Debatten im Landtag vom 29. und 30. Januar 2014

Abgeordnete wehren sich gegen harmonisierte Rechnungsführungs-Grundsätze der EU

Stuttgart. Der Landtag von Baden-Württemberg wehrt sich gegen die von der EU-Kommission geplante Einführung von harmonisierten Rechnungsführungs-Grundsätze für den öffentlichen Sektor. In seltener Einigkeit verabschiedete das Parlament am Donnerstag eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europa und Internationales. Darin wird gefordert, die Haushaltsautonomie der Länder und Kommunen zu achten und die von der EU-Kommission bis Ende […]

Stuttgart. Der Landtag von Baden-Württemberg wehrt sich gegen die von der EU-Kommission geplante Einführung von harmonisierten Rechnungsführungs-Grundsätze für den öffentlichen Sektor. In seltener Einigkeit verabschiedete das Parlament am Donnerstag eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europa und Internationales. Darin wird gefordert, die Haushaltsautonomie der Länder und Kommunen zu achten und die von der EU-Kommission bis Ende 2015 vorgesehene einheitliche europäische Rechnungslegung auf der Basis sogenannter EPSAS (European Public Sector Accounting Standards) sowie bis Ende 2020 einheitliche Rechnungsführungsgrundsätze nicht in Deutschland einzuführen. 
Staatssekretär Ingo Rust (SPD) hatte noch vor der Abstimmung im Landtag die Nachricht aus Berlin erhalten, dass der von Baden-Württemberg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz eingebrachten Bundesrats-Initiative mit 16:1 zugestimmt worden sei, so dass auch die Abstimmung im Bundesrat selbst gegen das EU-Vorhaben ausfallen dürfte.

Hermann und Aras erwarten hohe Kosten, aber keinen großen Nutzen

Klaus Herrmann (CDU)  kritisierte als erster Redner die Pläne der EU-Kommission. Müssten in Deutschland deren neue Standards geschaffen werden, würde sich der Umstellungsaufwand auf 2,65 Milliarden Euro belaufen. Für Baden-Württemberg würden Kosten zwischen 78 bis 390 Millionen Euro entstehen, wobei der Rechnungshof die obere Grenze errechnete. Jede zusätzliche finanzielle Belastung müsse kritisch hinterfragt werden, sagte Herrmann, der auch inhaltlich Bedenken äußerte.
So beruhten die Standards des EPSAS auf dem angloamerikanischen System IFRS (Internationale Financial Reporting Standards) und würden bei der Vermögensbewertung vom Vorsichtsprinzip des Handelsgesetzbuches (HGB) abrücken und damit auf eine Fair-Value-Bewertung umstellen. „De EU kann nicht alles regeln“, sagte der CDU-Finanzexperte und verwies auf die verfassungsrechtlich garantierte Budgethoheit von Ländern und Gemeinden. 
Eine Abwägung von Kosten und Nutzen forderte auch Muhterem Aras (Grüne). Die EU dürfe nicht Einheit mit Einheitlichkeit verwechseln, monierte sie. Zudem gehe es um die Haushaltsautonomie Deutschlands und der Bundesländer. Auch der Rechnungshof halte eine Änderung für nicht notwendig.
Aras forderte die grün-rote Landesregierung auf, alles zu tun, um über den Bundesrat das „unnötige System“ zu verhindern, das keinen Nutzen, sondern nur mehr Kosten bringe.
So klar hatte sich Aras’ Grünen.-Kollege Siegfried Lehmann im Ausschuss nicht geäußert. Er halte es für wichtig, dass die EU-Kommission den Verzehr von Vermögen in den öffentlichen Haushalten sichtbar machen wolle, um dadurch eine nachhaltige Haushaltsführung zu gewährleisten. Grundsätzlich sprach sich Lehmann für eine Harmonisierung der verschiedenen Rechnungsführungsgrundsätze aus.

EU-Vorschläge gefährden laut SPD und FDP Budgetrecht von Land und Kommunen

Harmonie klinge schön, sagte Walter Heiler (SPD).  Aber auch er wies auf die „unantastbare Haushaltsautonomie“ von Ländern, Kreisen und Gemeinden hin und pochte auf „unser verfassungsmäßiges Recht“. Das EU-Vorhaben ist aus Sicht des  Oberbürgermeisters von Waghäusel ohnehin nur schwer umzusetzen. Die Kommunen im Land seien gerade dabei, ihre Rechnungsführung von der Kameralistik auf die Doppik umzustellen – genau wie das Land. Dies sei schon sehr kostenintensiv und müsse bis 2020 abgeschlossen sein. 
Gegen das EU-Verlangen sprach sich auch Leopold Grimm (FDP) aus. „Wir brauchen keine europäische Regelung auf diesem Gebiet“, erklärte der Liberale. Die bisherigen deutschen Regelungen müssten erhalten bleiben. Ohnehin bezweifelte auch der Rechnungshof, ob die EU-Pläne vor dem Hintergrund der Entwicklung in der Finanz- und Wirtschaftskrise der richtige Weg sei.
Staatssekretär Rust will ebenfalls am Budgetrecht der Länder und Kommunen festhalten: „Dies darf nicht beeinträchtigt werden.“ Trotz der Einigkeit der Landtagsfraktionen und der Bundesländer riet er zur Vorsicht; man müsse aufpassen, dass die EU-Kommission nicht mit Ersatzvorschlägen durch die Hintertür komme.

Quelle/Autor: Wolf Günthner

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29. und 30. Januar 2014