelt verschmitzt. Etwas Bewegung ist doch in das Gremium gekommen: Fünf von 19 Mandatsträgern sind neu. Fünf Gemeinderäte scheiden mit Ende März per Wählervotum aus. Nach der Wahl ist vor der Wahl: Für die Parteien und Wählervereinigungen hat die Kandidatensuche für die Kommunalwahl 2024 im Prinzip schon begonnen.

Bürgerin hatte gegen Sitzverteilung geklagt

Die Wahl des Gemeinderats in Tauberbischofsheim war vom Verwaltungsgerichtshof in Mannheim für ungültig erklärt worden. Eine Bürgerin hatte mit Blick auf die unechte Teilortswahl die Sitzzuteilung für einen Ortsteil als ungerecht moniert und Recht erhalten. Diese Zuteilung musste zunächst vom Gemeinderat korrigiert werden, weil das Prinzip der unechten Teilortswahl für die Wiederholungswahl beibehalten werden musste. Der jetzt neu gewählte Gemeinderat wird entscheiden müssen, ob er für die Kommunalwahl 2024 die unechte Teilortswahl abschaffen will. Der aktuell geschäftsführende Gemeinderat kann eine Entscheidung von solcher Tragweite nicht treffen.

Quelle/Autor: Marcus Dischinger

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