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Hendrik Bednarz wird mit hauchdünner Mehrheit neuer Tübinger Landrat

Landrat Joachim Walter beglückwünscht seinen designierten Nachfolger Hendrik Bednarz und Ehefrau Eva (von links).
Klaus Franke)Tübingen. Neuer Landrat des Landkreises Tübingen wird Hendrik Bednarz. Der Erste Bürgermeister Rottenburgs und Chef der SPD-Fraktion im Kreistag folgt damit auf Joachim Walter (CDU), der sein Amt vorzeitig zur Verfügung gestellt hat. Im dritten Wahlgang hat der Sozialdemokrat und Finanzbürgermeister der zweitgrößten Stadt im Landkreis 32 Stimmen erhalten. Für seine Mitbewerberin, die parteilose Erste Landesbeamtin Tübingens Daniela Hüttig, stimmten am Mittwoch 31 Kreisräte.
Wechselnde Mehrheiten von Wahlgang zu Wahlgang
Notwendig war in den ersten beiden Wahlgängen die absolute Mehrheit der Kreisräte von 34 Mitgliedern. Anwesend waren 63 stimmberechtigte Kreisräte. Im ersten Wahlgang hatte Bednarz noch 32 Stimmen erhalten, Hüttig 29, bei zwei Enthaltungen. Im zweiten Wahlgang kehrte sich das Verhältnis um: Hüttig erhielt 32, Bednarz 31 Stimmen. Woher die Stimmen kamen, blieb unklar. Einige Fraktionen stimmten dem Vernehmen nach uneinheitlich, die Wahl ist ohnehin geheim .
Eine Unterbrechung zwischen den beiden ersten Wahlgängen wünschten die Räte nicht. Erst vor dem dritten Durchgang gab Landrat Walter eine kleine Pause. Ruhig wurde es, als die Wahlkommission zum letzten Mal die Urne leerte und anfing, die Stimmzettel zu häufeln. Die Kandidaten saßen mit versteinertem Blick am Rand des Saals. Dann die Verkündung des Wahlergebnisses durch Landrat Walter und der Applaus brandete auf, Glückwünsche und der Wunsch nach guter Zusammenarbeit, den Thomas Hölsch, Freier Wähler-Rat und Bürgermeister von Dußlingen, offiziell formulierte.
Der Landkreis Tübingen und das Weltgeschehen
In seiner Bewerbungsrede brach Bednarz die politische Lage im Land auf den Kreis Tübingen herunter. Er erinnerte an die vielen Krisen, mit denen Landrat Walter in seinen letzten Jahren im Amt zu tun hatte, Finanzkrise, Corona oder Energiekrise. „Kommunen können Krise“, so sein Fazit, das er auch aus eigener Erfahrung zog, habe er doch fast alle in der Verwaltung selbst miterlebt und mitbewältigt. Bednarz plädierte für mehr Miteinander, um die Probleme zu bewältigen. Er bot sich als Brückenbauer im Gremium an und mahnte generell zu mehr Respekt in den Diskussionen.
Konkrete Handlungsfelder sieht er im Jugendamt sowie bei der kreiseigenen Wohnungsbaugesellschaft. Die Fördermöglichkeiten würden nicht ausreichend ausgeschöpft. Kommunen dürften nicht durch die Kreisumlage eingeschränkt werden, wenngleich der Kreis auf die Umlage für seine Handlungsfähigkeit angewiesen ist. „Die Regionalstadtbahn muss kommen“, so seine Überzeugung, aus Umweltgründen und um die Wirtschaft in den Städten zur fördern. Dafür müssten andere Projekte zurückstehen.
Der Regionalstadtbahn widmete sich auch Daniela Hütig und stellte sich dem Missverständnis entgegen, sie sei gegen das Projekt. Allerdings will sie die Planung auf Unnötiges hin überprüfen und so bezahlbarer machen: „Kaffee geht noch, Cappuccino ist nicht mehr drin.“ Ein großer Teil ihrer Rede hatte die interne Struktur des Amts zum Thema. Sie hob ihre Kompetenz als Führungskraft hervor, die ihre Mitarbeiter für ihre klare Kommunikation und Entscheidungsfreude schätzen. Der Landkreis sei personell vergleichsweise schlank besetzt, trotzdem will sie bei der Flüchtlingsunterbringung Personal sparen und Synergien schöpfen. Im Wohnungsbau pries sie die Nachverdichtungspläne der Kreisbau. Generell zeigte sie eher die Grenzen auf, in denen sich die Kreispolitik bewegt, etwa durch den Sparzwang.
Auch Boris Palmer will was wissen
Auf die Frage des bekanntesten Tübinger Kreisrats, des parteilosen Tübinger OB Boris Palmer, nach Möglichkeiten, bei der Kreisumlage den Kommunen entgegenzukommen, zeigten sich beide Kandidierenden zurückhaltend. Bednarz wollte alle Möglichkeiten prüfen, Hüttig bezweifelte, ob das Ansinnen haushaltsrechtlich sauber darstellbar sei.
Der 46-jährige Wahlsieger wird zum Oktober die Leitung der Kreisbehörde übernehmen. Zuvor wird es auch um die Arbeitsbeziehung zwischen ihm und der unterlegenen Ersten Landesbeamtin Hüttig gehen. In seiner Dankesrede lobte er den fairen Wahlkampf und stellte klar, dass beide sich vor der Kampagne in die Hand versprochen hätten, gut miteinander arbeiten zu wollen.
Kollegenriege aus dem bürgerlichen Lager
Bednarz wird der aktuell einzige Landrat Baden-Württembergs mit einem SPD-Parteibuch werden. Die Kollegenriege setzt sich momentan aus 16 parteilosen oder Freien-Wähler-Politikern sowie 19 CDU-Amtsinhabern zusammen. Bislang einziger SPD-Landrat war laut Auskunft des Landkreistags der 2023 verstorbene Rainer Heeb. Er hatte das Amt von 1973 bis 2000 im Kreis Böblingen inne, wechselte aber 1994 zur CDU.
Achim Brötel folgt Walter als Landkreistags-Präsident
Mit der Wahl am Mittwoch ist die Nachfolge von Joachim Walter geklärt, der im Dezember 2024 seinen Rückzug aus gesundheitlichen Gründen angekündigt hatte. 22 Jahre ist Walter Landrat, seine laufende dritte Amtszeit hätte 2027 geendet. Bei seinem Ausscheiden wird Walter 65 Jahre alt sein. Nachfolger als Präsident des Landkreistags soll Achim Brötel (CDU) werden. Der Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises ist schon jetzt Präsident des Bundesverbands.