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Akademie für Darstellende Kunst

Ludger Engels: „Meine Devise: Step by Step – wirklich weitergehen“

Die Akademie für Darstellende Kunst in Ludwigsburg ist eine von mehreren Ausbildungsstätten in Ludwigsburg. Seit 2022 ist Ludger Engels der Leiter - und treibt Koordinationen, Internationalisierung und Digitalität voran.

Auch im Lehrplan der ADK hat Digitalität bereits Einzug gehalten, etwa mit einem Seminar mit Ilja Mirsky.

Stevenmschultz, ADK)

Staatsanzeiger: Herr Engels, die Staatstheater in Stuttgart haben unlängst einen Besucherrekord vermeldet. Wie geht es der Theaterszene im Land?

Ludger Engels: Ich kann für uns sprechen: Wir haben gerade die höchste Bewerberzahl. In den vergangenen drei Jahren ist sie stetig angestiegen. Und unsere Studierenden und Alumni haben aktuell sehr viele Preise gewonnen. Unsere AbsolventInnen sind oft in mehreren Bereichen erfolgreich, beispielsweise beim Regieführen und Schreiben, Schauspielen und in der Videoproduktion. Das ist ein Erfolg unserer Ausbildung.

Sie sind im Frühjahr 2022 mit zahlreichen Plänen angetreten. Konnten Sie etwas davon verwirklichen?

Ja, sehr viel. Drei Dinge hatte ich mir vor allem vorgenommen: die lokale Anbindung an den Standort Baden-Württemberg und Ludwigsburg, die internationalen Kontakte zu intensivieren und für die Lehre neue Bereiche zu eröffnen. Die wichtigste Frage ist, wie sehen die Arbeitsfelder der Zukunft für junge KünstlerInnen aus? Für uns: Was heißt Darstellende Kunst heute und morgen?

Was haben Sie konkret gemacht?

Ich habe zunächst eine Änderung in der Haltung vorgenommen. Wir müssen uns so breit aufstellen, dass wir dem „Markt“ – und den bewusst in Anführungszeichen – stets neue Formate anbieten können und Künstlerpersönlichkeiten ausbilden, die mit neuen Berufsfeldern umzugehen wissen. Konkret geht es hier etwa um Digitalität.

In welcher Form?

Wir forschen in Laboren unter anderem, welche Andockpunkte es gibt und welche neuen Formate mit digitalen Technologien entstehen. Beim Innovationslabor Zukunft am Staatstheater war von der ADK „Kostja“ aus Anton Tschechows „Die Möwe“ dabei, ein Monolog. Der Schauspieler ist mit seinem Avatar in Kommunikation getreten, die Zuschauer konnten sich in den Dialog einklinken.

Wie vermitteln Sie Digitalität Ihren Studierenden?

Die Ästhetik des Digitalen wird theoretisch unterrichtet. Da geht es um Formate, um KünstlerInnen, Theater und Fragestellungen in dem Bereich. und das im Austausch mit der Filmakademie. Unser großes Alleinstellungsmerkmal ist, dass wir uns den Campus teilen, eng zusammenarbeiten, besonders mit dem Animationsinstitut. Unsere Studierenden lernen zum Beispiel Motion Capture Performance, arbeiten mit Virtual Production Technologie, LED Walls und KI. Dies ist wichtig für die Gaming-Industrie und ein riesiger Arbeitsmarkt.

Bedeutet Motion Capture Performance, dass Schauspieler und Schauspielerinnen im Studio Bewegungen vormachen und eine KI lernt diese?

Genau. Ohne die Live-Aktionen könnte die KI nie alle Bewegungen lernen. Die KI kann sich erst dann richtig bewegen, wenn sie Beispiele hat. Für die SchauspielerInnen ist das ein komplett anderes Bewegen als auf dem Filmset, da von allen Seiten 360 Grad gefilmt wird.

Bedroht KI nicht auch Arbeitsplätze?

Das kann ich mir weniger vorstellen. Den Dialog zwischen Publikum und Bühne kann keine KI ersetzen. Chancen sehe ich zudem, was etwa die Barrierefreiheit angeht. Wir können mit digitaler Technologie Menschen einbeziehen, die anders nicht am Theater teilhaben können.

Wie gehen Sie in die Stadtgesellschaft?

Bei uns werden alle Projekte ab dem dritten Studienjahr öffentlich aufgeführt. Wir zeigen im Studienjahr über 20 Projekte mit mehreren Vorstellungen öffentlich. Mit dem Weiterbildungsprogramm der Open Academy öffnen wir die ADK in die Stadt hinein. Regelmäßig wird der Stadtraum bespielt und der Akademiehof ist ein öffentlicher Ort, wo im Sommer teilweise Seminare unter freiem Himmel stattfinden. Daneben sind wir regelmäßig Gast im Franck-Areal, ein leerstehendes Industrie-Areal neben dem Bahnhof.

Das ist ein großes Glück, dass es in Ludwigsburg noch solche Orte gibt und nicht alles gleich abgerissen wird…

Und es ist ein schönes Beispiel, wie Akademie und Stadt zusammenarbeiten. Die Stadt hat uns eingeladen, das Areal künstlerisch zu bespielen, um die Möglichkeiten des Orts als kulturellen Treffpunkt herauszufinden. Genauso ist der Landschaftsraum, die Natur ein Ort geworden, den wir bespielen: Mit den Schlossfestspielen hatten wir letztes Jahr ein Projekt im Salonwald gemacht.

Welche Kooperationen gibt es noch?

Hinzugekommen ist das Kunstmuseum Stuttgart. Die Direktorin Ulrike Groos unterrichtet bei uns Bildende Kunst, das ist neu im Lehrplan. Mit der Akademie der Bildenden Künste haben wir eine feste Kooperation, sie ist Gesellschafterin der ADK. Die Bühnenbild- und Kostümbildausbildung findet für unsere Studierenden auch in Stuttgart statt, aber hier an der ADK gibt es das Theater mit den technischen Werkstätten und der Kostümwerkstatt, und wir kofinanzieren eine Professur. Seit zwei Jahren gibt es mit dem Institut für Gender- und Diversitätsforschung der Uni Tübingen ein gemeinsames Forschungsprojekt. Als neues Format mit der Filmakademie haben wir jetzt das gemeinsame Seminar „Extended Directing“.

Das bedeutet?

Das ist der erweiterte Begriff von Regie. Dabei geht es darum, wie man formatoffen arbeitet, Stoffe entwickelt, wie man mit Schauspielern umgeht, Proben plant. Es geht um den Austausch der Kompetenzen. Interessant ist die Frage, welche neuen Stoffe und Formate sich hier entwickeln werden.

Stichwort Diversität. Die steht nicht nur in den USA zur Disposition. Hat das Einfluss auf Ihre Arbeit?

Die Akademie ist sehr transdisziplinär und divers . Hinzu kommt das Thema der Inklusion. Wir möchten alle Menschen ansprechen. Für mich geht es da schlicht um Grundrechte. Ein Grundrecht haben wir derzeit als Transparent am Turm: Kunst braucht Bildung, Kreativität braucht Bildung, Demokratie braucht Bildung. Das sind Voraussetzungen für das Gemeinwesen, im Grundgesetz verankert.

Ist die Kultur der Kitt für gesellschaftlichen Zusammenhalt, wie es viele Politiker beschwören?

Wenn ich als Künstler der Kitt sein soll und kann, mache ich das gerne. Auf gesellschaftliche Veränderungen kann Kunst reagieren und der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten, aber auch Alternativen zeigen. Oft übernimmt die darstellende Kunst andere Funktionen, beispielsweise wird an Theatern viel Sozialarbeit und edukative Arbeit geleistet.

Welche Visionen haben Sie für die Zukunft der ADK?

Weiterhin neuartige Lehrformate, etwa mit der Filmakademie, aber auch mit ganz neuen Partnern außerhalb der Kunst, entwickeln und damit neue Räume für die Zukunft eröffnen. Bei uns im Theaterraum digitale Technologie fest zu installieren ist ein Ziel. In absehbarer Zeit einen Master International einzurichten und in der Internationalisierung voranzugehen wäre ein wichtiger Schritt. Nicht zuletzt muss nach unserer zweijährigen Förderung durch den Teilhabefonds des Landes, durch die ein sehr erfolgreicher Prozess angestoßen wurde, die Gestaltung der ADK zu einer barrierefreien Akademie angestrebt werden. Meine Devise: Step by Step, doch wirklich weitergehen, nicht lange zaudern und zu viel diskutieren.

Das Gespräch führte

Eva Maria Schlosser

„Wenn ich als Künstler der Kitt für gesellschaftlichen Zusammenhalt sein soll und kann, mache ich das gerne“, sagt Ludger Engels, Künstlerischer Direktor und Geschäftsführer der Akademie für Darstellende Kunst (ADK). Foto: Niklas Vogt
Niklas Vogt)

Zur Person: Ludger Engels

Der Regisseur und Musiker Ludger Engels wurde durch seine Opern- und Schauspielproduktionen sowie interdisziplinäre und raumübergreifende Projekte international bekannt. Von 2005 bis 2013 war er Chefregisseur und stellvertretender Intendant am Theater Aachen. Seit mehreren Jahren lehrt er als Dozent für Opern- und Theaterregie an verschiedenen Hochschulen. Seit 2015 ist er an der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg in Ludwigsburg tätig, zunächst als Studiengangsleiter und Professor für Regie und seit April 2022 als Künstlerischer Direktor und Geschäftsführer.

Engels ist Mitglied der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste und im Kuratorium der Akademie Schloss Solitude.

Die ADK zeigt Haltung – auch mit einem Transparent am Bühnenturm auf dem Campus zum Thema Kunst, Kreativität, Demokratie und Bildung. Foto: ADK
Stefanie Lambart)

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