Debatten im Landtag vom 13. Juli 2010

Landtag berät Zensusgesetz

Stuttgart. Ein Register gestützter Zensus anstelle der traditionellen Volkszählung – damit will auch Baden-Württemberg im Rahmen der EU-weiten Erhebung feststellen, wie viele Menschen in einem Land, in einer Stadt leben, wie sie wohnen und arbeiten. Eine EU-Verordnung vom 9. Juli 2008 verpflichtet die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, dazu Daten anhand eines festgelegten Katalogs von Merkmalen […]

Stuttgart. Ein Register gestützter Zensus anstelle der traditionellen Volkszählung – damit will auch Baden-Württemberg im Rahmen der EU-weiten Erhebung feststellen, wie viele Menschen in einem Land, in einer Stadt leben, wie sie wohnen und arbeiten. Eine EU-Verordnung vom 9. Juli 2008 verpflichtet die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, dazu Daten anhand eines festgelegten Katalogs von Merkmalen im Jahr 2011 zu erheben. Damit werden die Ergebnisse EU-weit vergleichbar sein. In Deutschland ist am 16. Juli 2009 das Zensusgesetz 2011 in Kraft getreten. Zuvor hatten der Deutsche Bundestag am 24. April 2009 und der Bundesrat am 15. Mai 2009 dem Gesetz abschließend zugestimmt.
Das Gesetz zur Anordnung des Zensus 2011 sowie zur Änderung von Statistikgesetzen – wie das Gesetz in ganzer Länge heißt – legt fest, wie der Zensus 2011 von der amtlichen Statistik in Deutschland vorgenommen wird und welche Merkmale erhoben werden. Im Unterschied zu einer traditionellen Volkszählung wird beim registergestützten Zensus nicht mehr jeder Haushalt befragt, sondern es werden vor allem Verwaltungsregister zur Gewinnung der Daten genutzt.
„Aktuelle Daten über Bevölkerung, sowie Gebäude und Wohnungen sind für eine Vielzahl von politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen von großer Bedeutung. Für die Planung von Kindergärten und Schulen, Seniorenheimen und Wohnraum in den Gemeinden sind aktuelle Zahlen unverzichtbar. Sie haben außerdem Auswirkungen auf den Länderfinanzausgleich, den kommunalen Finanzausgleich oder die Einteilung der Wahlkreise“, sagte Finanz-Staatssekretär Stefan Scheffolg (CDU) heute bei der ersten Beratung des Gesetzentwurfs im Stuttgarter Landtag.

Letzte Volkszählung in Deutschland ist veraltet

In Deutschland sei der Zensus auch deshalb dringend geboten, weil die letzte Volkszählung in der Bundesrepublik 1987 und in der DDR 1981 stattgefunden hat. Nach Angaben von Scheffold werden die beim Zensus erhobenen Daten ausschließlich für statistische Zwecke verwendet, Schutz und Vertraulichkeit der erhobenen Daten hätten höchste Priorität. Scheffold sagte, eine umfassende Direktbefragung aller Bürgerinnen und Bürger wie bei früheren Volkszählungen sei nicht erforderlich. Soweit wie möglich werde auf vorhandene Verwaltungsdaten zurückgegriffen. Lediglich zur Ermittlung von Daten, die von der EU vorgeschrieben sind und für die es keine Register gibt, sowie zur Sicherung der Qualität vor allem bezüglich der Feststellung der amtlichen Einwohnerzahlen, seien Befragungen bei rund einem Drittel der Bürgerinnen und Bürger erforderlich.
Dazu werden postalisch alle Gebäude- und Wohnungseigentümern befragt. Zudem werden im Rahmen einer Haushaltsstichprobe bei bundesweit rund zehn Prozent der Bevölkerung Daten erhoben. Stichtag ist der 9. Mai 2011. Der Entwurf regelt nach Aussage Scheffolds auch den Ausgleich der Kosten, die den Kommunen entstehen. Bei Gesamtkosten von 80 Millionen Euro erhalten diese Zuweisungen vom Land in Höhe von 29,5 Millionen Euro, betonte Scheffold. Der Gesetzentwurf sei mit den kommunalen Spitzenverbänden besprochen worden.
Norbert Beck (CDU) begrüßte das neue Verfahren als gute Alternative zur bisherigen, flächendeckenden Volkszählung. Becks Bürgermeister-Kollege Walter Heiler (SPD) kritisierte, dass der Gesetzentwurf erst jetzt ins Parlament eingebracht wurde, nachdem vom Finanzministerium ursprünglich das erste Quartal angekündigt worden war: „Hoffentlich ist es für Umsetzung nicht zu spät.“ Heiler erinnerte daran, dass nur Kommunen, die Erhebungsstellen werden, in den Genuss von Zuschüssen kommen werden. „Die anderen gehen leer aus.“ Hans-Ulrich Sckerl (Grüne) forderte, die Bestimmungen des Datenschutzes zu beachten. Für ihn sei nicht nachvollziehbar, dass 1,1 Millionen Baden-Württemberger am Zensus beteiligt werden. „Statt zehn Prozent unserer Bevölkerung würden auch fünf Prozent reichen„, urteilte der Grüne. Hans-Peter Wetzel (FDP) verspricht sich vom Zensus 2011 „klare und bessere Zahlen“ für die Zukunftsplanung.

Quelle/Autor: Wolf Günthner

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13. Juli 2010