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Zwischen Brandgefahr und Zukunftsinvestition: Wie der Landtag über Windkraft streitet

Auch in Baden-Württemberg trägt die Windkraft zur Stromerzeugung bei, wie hier auf der Schwäbischen Alb. Allerdings noch nicht im von der Landesregierung vorgesehenen Umfang.
dpa/imageBROKER/Arnulf Hettrich)Stuttgart. Für Joachim Steyer (AfD) ist kein Freund der Windkraft. Er spricht im Landtag von Flächenversiegelung, Infraschall, Vogelschlag, von Verspargelung der Landschaft und Wertverlust von Grundstücken durch Windkraftanlagen in der Nachbarschaft. Er spricht davon, dass der Brand einer Windkraftanlage die Feuerwehr vor unlösbare Aufgaben stellen würde, nennt ein Beispiel aus Niedersachsen. Und er warnt vor den Gefahren, wenn eine solche Anlage im Schwarzwald brennen würde.
Frank Bonath (FDP) weist ihn darauf hin, dass dies in Deutschland längst geregelt sei. Denn: „Wer eine Windkraftanlage im Wald errichten will, der muss eine automatische Löschanlage mit verbauen“, so Bonath. „Ihr Szenario dürfte für Baden-Württemberg keine Rolle spielen“, wandte er sich direkt an Steyer. Und Jan-Peter Röderer (SPD) erläuterte, dass das Windrad zwar in der Höhe nicht gelöscht werden konnte, es jedoch unter Beobachtung der Feuerwehr kontrolliert abbrennen konnte. Das sei gefährlich, ja. Aber er setzte die Brandmeldung auch in Relation: Das handle sich um einen von vier bis sechs Brandfällen pro Jahr bei über 30.000 Anlagen in Deutschland. Die Brandgefahr liege im Promillebereich. Fortschritt gehe auch mit Risiken einher. Sonst wäre man heute noch mit Pferdekutsche unterwegs statt mit Auto, Bahn und Flugzeug.
SPD: AfD will Unruhe in Bevölkerung verbreiten
Röderer warf der AfD vor, einen Einzelfall herauszugreifen, diesen zu skandalisieren, Panik und Ängste zu schüren. Und auch Natalie Pfau-Weller (CDU) sagte, die AfD zeige einmal mehr, mit der Titelwahl der Debatte „Windkraftland ist abgebrannt – Energiewende auf Kosten der Bürger“, dass es ihr nicht um Lösungen geht. Sie wolle vielmehr Katastrophenszenarien entwerfen und Unruhe in der Bevölkerung verbreiten.
Sie räumte ein, dass es beim Ausbau der Windkraft immer noch bürokratische Hürden gebe und verschwieg auch das Thema der Flächenkonkurrenz zwischen Wohnen, Gewerbeansiedlung, Landwirtschaft und erneuerbaren Energien nicht. Sie sprach davon, dass die Energiewende nicht ohne die Menschen funktionieren könne. Zugleich betonte sie, dass Energiewende und Klimaschutz wichtig seien. Gleichzeitig würde die Energiewende mehr und mehr zu einer sozialen Frage, was auch das Vertrauen in die Demokratie gefährde. Es gelte, nicht allein die Klimaneutralität, sondern auch Verlässlichkeit und Bezahlbarkeit der Energiewende in den Blick zu nehmen.
Industrie investiert in erneuerbare Energien
Paul Mettenleiter (Grüne) wies darauf hin, dass es um Investitionen in die Zukunft gehe. Diese seien nicht zum Nulltarif zu haben. Zugleich machte er deutlich, dass mit Windkraft die regionale Wertschöpfung gestärkt werde. Als Beispiel nannte er ein Windrad, das einer Kommune jährlich 80.000 Euro einbringe. Damit werde der kommunale Anteil am Schwimmbad gesichert. Und auch die Industrie habe die Bedeutung der erneuerbaren Energien für eine nachhaltige und unabhängige Produktion längst verstanden. Nicht umsonst investiere Zeiss nun in einen Windpark auf der Schwäbischen Alb.
„Ihre Hetze gegen die Erneuerbaren ist ein direkter Angriff auf unsere Industrie“, sagte Mettenleiter in Richtung AfD. Wer sich gegen den Ausbau stelle, spiele fossilen Autokraten in die Hände und was das bedeute „haben wir 2022 zu spüren bekommen“, so Mettenleiter in Anspielung auf den russischen Angriff auf die Ukraine und die deutliche Steigerung der Gaspreise.
Auch wenn keine der Fraktionen sich hinter die Forderungen der AfD stellen wollte, warnte Bonath für die FDP davor, dass die Energiewende nicht nur ein Kosten-, sondern auch ein Subventionsproblem hätte. Er sprach von 20 Milliarden Euro Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Zugleich rechnete er weitere 25 Milliarden Euro vor, sollte die von der CDU geplante Strompreisentlastung um fünf Cent umgesetzt werden. Er forderte einen Systemwechsel und den Ausstieg aus der Subventionspraxis.
Schäden durch den Klimawandel für die Wirtschaft
Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) verwies darauf, dass auf Bundesebene demnächst die nächste EEG-Reform anstünde. Zugleich stellte sie eine Gegenrechnung auf. Die Schäden für die Volkswirtschaft durch den Klimawandel – etwa durch Trockenheit und Überschwemmungen – seien immens. Allein im vergangenen Jahr hätten Unternehmen im Rems-Murr-Kreis nach einem schweren Hochwasser ihre Gebäude verloren und mussten abwandern. Diese Entwicklungen seien eine reale Gefahr für die Wirtschaft.
Allein die Gasmangellage nach dem russischen Angriffskrieg habe Deutschland 30 Milliarden Euro gekostet. Ein Beispiel, das zeige, wie wichtig eine unabhängige Energieversorgung sei. Deutschland gebe jährlich 80 Milliarden Euro für fossile Energieimporte aus, hinzu kämen weitere 45 Milliarden Euro an Subventionen für diesen Sektor. Wenn Baden-Württemberg sich jetzt nicht für die Zukunft rüste, drohten weitere Importabhängigkeit und ein Preisroulette, das „wir nicht beeinflussen können“.
Und Mettenleiter ergänzt: Der Energiepreisschock durch den Ukrainekrieg habe konservativ geschätzt 250 Milliarden Euro gekostet. „Diese Kosten hatten wir nicht, weil wir zu viel erneuerbare Energien hatten, sondern weil wir zu wenig davon hatten.“
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