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Experten wollen Nutzung beschränken

Um die Nutzung sozialer Medien in Schulen wird lange schon gestritten. Foto: IMAGO/Pond5 Images
IMAGO/Pond5 images)Stuttgart. „Soziale Medien sind längst ein elementarer Teil der Lebenswelt“, sagt ein Sprecher von Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) auf Staatsanzeiger-Anfrage, „sie bergen aber auch Risiken“.
Wie in vielen anderen Bereichen des Lebens, bei Filmen, dem Zugang zu Alkohol, Eintritt in bestimmte Einrichtungen oder Ausgehzeiten, habe die Gesellschaft mit Blick auf den Jugendschutz klare Regeln gesetzt.
Land ist Vorreiter beim Vermitteln von Medienkompetenz an Schulen
Solche Regeln müssten auch in sozialen Netzwerken gelten, denn „ein altersunabhängiger Zugang zu sämtlichen, zum Teil hoch problematischen Inhalten und Indoktrination überfordert Kinder in jüngerem Alter“. Schon seit vielen Jahren ist auch in Baden-Württemberg Medienkompetenz Bestandteil der Bildungspläne in allen Schularten. Das Land darf sich als Vorreiter fühlen, weil bereits 2004 entsprechende Inhalte verankert wurden. Allerdings, darauf verweisen die Fachleute der Leopoldina, hätten alle Anstrengungen nicht Schritt gehalten mit der rasanten Entwicklung der sozialen Medien , definiert als „digitale Plattformen, die es Nutzerinnen und Nutzern ermöglichen, Inhalte zu erstellen und zu teilen und auf diese Weise soziale Beziehungen zu knüpfen und zu pflegen“, wie die Autoren schreiben. Zentrales Merkmal sei das Geschäftsmodell, das darauf abziele, die Aufmerksamkeit und die Daten der Nutzerinnen und Nutzer zu monetarisieren. Typischerweise werde dabei das Nutzungsverhalten analysiert, um spezifische Merkmale, Präferenzen und Verhaltensmuster von Einzelpersonen und Gruppen zu ermitteln.
Leopoldina fordert „striktes Nutzungsverbot“ für Kinder unter 13 Jahren
Für Kinder und Jugendliche müssen nach Ansicht der Leopoldina-Fachleute hohe Hürden gelten. In der 76-seitigen Analyse, die eine Diskussionsgrundlage sei, wird ein „striktes und wirksames Nutzungsverbot“ für Kinder unter 13 Jahren sowie bis zum Alter von 17 eine altersgerechte Gestaltung der sozialen Medien und Netzwerke, „was eine deutliche Einschränkung der bisherigen Funktionalität bedeutet“. Zur Kontrolle könnte eine neue Art der allgemeinen Altersverifikation verwendet werden.
Zur Begründung der Empfehlungen sind viele Daten und Fakten zusammengetragen. So nutzen beispielsweise schon zehn Prozent der Sechs- bis Siebenjährigen, 17 Prozent der Acht- bis Neunjährigen, 46 Prozent der Zehn- bis Elfjährigen und 71 Prozent der Zwölf- bis Dreizehnjährigen mindestens einmal pro Woche TikTok. Zehn bis 17-Jährige an Wochentagen durchschnittlich rund zweieinhalb Stunden und am Wochenende insgesamt sieben Stunden. Weil im Mittelpunkt des Papiers die seelische Gesundheit steht, ist die Leopoldina auch dem Suchtpotenzial nachgegangen. Etwa 21 Prozent der Altersgruppe muss ein „riskantes Nutzungsverhalten“ zugeschrieben werden und 4,7 Prozent bundesweit ein „suchtartiges“.
Özdemir sieht eine Parallele zum Fahren lernen
Özdemir hatte Parallelen gezogen: Sein Vorschlag lautet für Kinder und Jugendliche bis 16 die „unbegleitete Nutzung“ zu untersagen , denn sie müssten einen verantwortungsvollen Umgang mit Smartphones und Medien lernen. „Jugendliche werden ja auch nicht einfach ohne Führerschein hinters Steuer gelassen“, sagt der Grüne, der nach Ende der Ampel-Koalition einige Monate auch Bundesbildungsminister war. Vielmehr gebe es da Fahrstunden, also ein schrittweises Heranführen, „und so müssen wir es auch mit den sozialen Medien halten“.
Das Kultusministerium verweist darauf, dass für jede Schulart verbindlich das Fach Informatik und Medienbildung von Klasse fünf bis zehn eingeführt wird, mit Themen wie KI, Fake News, Echokammern, Hatespeech oder Verschwörungstheorien. Zudem wolle man den Schulen mehr Handlungsmöglichkeiten geben, „damit sie die private Nutzung von digitalen mobilen Endgeräten in der Schule und im Unterricht alters- und entwicklungsangemessen regeln und umsetzen können“.
Opposition übt Kritik
CDU, FDP und AfD halten wenig von Social-Media-Einschränkungen. „Da ist sie wieder, die grüne Verbotspartei“, erklärte FDP-Landes- und Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Cem Özdemir gebe „den Super-Sheriff geben“, so Andreas Sturm, Bildungsexperte der CDU-Fraktion. Und für die AfD nannte Fraktionschef Anton Baron die Ideen „illusorisch und übergriffig“. Denn: „Jugendliche sollen sich möglichst wohl nur noch unter grüner Aufsicht informieren können.“ Hier gehe es wie immer nur um Machtsicherung und sonst um nichts.